Album der Woche: The Screenshots – 2 Millionen Umsatz mit einer einfachen Idee
Face-Reveal, von der Musikpresse gepriesen, zu Gast in den großen Talkshows und vor Allem: Eine neue Platte. Mit 2 Millionen Umsatz mit einer einfachen Idee springen The Screenshots endgültig in den Mainstream-Sumpf der deutschen Poplandschaft.
2018 haben die Twittersternchen Dax Werner, Kurt Prödel und Susi Bumms in der Quasi-Außenstelle „The Screenshots“ eine Möglichkeit geschaffen, ihre 280-Zeichen-Lyrik in musikalischen Ergüssen zu kanalisieren. Auf ihren EPs verbinden sie ironisierte Alltagsbeobachtungen mit Garagen-Sound, Punk-Dilettantismus und, Achtung Kampfbegriff, Gesellschaftskritik.
Schon als vor der Bühne noch Platz war, haben The Screenshots die Hörer*innen gespalten. Die einen werfen ihnen vor, ein Abklatsch von Pavement zu sein, für Andere bilden die „Sh00ters“ mit Max Rieger und Mia Morgan so etwas wie die heilige Dreifaltigkeit des deutschen Twitterpop. Auf ihrem neuen Album gehen sie den Mittelweg. Während auf den Debut-EPs (bzw. der zusammengefassten Europa-LP) in den Texten noch großflächig Anarchie herrschte, sind die Lyrics nun um einiges geradliniger geworden. Alles natürlich noch irgendwie ironisch, aber mit mehr Ernst, mehr Anspruch an sich selbst. Ein bisschen weniger Twitter, ein bisschen mehr Musik.
Nach musikalischer Weiterentwicklung sucht man auf dem Album allerdings vergeblich – aber wer hätte die auch erwartet? Gewohnt geschrammelte Gitarren in D, A und G machen mal Tempo, mal Lärm, was halt gerade gebraucht wird. Hauptsache energisch und nicht überfordernd, instrumentale Präzision macht bewusst Platz für die Pointen. Die zielen auf Bürgertum, Überangebot oder Christian Lindner. „Die Welt geht noch nicht unter, sie wird nur immer geiler“ heißt es auf der gleichnamigen Single. „Bitte kein Inhalt, ich will nur Fun, Fun, Fun“ wird auf „Walter White ist tot“ skandiert. Ist das schon Systemkritik? Vielleicht, auf jeden Fall ist 2 Millionen Umsatz allerdings wieder eine Platte für Kulturpessimist*innen, für die Ironie der einzige Ausweg aus dem traurigen Alltag bleibt.
Die Europa-LP hatte das Potenzial zum Manifest desillusionierter Kinder des (hoffentlich!) Spätkapitalismus in der Zange verblendeter Neoliberaler. Diesen inhaltlichen Anspruch vermischen Dax Werner, Kurt Prödel und Susi Bumms auf 2 Millionen Umsatz mit einer einfachen Idee mit Marketingstrategie, Professionalisierung und einer gewissen Ernsthaftigkeit. Nicht unbedingt ein Widerspruch, aber ein Risiko, dass die Band jetzt vor einen Scheideweg stellt: Bei den Wurzel bleiben oder ab in die Industriemaschinerie. Zumindest bisher gehen die Screenshots noch nicht unter, sie werden nur immer geiler.