Hallo Paula, du hast in Freiburg Kunstgeschichte studiert und bist nun Kuratorin der Biennale für Freiburg 2 einer neuen Plattform für zeitgenössische Kunst in Freiburg. Was machst du genau?
Meine Arbeit als Kuratorin umfasst verschiedene Inhalte. Vor zwei Jahren habe ich begonnen zu recherchieren und mir ein Konzept zu überlegen, das sich über die letzten Monate verdichtet hat. Ich war in vielen Studios unterwegs und habe verschiedene Künstler*innen eingeladen, habe Gespräche geführt und mir Vermittlungsprogramme ausgedacht. Ich bin also Künstlerische Leiterin und Geschäftsführerin. Ohne zwei sehr tolle Menschen, die mich unterstützen, eine kuratorische Assistentin und eine Praktikantin, könnte ich die Ausstellung in dieser Form allerdings nicht realisieren.
Die BfF wird am 16. Juni 2023 eröffnet. Wie sieht dein Alltag im Moment aus?
Gerade sind wir in der Finalisierung des Aufbaus, es muss sehr viel organisiert werden. Hinter jedem Kunstwerk steht eine lange Kette an inhaltlichem Austausch, Organisation und Gesprächen, von dem Kunstwerk zur nötigen spezifischen Installation und Technik, bis hin zur Textproduktion. Aktuell sind in der Hochphase der Umsetzung der Ausstellung.
Du hast nach dem Studium an verschiedenen Orten im Kunstbereich gearbeitet, wie etwa als kuratorische Assistentin am Deutschen Pavillon auf der 57. Biennale di Venezia. Wie ist es für dich, wieder zurück in Freiburg zu sein?
Es ist wahnsinnig toll, hierher zurückzukommen. Durch diese Aufgabe wurde mir jetzt nochmal ein ganz anderer Blick auf die Stadt ermöglicht. Einen großen Anteil daran haben die Kooperationspartner*innen, wie das Archiv Soziale Bewegungen, die feministische Geschichtswerkstatt, die Medienwerkstatt, freiburg-postkolonial, Here and Black und viele mehr. Das sind alles Leute, mit denen ich während meines Studiums nicht so viel zu tun hatte und ich bin dankbar, dass ich jetzt die Möglichkeit hatte, auf alle zuzugehen und in den Austausch zu treten.
Die Freiburger Kunstszene ist vielfältig: Augustinermuseum, Museum für Neue Kunst, Kunstverein, Delphi Space, E-Werk, PEAC, Morat Institut. Wo fügt sich die Biennale ein?
Ich finde es super, dass Freiburg eine Biennale hat, denn das haben in Deutschland nur wenige Städte. Die Biennale gibt es hier aufgrund der Schließung der Außenstelle der Kunstakademie in Karlsruhe. Damit stellt sie einen Moment für zeitgenössische Kunst dar. Außerdem ermöglicht die Biennale, viele Künstler*innen auf einmal einzuladen und diese können auch neue Kunstwerke in Bezug auf Freiburg entwickeln. Fünf der teilnehmenden Künstler*innen leben und arbeiten in Freiburg. Das finde ich sehr bereichernd, auch aus einer kuratorischen Perspektive. Als ich hier studiert habe, gab es noch keine Biennale für zeitgenössische Kunst und ich hätte es auf jeden Fall spannend gefunden.
Für welches Publikum ist die Biennale konzipiert?
Die Biennale heißt bewusst Biennale für Freiburg. Sie richtet sich an alle Menschen in Freiburg und mein Ziel war es auch, verschiedene Menschen einzubinden. Deswegen habe ich schon im Vorprogramm unterschiedliche Formate erdacht, zum Beispiel Straßenspaziergänge in und mit Themen über Freiburg, die hießen „Pflaster“. Bei dem Walk mit der feministischen Geschichtswerkstatt über Frauengeschichte im Stühlinger waren bestimmt 50 Leute aller Altersgruppen dabei – zwischen 20 und 70 Jahren.
Mir war es außerdem ein besonderes Anliegen, da ich ja auch selbst hier studiert habe, etwas mit der Uni zu machen. Deswegen habe ich mit dem aka-Filmclub eine Filmreihe kuratiert, die sich über vier Abende entfaltet hat. Ich versuche also mit unterschiedlichen Formaten, Gruppen und Institutionen, die es hier schon gibt, Kollaborationen zu initiieren und dadurch ein breites Publikum anzusprechen.
Der Programmtitel für die diesjährige Ausgabe lautet „Das Lied der Straße“. Was steht dahinter?
„Das Lied der Straße“ kann erstmal vieles bedeuten: Es kann als Lied verstanden werden, dass im Rahmen eines Straßenprotests ertönt, aber auch als Lied, was man im Alltag auf der Straße pfeift, singt oder summt.
In Freiburg gibt es eine sehr geschichtsträchtige Hausbesetzer*innen-Szene seit den 1970er Jahren. Was viele Leute aber gar nicht wissen ist, dass alles 1968 angefangen hat, als sich Studierende aufgrund einer Fahrpreiserhöhung auf die Straße gesetzt haben. Damit wurde der komplette Bertolds-Brunnen lahmgelegt. Die Aktion hieß „Gleich wird‘s grün!“, weil es damals illegal war, sich auf die Straße zu setzen, wenn die Ampel rot war. Wenn die Ampel aber grün war und man sich währenddessen hingesetzt hatte, durfte man nicht weggetragen werden.
Das Thema „Das Lied der Straße“ sollte sich auf Freiburg beziehen, aber auch einen aktuellen Bezug haben. Gerade in den letzten Jahren waren wegen Corona die Straßen erst einmal komplett leer und dann wurden sie zu einem Schauplatz, wo sich Meinungen getroffen haben, die auch wirklich clashen. Die Straße ist ein Ort, wo wir uns mitteilen und begegnen können, wo aber auch Menschen geradeheraus sagen, was sie denken.
Sie ist auch ein Ort, wo ganz bewusst Zeichen gesetzt werden. Zum Beispiel gegen die Diktatur, wie die Künstlerin Lotti Rosenfeld es gegen die Diktatur unter Pinochet in Chile gemacht hat, die ich auch darstellen werde. Auch im Iran stellen sich gerade die Frauen gegen das Regime und die Straße ist dort zentral, um sich zusammenschließen zu können, eben auch ganz spontan.
Spätestens seit der documenta vergangenes Jahr ist die Debatte um politische Kunst sehr präsent in der Öffentlichkeit. Wie politisch darf Kunst sein?
Ich denke, dass Kunst ganz oft politisch ist, auch wenn sie erstmal nicht explizit politisch erscheint. Wie politisch darf Kunst sein? Ich denke, sie ist immer politisch und das ist auch das Schöne an Kunst, dass sie total frei ist. Mir ist es wichtig etwas zu machen, was inhaltlich wertvoll für den heutigen Zeitpunkt ist, sich aber auch mit den Gegebenheiten und den Geschichten, die es hier in Freiburg gibt, auseinandersetzt.
Ein erheblicher Teil der Biennale wird unter freiem Himmel stattfinden. Warum ist es dir wichtig Kunst im öffentlichen Raum und auf der Straße zu zeigen?
Das ist ein anderer Begegnungsraum als ein Museum oder auch ein White Cube. Wir werden zum Beispiel mit einem Kollektiv die Klarastraße im Stühlinger bespielen. Es ermöglicht andere Berührungspunkte und nimmt diese Hierarchien, die es in einem normalen musealen Kontext gibt. So kann ein anderer Zugang geschaffen werden. Dabei geht es um die gelebte Öffentlichkeit, die Frage, wie wir unseren Alltag unterbrechen können oder wie es neue Perspektiven auf die Straße und von der Straße geben kann.
Die Biennale wird mit Ausstellungen und Veranstaltungen an verschiedenen Orten zu sehen sein. Welche werden das sein?
Hauptausstellungsort ist der Kunstverein. Im Museum für Neue Kunst haben wir den Kinosaal des Museums, wir werden die Galerie des Kommunalen Kinos, den Delphi-Space bespielen, sowie das Pförtnerhaus und die Kaiserwache. Draußen werden Ausstellungen in der Klarastraße, dem Stadtgarten und dem Seepark sein. Vielleicht wird es noch zwei weitere Arbeiten im öffentlichen Raum geben, das steht noch nicht fest. Zu der Idee gehört auch, die Straße nach drinnen und das Drinnen nach draußen zu holen.
Deine Arbeit umfasst viele verschiedene Bereiche. Da ist es bestimmt nicht leicht, alles unter einen Hut zu bekommen. Was sind die schönen Seiten und was die Herausforderungen bei einem solchen Projekt?
Das Spannende ist, so ein Projekt von A bis Z durchzuplanen, das macht wahnsinnig Spaß. Ich konnte wirklich einladen, wen ich wollte. Herausfordernd ist, diesen ganzen Künstler*innen gerecht zu werden und dann auch noch eine gute Ausstellung hinzukriegen. Es sind superspannende Leute dabei, sehr etablierte Positionen, aber auch sehr junge Künstler*innen. Die vielen Details benötigen manchmal mehr Aufmerksamkeit, als man zur Verfügung hat. Aber das ist so bei einem Riesenprojekt.
Im Rahmen des Vorprogramms haben wir seit Januar allein 14 Veranstaltungen gemacht. Zur Biennale kommen noch ein fettes Begleitprogramm sowie ein Symposium am 8. Juli 2023 dazu.
Außerdem gibt es ein ausführliches Begleitheft zur Biennale. Wer mehr über die Biennale erfahren möchte, findet dort viele Texte mit wichtigen Informationen.
Hast Du ein Kunstwerk, worauf Du dich besonders freust?
Es gibt eine Künstlerin, die ich ganz besonders schätze. Mit ihr hat im Grunde die Recherche und die ganze Idee angefangen. Das ist Eva Eisenlohr, die mit zahlreichen Werken im öffentlichen Raum in Freiburg vertreten ist. Im Februar gab es auch schon einen performativen Walk von ihrer ehemaligen Werkstatt zum Stadtgarten. Gegenüber vom Café Marcel ist zum Beispiel eine Eule von ihr zu sehen. Wer diese Skulptur noch nicht kennt, kann sie ja gerne beim nächsten Besuch im Stadtgarten dort entdecken.
Was steht als nächstes an?
Ich freue mich jetzt vor allem auf die Eröffnung am 16. Juni 2023 im Seepark. Wir haben dafür um 19 Uhr eine Performance geplant. Das ist jetzt erstmal das nächste Highlight am Horizont.