„Bei einer normalen Spielzeit sind wir noch nicht“
Die deutsche Theaterlandschaft wurde von der Corona-Pandemie stark getroffen. Um das Publikum wieder in die Säle zu holen, haben sich Freiburgs Schauspielhäuser verschiedene Strategien überlegt. Barrieren sollen abgebaut und ein jüngeres Publikum angesprochen werden.
„Es geht um die nackte Existenz“, warnten die Landestheaterintendanten André Nicke und Thorsten Weckherlin in einem Brandbrief im vergangenen Sommer. Drei Jahre lang sorgte das Corona-Virus in der Szene für Turbulenzen. Vertrauen, Verbindlichkeit und Selbstverständlichkeit sind laut dem Schreiben verloren gegangen. Die Folge: Kaum Besucher:innen, wenig Einnahmen, Angst vor Personalabbau – und das, obwohl viele pandemiebedingte Maßnahmen bereits gefallen waren.
Der Bericht des Deutschen Bühnenvereins bestätigt das düstere Bild: Nachdem in der Spielzeit 2018/2019 rund 20 Millionen Menschen ein Theater besucht hatten, waren es im Pandemiejahr 2020/21 bundesweit nur noch zwei Millionen.
Und wie sieht es in Freiburg aus? „Diese Jahre stecken uns in den Knochen“, so Florian Wetter, Leiter des Theaters der Immoralisten. 2019 lag die Eigenfinanzierungsquote noch bei 68 Prozent, ein Corona-Jahr später waren es laut Wetter noch 21 Prozent. Beim Publikum des Wallgraben Theaters war die Angst vor einer Ansteckung noch bis zum Herbst 2022 spürbar. Der Ticketumsatz schrumpfte in der Spielzeit 2020/21 auf 90.000 bis 100.000 Euro. Das entspricht etwa einem Viertel des vorherigen Umsatzes (300.000 bis 400.000 Euro).
Freiburgs Theater erholen sich von der Pandemie nur langsam
uniCROSS hat mit dem Theater der Immoralisten sowie Wallgraben Theater über Pandemie-Erfahrungen, Besucherzahlen und den Neustart-Kultur gesprochen.
Auch beim Theater Freiburg brachen die Besucherzahlen ein. In der Spielzeit 2018/19 verkaufte das Theater im Freiburger Stadtzentrum insgesamt 192.000 Karten. Im Zeitraum 2021/22 kamen nur noch rund 127.000 Besucher:innen an die Bertoldstraße. Laut Sprecherin Shirin Saber kehrt das Publikum jedoch ans Theater Freiburg zurück. Die Bühnenlandschaft habe sich zwar verändert, in Gefahr sei die Institution jedoch nicht: „Theater gibt es schon seit Tausenden von Jahren und wird es auch weiter geben.“
Tessa Beecken, Kaufmännische Direktorin beim Theater Freiburg, bezeichnet die Saison 2022/23 als „Spielzeit der Normalisierung“. Noch immer habe Corona Auswirkungen auf die Besucherzahlen, viele begleite nach wie vor die Angst vor einer Ansteckung. „Das Publikum kommt zurück, aber bei einer normalen Spielzeit sind wir noch nicht.“
Kulturhistorikerin Birgit Mandel, Professorin an der Universität Hildesheim, sieht in dem Besucherschwund vor allem ein strukturelles Problem, das durch die Pandemie verstärkt sichtbar wurde. Das treue Theaterpublikum bestehe vor allem aus älteren Besucher:innen. Schon länger sei es schwierig, junge Menschen ins Theater zu locken.
Beecken weiß um diesen Umstand. Die größte Herausforderung bestehe nun darin, junge Erwachsene mit Familie und wenig Zeit für Theater zu begeistern. Momentan machen Kinder, Jugendliche und Studierende ein Drittel des Publikums im Freiburger Theater aus. Das Spielhaus veranstaltet deswegen Angebote für ein breites Publikum: „Relaxed Performances“ sind Vorstellungen, die zugänglich sein sollen – ohne Konventionen oder gesellschaftliche Einschränkungen. Beeken sagt: „Wir schauen uns an, wo vielleicht Barrieren sind, die Menschen davon abhalten könnten, zu uns zu kommen.“ Sie hofft nun auf die erste „normale Spielzeit“ seit nunmehr drei Jahren.
Summerstage – Theater im Freien
Das Theater Freiburg will Kunst und Kultur auch auf die Straße bringen. Eine im Pandemiejahr 2021 ins Leben gerufene Freilichtbühne sollte Menschen auch diesen Sommer anziehen. uniCROSS hat sich die Performances, Workshops und Konzerten genauer angeschaut.
Eine Gemeinschaftsproduktion von Luzie Burchartz, Christoph Scholz, Alexander König und Hannah Schierl im Rahmen des Seminars „Einführung in den crossmedialen Journalismus“ für Studierende der Medienkulturwissenschaft. Seminarleitung, Redaktion: Ada Rhode, Andreas Nagel, Philip Thomas.