Während üblicherweise auf Live-Alben bereits bekannte Studio Arrangements performt werden, sind die Songs auf diesem Album für alle die nicht beim Konzert in Kopenhagen dabei waren vollkommen neu. Einzige Ausnahme bildet die Single „For my ladies“: ein verträumt-souliger Rhodes-Piano Song, der eigentlich 2019 schon als Vorbote Dayes‘ Solo-Debuts angedacht war. Statt seines Debuts kam dann im April 2020 aber erstmal das vielgefeierte Kollabo-Album mit R&B Sänger und Gitarristen Tom Misch. Hier treffen fluffiger Neo Soul auf energetischen Jazz und erzeugen einen kontrastreichen Melting Pot zwischen Pop und Virtuosität. Fans des Jazz-Drummers und Komponisten Dayes‘, die ihn vor allem wegen seines kompromisslosen, fast gewaltvollen Stils zu lieben gelernt haben, kommen allerdings erst jetzt mit dem Live-Album Welcome to the hills gänzlich auf ihre Kosten.
Zusammen mit seinem Bassisten Rocco Palladino und dem Keyboarder Charlie Stacey bildet der Londoner Jazz-Absolvent ein eingegroovtes und experimentierfreudiges Team. Viele ihrer Kompositionen entstehen während ihrer Gigs – und genauso fühlt sich das Album auch an. Bereits auf dem Opener Black Love – Amazonian Springs wird die erfahrungsorientierte Stoßrichtung und forschende Qualität ihres Spiels deutlich. Es gibt keine Fehler, nur mutige Impulse und unerwartete Pausen. Nach eingehenden Synthesizerflächen und Feedback Loops entstehen repetitive Bass-Solo Passagen, die sich klar auf die Suche nach dem erlösenden Drop-In begeben. Mehrere Male läuft der Bass ins nichts, bis Yussef Dayes die Zuhörer*innen und seine Kollegen mit wenigen trockenen Schlägen befreit.
Auf anderen Songs ändert sich inmitten einer Struktur die Fahrtrichtung; vorbereitet durch winzige Bewegungen, die erst nach dem Bruch ihre Auflösung finden. Der Titeltrack Welcome to the hills entwickelt sich auf diese Weise vom harmonisch ausufernden Space-Fusion Track zum Offbeat getriebenen Uptempo Funk. Statt kleinteiliger Verschiebungen dominieren auf dem Album überraschende Umbrüche und gewaltvoll mitreißende Rhythmen – die Hörer*in dabei mitten im Geschehen.
Welcome to the Hills wird dadurch zu einem unfassbar nahbaren Live-Erlebnis voller Überraschungen, groove-lastiger Improvisationen und flirrender Energieschübe – für mich definitiv genau das, was 2020 so schmerzlich gefehlt hat.