Menschen stecken sich an, viele müssen ihre Betriebe schließen – eine Freundin ist gezwungen Kurzarbeit anzumelden. Noch viel schlimmer ist: Corona nimmt vor allem gesundheitlich geschwächten Menschen das Leben. In Italien sterben Infizierte, weil es nicht genügend Atemgeräte gibt. Und inmitten dieser Notlage prügelt sich die Gesellschaft in Deutschland buchstäblich um Klopapier. Man kann und will es nicht glauben, aber es ist Realität. „Corona-Partys“ auf öffentlichen Plätzen machen das Trauerspiel perfekt.
Die gut gemeinte Taktik der Bundesregierung, an das bürgerliche Bewusstsein zu appellieren, ist nicht aufgegangen. Ganz im Gegenteil: Als erste deutsche Großstadt verhängt Freiburg eine Ausgangssperre für Gruppen. Das unfreiwillige Experiment „Wir bleiben zuhause“ konkretisiert sich. Die eigenen vier Wände nur in dringenden Fällen verlassen zu dürfen klingt simpel, aber für so manche scheint es eine nur schwer aushaltbare Situation zu sein. Irgendwie auch ein bisschen verständlich, nachdem gerade die unter 30-Jährigen schon immer ein Leben in uneingeschränkter Freiheit genießen durften. Es fühlt sich seltsam an, die Situation wirklich ernst zu nehmen – nach dem Motto „Was passiert hier schon Schlimmes?“.
Fakt ist, es passiert etwas, das wir nicht einschätzen können und darum ist absolute Vorsicht und gegenseitige Rücksichtnahme geboten. Aber auch aus prekären Umständen wie diesen können wir etwas Positives ziehen: Oft sagen wir, wie uns der Alltag mit all seinen Pflichten, die wir tagtäglich erledigen müssen, strapaziert und wie gestresst, müde und ausgebrannt wir uns fühlen. Wir müssten hier und dort sein, dies und das tun. Aber die Entscheidung liegt doch in erster Linie bei uns selbst, was wir müssen und tun. Anstatt ständig darüber nachzudenken, was noch auf unserer Liste steht, sollten wir vielleicht umgekehrt überlegen, was wir eigentlich gar nicht wirklich brauchen.
Wir leben im westlichen Überfluss. Mit Lebensmitteln sind wir bestens versorgt, selbst in Krisenzeiten. Aber was gerade der Kampf um Toilettenpapier zeigt: Der Mensch kann sehr egoistisch sein, wenn es um die Rettung des eigenen Hinterteils geht. Nach getaner Arbeit hastet er in den nächsten Laden und beschwert sich noch an der Kasse, warum es denn so langsam vorwärts geht.
Der Mensch könne die Zeit nicht aufbringen, sich um seine „menschlichsten Beziehungen“ zu kümmern. Er habe keine Zeit „etwas anderes zu sein als eine Maschine“, schreibt Henry David Thoreau in seinem Buch Walden. Wann wollen wir denn damit anfangen, Zeit für ein Leben in bescheidener Zufriedenheit zu schaffen? Morgen? Übermorgen? Wenn wir nicht mehr da sind?
Hoffentlich lehrt uns diese Ausnahmesituation, unseren Alltag in Zukunft zu entschleunigen, auf Dinge zu verzichten und mehr im Sinne der Gemeinschaft zu handeln. Das Leben ist kurz, darum ist Zeit ein sehr kostbares Geschenk.
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