Hallo Helen, hallo Konstantin, ihr engagiert euch für die „Studis gegen Rechts“, kurz SgR. Eine Studierendengruppe, die sich für Demokratie, Vielfalt und Menschlichkeit einsetzt. Was macht ihr genau?
Konstantin: Da wir viele Menschen sind, die sich bei „Studis gegen Rechts“ engagieren, ist es möglich, in viele verschiedene Richtungen zu arbeiten. Unter anderem wollen wir an allen Hochschulen in Freiburg tätig sein, nicht nur an der Uni. Wir haben zum Beispiel Forderungen gestellt, bezüglich einer Positionierung und Sensibilisierung gegenüber Rechtsextremismus. Gleichzeitig sind wir auch in ganz anderen Feldern solidarisch tätig, zum Beispiel im Rahmen der Streikbewegung.
Helen: Wir setzen uns gerade für die Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst ein, weil es wichtig ist, dass wir auch als Studis solidarisch mit den Beschäftigten sind. Denn der Kampf gegen Rechts muss auch immer ein Kampf für bessere Arbeitsbedingungen sein, damit rechte Ideologien und die Argumentationen von rechten Politiker*innen weniger Nährboden finden. Wenn Menschen, die in der Pflege oder in der Kita arbeiten, fair bezahlt werden und gute Arbeitsbedingungen haben, dann springen sie nicht so auf Rechte Argumente an. Dafür arbeiten wir zum Beispiel mit der Hochschulgruppe des Deutschen Gewerkschaftsbundes, DGB, sowie mit ver.di und anderen Soli-Bündnissen zusammen.
Wir wollen breit aufgestellt sein und dazu gehört auch, auf die Straße zu gehen, Demos zu organisieren und zu zeigen, wie viele wir sind und dass wir keinen Bock auf die AfD haben. Dafür sind wir sind auch letzten Sommer zum AfD-Parteitag nach Essen gefahren.
Wie setzt ihr euch für eure Ziele ein?
Helen: Es gibt sehr viele Ansatzpunkte. Auch der offene Diskurs gehört zu einem unserer Bereiche, wir wollen die Fronten nicht verhärten, sondern „einfach“ mit den Menschen sprechen und hören, was sie beschäftigt, ohne dabei den Diskurs nach rechts zu verschieben. Wir machen auch kreative Aktionen und bieten als Gruppe zum Beispiel Kneipenabende an, damit wir, die Bewegung intern, auch diesen sozialen Zusammenhalt spüren.
Konstantin: Wir machen auch politische Bildungsarbeit. Wenn du zu Studis gegen Rechts kommst, kannst du verschiedene Dinge machen. Uns ist es sehr wichtig zu betonen, dass wir sehr viele verschiedene Möglichkeiten bieten, sich zu engagieren.
Wie viele Menschen sind bei „Studis gegen Rechts“ dabei?
Helen: Es sind aktuell etwa 800 bis 1.000 Menschen, die uns folgen und über Instagram oder andere Kanäle mitbekommen, was wir machen. Davon sind unterschiedlich viele bei uns aktiv, je nachdem, was wir gerade so machen und wie beschäftigt die Menschen sind.
Konstantin: Ich glaube beim Großplenum Mitte November 2024 waren wir ungefähr 120 bis 150 Leute, also schon sehr viele. Wir haben uns zum Start des letzten Sommersemesters gegründet und sind in einem halben Jahr deutlich gewachsen.
Wer kann sich bei euch engagieren?
Helen: Alle. Sicher 90 Prozent der Menschen, die bei uns aktiv sind, sind Studis der Uni Freiburg. Aber die Idee ist nicht nur Studis gegen Rechts zu sein, obwohl wir so heißen – der Name kommt aus der bundesweiten Bewegung – sondern, dass sich auch Auszubildende oder einfach alle Menschen, die Lust haben irgendwas gegen Rechts zu machen, bei uns engagieren können. Denn die Idee ist, wirklich viele zu werden.
Es gibt sehr viele Menschen, die eigentlich gegen Rechts sind und es ist das Ziel, diese zu koordinieren, beziehungsweise sich gemeinsam zu organisieren.
Du hast von einer bundesweiten Initiative „Studis gegen Rechts“ gesprochen. Auf welchen Ebenen seid ihr vertreten?
Helen: Im Grunde gibt es in fast allen Uni-Städten mittlerweile Studis gegen Rechts. Berlin ist natürlich groß, Leipzig und Hannover sind zum Beispiel auch groß.
Warum engagiert ihr euch gegen Rechts?
Konstantin: Wir sehen aktuell eine sehr besorgniserregende gesellschaftliche Entwicklung. Menschenfeindliche Ideologien werden in der breiten Masse immer tragfähiger und wir wollen ein Gegengewicht dazu darstellen.
Wir als Studis sind in einer guten Position, sowohl aktivistisch als auch in vielerlei anderer Hinsicht tätig zu sein und unsere Stimmen zu nutzen. Das ist jetzt ein sehr wichtiger Kampf und er wird es wahrscheinlich auch langfristig bleiben.
Helen: Meine Motivation mich zu engagieren ist, dass viele Menschen ein Ohnmachtsgefühl empfinden und einfach frustriert sind. Ich glaube auch, dass das der Hauptgrund war, warum wir uns gründet haben.
Ich habe das Gefühl, dass es einen Grundkonsens bei vielen Menschen gibt, die sagen, es kann nicht sein, in welche Richtung es in Deutschland gerade politisch geht. Es gibt auch viele Menschen, die sich vielleicht mit ihren Freund*innen darüber aufregen, aber nicht genau wissen, was sie machen sollen.
Ich sehe das Potenzial darin, sich in dem Minimalkonsens zusammenzufinden, dass wir keinen Bock haben, dass Deutschland ein faschistisches Land wird. Dass Menschen sich nicht mehr frei ausleben können, sich nicht mehr respektvoll begegnet wird und Freiheiten weiter eingeschränkt werden.
Umso mehr Macht die AfD oder auch zum Beispiel die CDU und andere Parteien im Bundestag mit den Neuwahlen bekommen, umso mehr sehe ich auf verschiedensten Ebenen meine Zukunft gefährdet und mein freies Leben. Ich kriege das ehrlich gesagt nicht ganz in meinen Kopf, dass Rechte, die für mich grundlegend und selbstverständlich sind, jetzt in Gefahr sein können, Themen wie Abtreibung, Klimaschutz und natürlich die Migrationspolitik. Das greift einfach die Würde aller Menschen an und dagegen möchte ich mich auf jeden Fall wehren.
Ihr habt Forderungen verfasst. Welche sind das?
Konstantin: Ganz konkret haben wir sieben Forderungen an alle Hochschulen in Freiburg formuliert:
Wir fordern einerseits ganz konkret von den Hochschulen, dass sie Engagement gegen Rechtsextremismus unterstützen. Sowohl das Engagement von Studierenden als auch von Mitarbeiter*innen und am besten auch noch externe Initiativen, die sich an der Hochschule engagieren möchten.
Gleichzeitig fordern wir, dass die Hochschule den offenen Austausch fördert.
Dass sie möglichst konkret Forschung zum Thema Rechtsextremismus und Rechtsradikalismus vorantreibt. Dass sich mit den Ursachen und mit den Strukturen dahinter auseinandergesetzt wird.
Was direkt mit dem nächsten Punkt verknüpft werden soll, dass die Erkenntnisse aus der Forschung zu diesen Themen grundsätzlich öffentlich kommuniziert werden sollen. Es soll Angebote geben, damit die Erkenntnisse durch Wissenschaftskommunikation eine möglichst breite Masse an Menschen erreichen können.
Es soll Einrichtungen von Meldestellen geben für alle Formen von rechter Diskriminierung.
Und letztendlich fordern wir auch sehr klar eine Distanzierung von Studentenverbindungen, bei denen rechte und rechtsradikale Tendenzen vorhanden sind. Und wir fordern auch sehr klar, dass sowohl die AfD als auch andere rechtsradikale Akteur*innen von Veranstaltungen und von Räumen der Uni ausgeschlossen werden sollen.
Helen: … und dass sie auch von der Finanzierung ausgeschlossen werden.
Ihr richtet diese Forderungen nicht nur an die Freiburger Hochschulen sondern auch an Studierende.
Konstantin: Unsere Forderungen richten wir in erster Linie an die Rektorate der Hochschulen und der Unis. Natürlich gleichzeitig auch an die Studis, denn das sind ja die, deren Unterstützung wir für die Forderungen weiter möchten.
Wir sind gerade auch noch dabei, unsere Forderungen weiter bekannt zu machen.
Helen: Es gibt die Idee, dass bundesweit alle Studis gegen Rechts-Gruppen, die Interesse daran haben, einbezogen werden. Wir denken, es ist sinnvoll, wenn wir das in allen Städten an alle Hochschulen richten. Das ist gerade in Planung. In Freiburg haben wir die Forderungen per E-Mail an die Sekretariate aller Hochschulen und an alle Fachschaften geschickt. Der Prozess läuft noch und manche Hochschulen haben uns beispielsweise zu einem Gespräch eingeladen.
Wie finanziert ihr eure Aktionen?
Helen: Primär ist es so, dass wir versuchen uns über Aktionen und Spenden zu finanzieren. Zum Beispiel mit Soli-Parties und über viele Kuchenstände.
Das Interview wurde Ende November 2024 geführt.
Aktuelle Ergänzung April 2025: Mittlerweile gab es ein erstes Gespräch mit dem Rektorat der Uni Freiburg. “Die Gespräche befinden sich aber noch in der Anfangsphase und wir fordern weiterhin mehr Einsatz von Seiten der Hochschul-Rektorate”, sagt Helen.