Hallo Herr Prof. Speck. Als ehemaliger Leiter des Uniarchivs und des Uniseums haben Sie einige Einblicke in die Geschichte der Universität Freiburg erlangen können. Zur Geschichte gehört auch der historische Besitz von Weinbergen. Wie kam die Uni zu ihren Weinbergen?

Prof. Dieter Speck ist der ehemalige Leiter des Uniarchivs und des Uniseums und kennt die Geschichte des Uni-Weinbaus.

Bei der Gründung einer spätmittelalterlichen Universität, wie der Universität Freiburg, wurde diese in der Regel mit Gütern und landwirtschaftlichen Einkunftsquellen ausgestattet. Aufgrund der geografischen Lage Freiburgs boten sich dafür unter anderem Weinberge und Weingüter an. Die Weingebiete, die der Universität zugesprochen wurden, lagen beispielsweise im Sundgau im Elsass, im nördlichen Kaiserstuhl bis nach Steinenstadt, im mittleren Neckarraum um Rottenburg, an der Donau, in Oberschwaben sowie im Freiburger Umland.

Verliehen wurden diese Einkunftsquellen, bei denen es sich meist um Kirchengüter handelte, von Albrecht VI. und Sigmund von Habsburg.

Wann war das genau?

Die Gründungsdokumente der Universität stammen aus dem Jahr 1457 und die Einkunftsquellen – also mitunter die Weinberge – wurden 1460 als Ansprüche verliehen. Die Umsetzung dieser Ansprüche dauerte etwa 40 bis 50 Jahre, also bis zum Anfang des 16. Jahrhunderts. Aus den Einkunftsquellen hat sich die Universität, bis Anfang des 19. Jahrhundert selbst finanziert.

Da diese Einkünfte aus einem großen Einzugsgebiet kamen, legte man Wert auf lagerfähige und transportierbare Güter, sprich jede Form von Getreide sowie Wein. Die Uni bezahlte Verwalter, die sich vor Ort um die Verwaltung und den Transport kümmerten und aus dem Gewinn des Wein- und Getreideverkaufs finanzierte sie ihre Professoren. Für heutige Verhältnisse mag das ungewöhnlich klingen, war aber das übliche System vom Mittelalter bis hin zur frühen Neuzeit.

Die Professorengehälter waren früher also abhängig von verschiedenen Einkommensgrundlagen der Universität. Welche Rolle spielte dabei der Weinbau?

Besoldete Staatsbeamte mit festem Gehalt sind die Professoren der Uni Freiburg erst seit dem frühen 19. Jahrhundert. Zu diesem Zeitpunkt wurde die Uni eine staatliche Einrichtung und somit vom Staat finanziert. Vor dieser Zeit gab es verschiedenste Abmachungen zur Entlohnung der Professoren. All diesen Übereinkünften war gemein, dass die Höhe der Entlohnung vom Ertrag der Güter abhängig war. Fiel der Jahrgang gut aus, war die Entlohnung höher, andernfalls niedriger.

Es gab unterschiedliche Übereinkünfte zwischen Uni und Lehrkräften. Einigen Professoren wurde ein Gehalt ausbezahlt. Andere wurden teils in Geld, teils in Naturalien, wie zum Beispiel in Wein, entlohnt. Wiederum andere wurden vollständig in Naturalien vergütet. Einer der letzten, der bis zu seinem Tod noch teilweise in Wein ausbezahlt wurde, ist der in Freiburg sehr bekannte Historiker Heinrich Schreiber, der 1872 gestorben ist. Nach ihm wurde die Schreiberstraße in der Nähe der Dreisam benannt.

Wer also vor der „Verbeamtung“ der Professoren beschäftigt wurde, konnte noch mitunter in Wein und anderen Naturalien entlohnt werden?

Genau. Wer vor 1825/26 eingestellt wurde, konnte seine Entlohnung anteilig als Gehalt und anteilig als Naturalien erhalten. Die getroffene Vereinbarung bestand fort, auch nachdem die Uni eine staatliche Institution wurde, wie beispielsweise bei Professor Schreiber.

Heute kann man sich nicht mehr vorstellen, dass Professoren in Wein ausbezahlt werden. Unterscheidet sich der Wein von damals denn vom heutigen Wein?

Da gibt es gravierende Unterschiede. Man muss den Wein vor dem 20. Jahrhundert eher als qualitätsvollen Most, also als vergorenes Getränk, betrachten. Vergoren bedeutet lagerungsfähig und transportierbar über große Distanzen.

Der Wein war nicht so veredelt wie heute und besaß einen geringeren Alkoholgehalt. Aufgrund dessen und aufgrund der hygienischen Bedingungen wurde er früher als Grundnahrungsmittel betrachtet. Wasser war in der Regel mit Keimen verseucht und Milch wurde zur Viehaufzucht oder zur Käseherstellung verwendet.

Abhängig von der Region stellte man entweder Weinmost her, in kälteren Regionen Apfel- oder Birnenmost wie etwa in Ostwürttemberg oder Hessen, oder Bier. Bei allen handelt es sich um vergorene Getränke, die haltbar und lagerungsfähig sind, Handelsware darstellten und, im Gegensatz zu Wasser, trinkbar waren.

Wie hoch war der Alkoholgehalt des Weinmosts in etwa?

Der lag oft nur bei zwei bis drei Prozent, also unter dem Alkoholgehalt von heutigem Bier. Der Most war jedoch kalorienreich und deshalb ein wichtiges Grundnahrungsmittel.

Professoren erhielten 300 bis 600 Liter Wein jährlich zum Eigenverbrauch. In Spitälern, die früher der Altersversorgung dienten, bestand die Grundverpflegung in der Regel aus Brot- und Weinrationen. Die Weinrationen in diesen Spitälern waren sehr hoch, mindestens zweieinhalb bis drei Liter täglich. Der Wein wurde auch oft mit Honig versüßt oder verdünnt. Am wichtigsten war dessen Kaloriengehalt, welcher durch das Beisetzen von Honig noch erhöht wurde. Das ging so, bis sich die hygienischen Bedingungen ab dem frühen 19. Jahrhundert verbessert hatten. Heute ist Wein lediglich ein Genussmittel.

Was geschah mit den spätmittelalterlichen Weinbergen der Uni?

Mit der napoleonischen Neuordnung um 1800 sind viele Besitzansprüche der Uni Freiburg verloren gegangen. Das Elsass etwa fiel an Frankreich, der mittlere Neckar ebenso wie Oberschwaben gehörten ab 1806 zum Königreich Württemberg, waren also „Ausland“.

Während der französischen Revolution wurde außerdem vieles beschlagnahmt, Gebäude abgebrochen und verstaatlicht. Übrig blieben nur noch Weinberge und andere Güter im Breisgau, zwischen Kaiserstuhl, Tuniberg und Steinenstadt.

Das war zu wenig, um die Uni und ihre Professoren zu finanzieren. Unter anderem aus diesen Gründen wurden viele der übrig gebliebenen Güter, also auch viele der Rebflächen, verkauft und das Finanzierungssystem der Uni umgestellt. Die Uni wurde eine staatliche Einrichtung, wodurch die weitere Finanzierung gesichert war.

Nachdem das Elsass 1871 erneut annektiert worden war, bemühte sich die Uni Freiburg im Übrigen vergeblich darum, ihre Güter in diesem Gebiet wiederzubekommen.

Vor der Auflösung der Güter und Einkunftsquellen wurden die Naturalien in sogenannten Zehntscheuern gesammelt und weiterverbreitet. In Villingen und in Rottenburg gibt es noch Zehntscheuern, die der Uni Freiburg gehörten. Auch im Elsass tragen noch einige Pfarrhäuser und andere Gebäude das Wappen der Uni Freiburg – ein Überbleibsel aus früheren Zeiten.

Trinken Sie Uni-Wein?

Hin und wieder. Als ich 1991 hergezogen bin, war der Spätburgunder ein sehr guter Jahrgang. In den letzten Jahren bevorzuge ich allerdings den Chardonnay. Aber das ist ja oft Geschmackssache. Eine Weinflasche mit dem Siegel der Universität Freiburg ist vor allem ein nettes Präsent.