Blutspenden in Corona-Zeiten
Knappe Konserven, Angst vor Ansteckung und Impfrückstellungen: Die Pandemie hat vor der Blutspendezentrale der Uniklinik Freiburg nicht Halt gemacht. Henrike hat mit Dr. Markus Umhau über Corona-Auswirkungen, das Blutsparen im Klinikalltag, die Sperre homo- und bisexueller Männer und Mythen rund ums Blutspenden gesprochen.
Hallo Herr Umhau, Sie sind der Leiter der Blutspendezentrale an der Uniklinik Freiburg. Im Dezember hat die Blutspendezentrale Freiburger*innen zur Blutspende aufgerufen, da dringend Blut gebraucht wurde. Wie ist nach der Weihnachtspause die Bereitschaft, Blut zu spenden?
Wir können als Blutspendezentrale die Krankenhäuser in Freiburg – also die Uniklinik selbst, den Standort Bad Krozingen sowie das Josefskrankenhaus und das Lorettokrankenhaus – nicht alleine mit Blut versorgen. Wir sind auf die Unterstützung des Blutspendedienstes vom Roten Kreuz angewiesen. Dieser hat in der Vorweihnachtszeit schon sehr stark an dem Mangel an Blutspendern gelitten, sodass die Blutvorräte teilweise knapp waren. Insgesamt sind wir in Freiburg im letzten Jahr ganz gut über die Runden gekommen, wobei keine Spenderzahlen wie vor Corona erreicht wurden.
Welche Auswirkungen hat die Pandemie auf den Blutspendebetrieb?
Mit der Omikron-Welle ist zu befürchten, dass viele Menschen in Quarantäne müssen oder aus Sorge vor Ansteckung große Menschenansammlungen meiden und deshalb nicht zur Blutspende kommen.
Dabei muss niemand Angst haben, sich bei uns anzustecken: Wir haben strikte Einlasskontrollen und schauen, dass bei Spendern kein Risiko besteht, sich angesteckt zu haben. Es gibt eine reduzierte Zahl an Menschen in der Zentrale, Restriktionen für Reiserückkehrer, eine FFP2-Maskenpflicht, Kontrolle des Impfstatus und Corona-Antigen-Schnelltests sowie eine kontinuierliche Lüftung mit CO2-Monitoren zur Kontrolle des Luftaustauschs.
Angesichts der niedrigen Spenderzahlen haben wir die Terminspende eingeführt, was das Aufkommen über den Tag hinweg verstetigt hat und dafür sorgt, dass es eine kontinuierliche Grundspende gibt. Spontane Blutspender können und müssen wir aber weiterhin annehmen, sonst kämen wir bedarfsdeckend nicht hin.
Es gibt mehrere Arten der Blutspende. Was sind die Unterschiede?
Die klassische Vollblutspende kennt man aus Turnhallenaktionen: Man spendet einen halben Liter Blut, dieses landet in einem Beutel und wird erst in der weiteren Verarbeitung in seine verschiedenen Bestandteile aufgetrennt: Rote und weiße Blutkörperchen, Blutplättchen und das Blutplasma, also die Flüssigkeit des Blutes.
Daneben gibt es das sogenannte Apheresespenden, wobei während des Spendens bereits eine Aufteilung erfolgt – außerhalb des Körpers durch eine Maschine. Es werden gezielt die Komponenten herausgefiltert, die abgesammelt werden sollen, etwa Blutplättchen oder nur das Plasma. In diesem Verfahren kann eine viel größere Menge dieser Komponenten abgesammelt werden als bei einer Vollblutspende, da das „gefilterte“ Blut dem Kreislauf zurückgeführt wird.
Auf ähnliche Weise erfolgt auch die Stammzellspende, die in der Uniklinik allerdings in einer anderen Abteilung durchgeführt wird und die eine spezielle Vorbehandlung erfordert.
Auf der Website der Blutspendenzentrale wurden Corona-Genesene im letzten Jahr zum Plasmaspenden für Corona-Erkrankte aufgerufen. Was hat es damit auf sich?
Das war letztes Jahr die große Hoffnung: Patienten, die von einer Coronaerkrankung genesen sind, haben bekanntlich Antikörper im Blut. Die Idee war, ihnen das Plasma abzusammeln und Corona-Patienten dieses Plasma mit den Antikörpern zu infundieren, um einen positiven Effekt auf den Krankheitsverlauf zu erzielen. Dazu haben wir letztes Jahr intensiv Spender beworben und die Maßnahmen auch durchgeführt.
Leider haben sich die Therapieerfolge nicht bewährt, es wurden keine Effekte auf den Heilungsverlauf beobachtet. Mittlerweise gibt es monoklonale Antikörper, synthetisch hergestellt, sodass die Plasmaspenden für die meisten Corona-Patienten kein Thema sind. Lediglich eine kleine Gruppe von Patienten, die Immundefekte haben, konnte laut einer – unter anderem von uns betreuten – Studie davon profitieren.
Piercings, Zahnprophylaxe, Impfungen: Nach einigen Behandlungen soll zeitweise kein Blut gespendet werden. Auch nach der Coronaimpfung mit Impfstoff von AstraZeneca und Johnson & Johnson gibt es eine vierwöchige Rückstellung. Warum ausgerechnet diese Impfstoffe?
Das liegt daran, dass wir einen Teil des gespendeten Plasmas an die pharmazeutische Industrie weitergeben müssen. Daraus werden Medikamente hergestellt, zum Beispiel Gerinnungsfaktoren. Die Industrie akzeptiert kein Plasma von Spendern, die kürzlich mit Vektorimpfstoffen behandelt worden sind. Es handelt sich bei AstraZeneca und Johnson & Johnson zwar nicht um Lebendimpfstoffe, dennoch gilt die Vorsichtsmaßnahme.
Das Blut der mit Vektorimpfstoffen Geimpften ist in keiner Weise schlechter, die zellulären Komponenten sind unverändert und würden von Empfängern gut vertragen werden. Der einzige Grund für die Rückstellung liegt also in den Anforderungen der Industrie an das Spenderplasma.
Welche Patient*innen benötigen das Spenderblut der Freiburger Blutspendezentrale am meisten?
Ein ganz großer Teil des Blutes geht an Patienten, die Krebserkrankungen haben. An der Uniklinik gibt es Abteilungen für Hämatoonkologie in der Kinderklinik und Erwachsenen-Medizin, also für Blutkrebserkrankte. Diese Patienten sind oft auch Empfänger von Stammzelltransplantaten und benötigen Spenderblut bis ihr Transplantat im Körper „angewachsen“ ist und sie selbstständig wieder Blut produzieren können. Neben der Onkologie sind es große operative Eingriffe, die viel Spenderblut benötigen, und natürlich die Unfallversorgung.
Gibt es im Klinikalltag eine Möglichkeit, um Blut zu sparen?
Es gibt das sogenannte „Patient Blood Management“, eine Strategie, die man in Deutschland noch viel stärker anwenden müsste. Damit könnten wohl auch wir am Klinikum das eine oder andere Blutprodukt einsparen. „Patient Blood Management“ ist ein bunter Strauß von Maßnahmen, los geht es mit der optimalen Vorbereitung einer OP: Einen Eisenmangel oder eine Anämie müsste man abklären und ausgleichen, bevor ein Patient operiert wird und womöglich Spenderblut braucht.
Die eigene Blutproduktion kann man auch postoperativ durch Eiseninfusionen ankurbeln, statt sogenannte „Reha-Infusion“ zu verabreichen – also dem Patienten noch am letzten Tag des stationären Aufenthalts eine Bluttransfusion zu geben, was glücklicherweise der Vergangenheit angehört. Wichtig sind auch ein gutes Gerinnungsmanagement und sorgfältige Blutstillung während der OP.
Es gibt also ganz viele Maßnahmen, mit denen man den Bedarf an Spenderblut senken kann. Am Uniklinikum Freiburg wenden wir das im Grunde genommen alles an und sind dabei, es zu intensivieren.
Ein politisch viel diskutiertes Thema betrifft die Spendefähigkeit von homo- und bisexuellen Männern. Warum werden Personengruppen – so auch Sexarbeiter*innen – für bestimmte Zeiten „auf Verdacht“ vom Blutspenden ausgeschlossen, wenn die Blutkonserven auch einfach auf potentielle Erreger untersucht werden könnten?
Jede Blutspende wird ohnehin getestet. Allerdings wird – beispielsweise für HIV – nicht jede Konserve mit der maximalen Superauflösung untersucht, sondern es gibt Pooltestungen. Das bedeutet, alle Konserven werden nach den gleichen Standards getestet. Rein theoretisch könnte man schon sagen: „Einen Spender mit hohem Risiko lassen wir zu, testen sein Blut aber mit der sensitiveren Methode“. Das ist aber extrem kritisch, falls ein infektiöser Spender fäschlicherweise negativ getestet würde. Denn stellen Sie sich vor, Sie als Empfänger wären letztendlich von einer Krankheit wie AIDS betroffen. Kein Blutspendedienst kann und möchte das verantworten.
Aus diesem Grund müssen wir Menschen mit sogenanntem sexuellen Risikoverhalten ausschließen, welches die Infektion etwa mit HIV oder Hepatitis begünstigt. Die genannten Personengruppen haben nach infektionsepidemiologischen Daten leider ein mehrfach erhöhtes Risiko, sich mit diesen Erregern angesteckt zu haben und sie demenentsprechend weiterzugeben – das ist ganz ohne Wertung.
Als Teil des Koalitionsvertrages der neuen Regierung wurde 2021 beschlossen, die Sperre homo- und bisexueller Männer auf vier Monate nach sogenanntem Risikoverhalten zu ändern.
Genau, in fester Partnerschaft haben nämlich auch homosexuelle Männer ein vergleichbares sexuelles Risiko wie Hetero-Paare. Man sollte keine Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung diskriminieren, das ist völlig klar. Deshalb empfinde ich diese Änderung auch als legitim.
Was bedeutet die verkürzte Sperre für den Blutspendebetrieb?
Die Anpassung betrifft keine derart große Gruppe von Menschen, dass es sich stark auf die Spenderzahlen auswirken würde. Aber auch wenn sie keine nennenswerte Änderung am Blutspendeaufkommen bewirkt, ist sie wichtig für die positive Einstellung der Menschen zur Blutspende.
Welche Fehlannahme über das Blutspenden nervt Sie?
Manche Leute haben Angst, dass die Blutspende ihnen gesundheitlich zum Nachteil wirken würde. Dem ist definitiv nicht so.
Es gibt ein paar wenige Risiken, die das Blutspenden hat, wie etwa, dass man nach der Spende auf seinen Kreislauf achten sollte, damit man nicht umkippt. Deshalb ist es wichtig, am Tag der Spende fit zu sein und sich wohl zu fühlen, genug zu trinken und sich danach auszuruhen.
Menschen, die häufig spenden, müssen darauf achten, ausreichend Eisen mit der Nahrung zu sich zu nehmen oder Eisenpräparate einzunehmen, damit sich langfristig keine Blutarmut einstellt. Besonders Vegetarier und Veganer sind gefährdet und sollten auf eine ausreichende Zufuhr achten.
Informationen zur Blutspende
Informationen zur Blutspende inklusive der Zulassungskriterien gibt es auf der Website der Blutspendezentrale Freiburg. Dort können auch Termine gemacht werden.
Vom 15.01. bis zum 28.02.2022 gibt es nach der Blutspende ein Mini-Frühstück und ein Los-Spiel mit der Chance auf Coffee-To-Go Becher und weitere Gewinne.
Insbesondere in den Semesterferien sind Studierende dazu aufgerufen, die Blutspende nicht zu vergessen.