Bekifft studieren, kann das gut gehen?
„Zum Chillen, beim Tanzen, bei kreativer Arbeit“ – das sind Momente bei denen Freiburger Studierende kiffen. In der Lernzeit allerdings hören viele auf. uniCROSS wollte wissen: Wie wirkt Cannabiskonsum auf Konzentration, Motivation und Leistungsvermögen und haben bei einem Freiburger Professor nachgefragt.
Süßlicher Haschischgeruch liegt in der Luft. Völlig breit auf dem Sofa sitzend, diskutieren langhaarige Studierende über den Atomkraftausstieg, den Papstbesuch, Stuttgart 21 und den Kommunismus als die einzig wahre Gesellschaftsform. Das ist das Klischee des kiffenden Studierenden. Aber auch Studierende, die nicht diesem Klischee entsprechen, greifen zum Joint.
Viele Studierende konsumieren Cannabis
Was ist Cannabis überhaupt? Verfügbar ist Cannabis als Kraut, das aus den Blättern der Hanfpflanze gewonnen wird und im Volksmund bekannt ist als Marihuana oder Gras. Ebenfalls verfügbar ist es als Harz, dem Sekret der Pflanze, auch bekannt als Haschisch.
Laut UNODC World Drug Report ist Cannabis die beliebteste Droge nach Alkohol und Tabak. Im Schnitt konsumierten 160 Millionen Menschen zwischen 15 und 64 Jahren weltweit demnach Cannabis.
Der ESPAD-Report, „The European School Survey Project on Alcohol and other Substance use-Report“, befragte 2007 100.000 Schüler zwischen 15 und 16 Jahren aus 35 europäischen Ländern, ob sie schon einmal Cannabis konsumiert hätten. In Deutschland antworteten 20 Prozent mit ja. Und nach der Schule wird weiter geraucht: Studien aus den USA schätzen, dass ein Drittel der amerikanischen Studierenden Cannabis konsumiere.
Cannabis wirkt auf das Gehirn
„Alkohol ist gefährlicher als Kiffen, weil es die Gesundheit stärker schädigt“, „in Maßen kann man es genießen, dann ist da nichts dabei mal einen Joint zu rauchen“,
hört man von Freiburger Studierenden bei einer allerdings nicht repräsentativen Umfrage dazu, wie sie den Cannabiskonsum einschätzen.
Stimmt das wirklich? Ist der Cannabiskonsum unbedenklich? Wie wirkt Cannabis auf das Gehirn? Und wie beeinflusst es Gedächtnis, Konzentration, Motivation und somit das gesamte Leistungsvermögen?
Der Freiburger Professor Dr. Bela Szabo untersucht am Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie und Toxikologie mit seiner Arbeitsgruppe die Wirkung von Cannabinoiden auf Nervenzellen im Gehirn. „Die in der Cannabispflanze vorkommenden Cannabinoide sind die sogenannten Phytocannabinoide. Die für die typische Cannabiswirkung verantwortliche Komponente ist das psychisch aktive THC“, erklärt er. „Cannabinoide hemmen die Kommunikation zwischen zwei Nervenzellen“. Der Cannabiskonsum wirke also direkt auf das Gehirn.
Motivationsstörungen durchs Kiffen
„Man wird emotionaler, gelassener oder einfach nur müde“, berichtet ein Freiburger Student. Ein anderer erzählt, dass er bei täglichem Konsum, melancholisch, fast schon depressiv werde.
Bereits 1845 beobachtete der französischer Psychiater Jacques-Joseph Moreau in einem Selbstversuch, dass Haschischrauchen akute psychotische Reaktionen auslösen könne, die teilweise bis zu mehreren Wochen anhielten. Er berichtete von visuellen Halluzinationen, Wahnvorstellungen und sogar von paranoiden Phasen.
Doch ob sich der Konsum dauerhaft auf das Gehirn auswirkt und ob dies mit Schäden einhergehen kann, die nicht mehr rückgängig zu machen sind, ist unter Wissenschaftlern noch immer umstritten. Einige Studiendaten zeigen, dass bei andauerndem Konsum das Risiko an einer Schizophrenie zu erkranken, erhöht ist. Aber wie ist der Einfluss auf das Gedächtnis und das Denkvermögen? Sind mögliche Folgen noch nach Absetzen des Konsums nachweisbar?
Eine Studie zeigt, dass junge Erwachsene bei regelmäßigem Cannabiskonsum in IQ- und Gedächtnistests schlechter abschnitten als Nicht-Konsumierende. Nach dreimonatiger Abstinenz war dieser Effekt jedoch nicht mehr nachweisbar.
Eine andere Studie hingegen berichtet von bleibenden Defekten schwer Konsumierender, die zwischen 53 – 84 Joints pro Woche rauchten, auch nach 28-tägiger Abstinenz. In einem dafür angelegten Test konnten sie schlechter passende Entscheidungen treffen. Außerdem zeigten sie veränderte Hirnaktivitäten im Vergleich zu Nicht-Konsumierenden.
Eine Vielzahl von Studien zeigen ebenfalls unterschiedliche Ergebnisse über die Auswirkungen des Konsums. Experten diskutieren, dass eine mögliche Erklärung dafür das Einstiegsalter sei.
„Beginnt ein Jugendlicher vor dem 17. Lebensjahr Cannabis zu konsumieren, wirkt sich das auf seine psychische und soziale Entwicklung aus“,
sagt auch Professor Szabo.
Außerdem weist Szabo auf die Veränderung des THC-Gehaltes und die veränderten Konsumgewohnheiten hin: „Die meisten toxikologischen Daten basieren auf alten Cannabiskonsumgewohnheiten, so dass damals das Präparat weniger als fünf Prozent THC enthielt und der Konsum sich auf zwei Mal die Woche beschränkte. Nach diesem alten Muster scheint Cannabis tatsächlich weniger körperliche Schäden hervorzurufen als Tabak und Alkohol.“ In den letzten Jahren jedoch sei der THC-Gehalt in hoch gezüchteten Pflanzen um das Dreifache gestiegen und es werde mehr konsumiert.
Beeinträchtigt das Kiffen Studierende denn nun in ihrer Leistung? „Im Tierversuch fanden Forscher heraus, dass Affen nach Cannabiskonsum nicht mehr motiviert waren, für eine Belohnung zu arbeiten“, sagt Professor Szabo. Dieses Experiment könne ein Beweis für das vieldiskutierte Amotivationssyndrom sein, das ebenfalls mit Cannabiskonsum in Verbindung gebracht wird. Studierende könnten also die Lust am Lernen verlieren.
Schlafstörungen und Angstzustände
Cannabis kann auch süchtig machen. Sei dies der Fall, würden Entzugserscheinungen wie Angstzustände, Schlafstörungen oder Unruhe erlebt, sagt Professor Szabo. Dann sollte der Betroffene einen Arzt aufsuchen.
Vor dem Konsum warnt Professor Szabo vor allem folgende Personengruppen: „Auf Cannabis verzichten sollten auf jeden Fall Personen, bei denen Schizophrenieerkrankungen in der Familie vorkommen, Menschen über 40 Jahren mit Herz-Kreislauferkrankungen, da Cannabinoide die Herzfrequenz erhöhen und junge Menschen unter 17 Jahren sowie alle, die noch intensiv lernen müssen.“
Quellen
www.espad.org/documents/Espad/ESPAD_reports/2007/The_2007_ESPAD_Report-FULL_091006.pdf
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