Würdest du heute mit mir ausgehen?
Auf der Suche nach Liebe, unverbindlichem Sex oder neuen Freund*innen – Menschen gehen aus unterschiedlichen Gründen auf Dates. Paula von uniONLINE hat vier Freiburger*innen gefragt, warum und wie sie daten, was ihnen dabei wichtig ist und wie sie zu Online-Dating und Ghosting stehen.
Wie definierst du für dich Dating?
Lena* (23, studiert Psychologie): Ich finde, es ist Dating, wenn alles offen und möglich ist, theoretisch auch, dass wir zusammenkommen. Und wenn ich die Person attraktiv finde, sodass ich mir auch vorstellen kann, mit ihr körperlich zu werden.
Lars (23, studiert Kulturanthropologie und europäische Ethnologie): Für mich ist Dating ein Teil eines Kennenlern-Prozesses, eines Herausfindens-Prozesses, ob man mit der Person mehr Zeit verbringen möchte.
Michelle (26, studiert Judaistik): Ein Date ist für mich Zeit, die ich mit einem Menschen One-on-One verbringe. Entweder um die Parameter unserer Beziehung zu erfüllen, also die Sachen zu machen, über die wir befreundet oder zusammen sind oder um jemanden gezielt besser kennenzulernen. Es hat für mich auf jeden Fall eine romantische Konnotation.
Philipp (34, arbeitet als Gärtner): Ich bezeichne etwas als Date, wenn ich eine Person treffe, die ich auf eine Art attraktiv finde und ich mir vorstellen kann, dass da etwas laufen könnte.
Mit welchem Ziel datest du?
Lars: Mit Dating verfolge ich das Ziel, jemanden kennenzulernen, mit dem ich eine tiefere Bindung eingehen kann. Ob es dann eine Beziehung wird, ist immer Ansichtssache, aber auf jeden Fall hat es mit dem Bedürfnis nach Nähe und Liebe zu tun.
Lena: Ich bin für alles offen. Einfach, um neue Leute kennenzulernen. Ich habe mich auch mit manchen Personen angefreundet, die ich online kennengelernt habe. Ich date aber auch, um ein interessantes Gespräch zu haben oder eine neue Perspektive zu lernen. Gerne auch, um körperlich zu sein oder einen aufregenden Abend zu haben. Ich wäre aber auch offen, mich zu verlieben und zusammenzukommen.
Philipp: Es kommt drauf an. Über Tinder & Co hat es für mich normalerweise eine sexuelle Komponente. Die wiederum ist völlig offen. Es kann ein One-Night-Stand, eine Freundschaft oder eine Affäre werden. Ich mache mir da auch keinen Druck. Prinzipiell habe ich Lust, Menschen kennenzulernen, mit denen, in welcher Form auch immer, eine langfristige Beziehung entsteht. Während Corona habe ich Tinder aber eher genutzt, um mal wieder rauszukommen und mit anderen Leuten zu quatschen. Jetzt ist beides miteinander verschwommen. Klar habe ich mein Kopfkino, worauf ich Lust hätte. Aber wenn ich in das Treffen gehe, bin ich erst mal total frei. Ich bin immer sehr gespannt, wer das so ist und was die Person zu erzählen hat.
Wie lernst du Menschen kennen, aus denen Dating-Bekanntschaften werden? Sprichst du auch selbst Menschen an?
Lena: Manchmal habe ich Menschen in Bars kennengelernt, einmal auch schon im Edeka. Aber vieles lief auch über Online-Dating. Ich finde, mittlerweile trauen sich viele nicht mehr, Leute anzusprechen. Man will nicht aufdringlich sein oder die Situation für die andere Person unangenehm werden lassen. Deshalb finde ich es online viel einfacher. Man muss nur swipen und weiß, man findet sich attraktiv. Wenn man jemanden anspricht, ist es riskant, dass man abgelehnt wird oder dass die Person oder man selbst sich unwohl fühlt.
Michelle: Ich bin ein Party-Gay, das heißt ich bin viel unterwegs, sehr extrovertiert und lerne einfach neue Leute kennen. Manchmal lerne ich Menschen in Bars kennen, manchmal tindere ich auch, wenn mir langweilig ist. Und sonst Freund*innen von Freund*innen, zufällige Abendbekanntschaften oder auch einfach Leute, mit denen ich schon befreundet bin.
Einfach fällt es mir bei queeren Partys, wie „Insel der Freuden“, „Superlike“ oder „Tuntenball“. Das sind Partys, die auch explizit als sex-positiv ausgeschrieben sind. Alle, die da hingehen, haben ein gewisses Mindset. Solche Orte finde ich sehr entspannt. Queere Partys sind für mich ein Space, wo ich weniger Belästigung erfahre, ich muss dort nicht so viele innerliche Sicherheits-Checklisten abarbeiten.
Ich spreche auch häufig Menschen an. Am einfachsten finde ich es zum Beispiel zu sagen: Hey, dein Outfit, dein Tattoo oder deine Haarfarbe ist total cool. Alles, wo ich davon ausgehen kann, die Person hat diese Entscheidung für ihr Aussehen getroffen, um etwas Bestimmtes zu kommunizieren. Das ist oft die Basis für ein Gespräch. Zurückweisung passiert und das ist okay. Andere Leute haben andere Präferenzen und ich nehme das nicht persönlich. Ich sehe Zurückweisung eher als einen Bedürfniskonflikt und nicht als Absage an mich selbst.
Lars: Ich bin ein sehr schüchterner Mensch, deswegen habe ich Personen bisher eigentlich immer über Freund*innen kennengelernt. Ich habe auch schon mal Personen angesprochen, aber dann meistens auf platonischer Ebene. Bezüglich Dating bin ich sehr zurückhaltend. Meistens geht der Kontakt von anderen aus. Einfacher fällt es mir aber zum Beispiel auf Festivals. Dort hat man schon eine Gemeinsamkeit und befindet sich in der Gefühlslage, dass man gerade den Moment auf dem Festival genießt. Daraus kann ein Smalltalk entstehen.
Wie stehst du zu Online-Dating? Hat es dich verändert?
Philipp: Ich habe sehr unterschiedliche Erfahrungen mit Dating Apps gemacht. Auf Tinder schreibe ich meistens aus eigener Initiative Frauen an. Ein oder zwei Mal hatte ich reine Sex-Dates, aber beim Dating mit Männern ist das was ganz anderes. Bei Dating Apps wie Romeo und Grindr geht es knallhart zur Sache. In der Kennenlernphase meiner Bisexualität war ich sehr dankbar dafür, weil es relativ klar abgegrenzt war und keine emotionale Komponente hatte. Aber genau das ging mir später tierisch auf die Nerven. Klar habe ich Lust, aber kann man wenigstens mal miteinander reden? Das ist mir zu abgefertigt. Andererseits hatte ich auch extrem viele schöne Dates. Wenn ich meine besten Freund*innen betrachte, habe ich den harten Kern davon über Tinder kennengelernt. Oft stand der Sex im Vordergrund und manchmal kam dann der Punkt, an dem ich oder die andere Person oder beide gemerkt haben, sexuell läuft das gar nicht so oder der Sex ist gar nicht das, was uns miteinander verbindet. Aber irgendwas anderes ist da, so dass ich sage, ich möchte die Person gerne in meinem Leben behalten.
Lena: Ich habe sehr viel gedatet in den letzten Jahren. Manchmal mehrere Dates die Woche oder sogar am Tag. Vor allem während Corona lief es nach dem Motto: Okay, mit wem gehe ich heute spazieren? Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Bekanntschaften oft nichts Besonderes sind. Mit der Zeit glaubt man nicht mehr an so viel. Ich war auch mal an einem Punkt, an dem ich gesagt habe: Irgendwie hat die Liebe für mich ihre Mystik verloren. Das heißt, ich gehe mit weniger Erwartung, weniger Aufregung und weniger Zauber in Dates rein. Insgesamt hat das Daten ein bisschen seinen Reiz verloren.
Lars: Ich habe eigentlich nur schlechte Erfahrungen mit Online-Dating gemacht, wobei ich sie nicht Dating-Erfahrungen nennen würde, weil nie wirklich ein guter Kontakt zustande gekommen ist. Die andere Person hat sich entweder nicht gemeldet oder es kam nie zu einem Treffen oder man hat gemerkt, das Interesse besteht nicht. Ich möchte gern eine Person sehen, also physisch mit ihr reden. Dann fühle ich mich wohler, eine Bindung aufzubauen. Ich persönlich sehe Online-Dating eher als Plan C. Solange ich es mit mir selbst aushalten kann, habe ich kein Bedürfnis wieder damit anzufangen.
Michelle: Sowohl Dating im realen Leben als auch über Dating Apps findet für mich über Kommunikation und Austausch statt, deshalb ist für mich beides gleichwertig. Tinder hat natürlich die üblichen Risiken, dass man nie genau weiß, wer die Person letztendlich ist. Aber ich glaube, wenn man mit offenen Augen da ran geht, ist der Unterschied geringer. Der große Nachteil und zugleich Vorteil ist, du kannst jederzeit unmatchen und blockieren. Es ist einfacher, Grenzen zu stecken und einzuhalten, aber es macht Kommunikation insgesamt ein bisschen schwieriger. Wie bei allem ist es glaube ich das, was man daraus macht. Eine Person, die ich in der Bar treffe, kann genauso gut schlechte Intentionen haben, wie jemand auf Tinder.
Ein bekanntes Phänomen beim Dating ist das Ghosting, also wenn ein plötzlicher Kontaktabbruch erfolgt. Wurdest du schon mal geghostet oder hast selbst geghostet? Wie stehst du dazu?
Lena: Ghosting ist für mich nicht, wenn sich beide einfach nicht mehr melden oder es sich verläuft, sondern wenn eine Person eine Frage stellt und die andere darauf nicht antwortet, sich also bewusst entscheidet, die Person zu ignorieren. Das habe ich noch nicht gemacht. Es ist mir aber schon passiert. Oft verläuft es sich einfach wechselseitig und beide melden sich nicht mehr. Das finde ich okay. Aber Ghosting finde ich nicht gut. Ich gebe mir mittlerweile Mühe, dann einfach klar zu kommunizieren, dass ich die Person gerade nicht priorisiere.
Lars: Geghostet habe ich persönlich noch nicht, aber ich wurde schon geghostet. Das finde ich nicht so toll, weil man so die Person verletzt. Einfach aus Respekt gegenüber der anderen Person kann man sagen: Ich habe den Vibe nicht so gefühlt und ich habe nicht mehr das Interesse, den Kontakt mit dir aufrecht zu erhalten. Man lässt die Person sonst allein in ihren Unsicherheiten zurück.
Philipp: Ich wurde schon geghostet und auch ich habe schon geghostet. Das ist richtig mies. Nicht mies von der Person, weil sie mir was Böses will, sondern weil es einfach ein blödes Gefühl hinterlässt. Du weißt nicht, was ist. Das muss ich auch üben und lernen, zu sagen: Hey, das war schön, hat Spaß gemacht, aber ich würde es gerne dabei belassen. Mich kostet das immer noch Energie, weil es ja auch eine Art Ablehnung ist. Da steckt doch immer bisschen die Harmoniebedürftigkeit drin.
Michelle: Ghosting ist auch eine Art von Kommunikation. Klar ist es mies, seine eigenen Schlüsse zu ziehen, statt es direkt gesagt zu kriegen. Aber das finde ich okay. Manche Leute fühlen sich nicht sicher genug, manche sind nicht gut in Konfrontationen, manche müssen noch kommunizieren lernen. Und wenn Ghosting ihre Art ist, mir zu sagen, dass kein Interesse mehr besteht, dann nehme ich das auch für mich an. Ich bin eher die Person, die sagt: Hey, das wird nichts, weil ich die Zeit und Energie anderer Leute respektiere. Ich hatte aber auch schon Leute, die sehr aufdringlich waren, wo ich dann persönlich gesagt habe: Okay, die wissen, wo ich wohne und wo ich rumhänge. Ich fühle mich dann unter anderem aus Sicherheitsgründen nicht in der Position, eine direkte Ansage zu machen. Da habe ich dann selbst auch einfach geblockt oder eine Weile nicht mehr geantwortet.
Was ist dir wichtig beim Dating?
Philipp: Mir ist wichtig, dass sich beide richtig wohlfühlen. Das kann natürlich durch unterschiedliche Sachen kommen, aber in der Regel ist es Humor. Dass einfach eine entspannte Atmosphäre da ist, man sich gegenseitig zum Lachen bringt und Themen da sind, über die man reden kann. Smalltalk zum Beispiel gibt mir gar nichts. Attraktivität ist für mich in den letzten Jahren immer mehr in den Hintergrund gerückt. Weil die sexuelle Komponente für mich immer mitschwingt, entsteht mittlerweile Attraktivität auch daraus, wie jemand tickt.
Lena: Ich fände es schön, mal wieder richtig auszugehen. Wenn man nicht nur sagt, wir gehen jetzt spazieren und dann ist das Höchste der Gefühle, dass ich dann zwei Mate mitbringe. Sondern wenn man wirklich mal wieder sagen würde, lass uns doch ins Theater gehen. Einfach, um das Gefühl zu haben, das ist für mich was Besonderes, ich gebe mir Mühe, ich habe was geplant und ich möchte was mit dir erleben. Ich finde es schön, das Gefühl zu bekommen, die Person muss nicht gerade fünf Menschen gleichzeitig jonglieren und einen Spaziergang von einer Stunde in den Terminkalender einplanen, sondern die Person freut sich richtig drauf und überlegt sich was oder auch ich andersrum.
Lars: Ich habe das Bedürfnis nach einer gewissen Ehrlichkeit, die einen Teil der eigenen Persönlichkeit ans Tageslicht bringt. Während des Dates möchte ich nichts erzwingen. Man kann ja ein Ausflugsziel haben, aber alles, was während des Dates passiert, lasse ich passieren. Nicht so viele Gedanken machen, was jetzt alles den Tag schöner machen könnte, sondern präsent sein in diesem Moment.
Michelle: Kommunikation, gegenseitiger Respekt und die Bereitschaft, zuzuhören. Das ist für mich die Basis jeder Beziehung, ob Dating oder nicht. Es ist okay, wenn man nicht weiß, was man möchte oder braucht, aber dann sollte man sich Mühe geben, es rauszufinden. Ich persönlich gehe immer sehr offen in Dates rein und kommuniziere sehr direkt, was ich möchte oder mir vorstelle. Grundsätzlich wollen wir alle verstehen, wir wollen aber auch alle verstanden werden. Und das können wir nur machen, indem wir kommunizieren.
Hast du Tipps für möglichst schöne Dates?
Lena: Ich nehme manchmal systemische Fragekarten zu Dates mit. Dadurch kommt man gut ins Gespräch. Oder man nimmt ein anderes Spiel mit, um ein Backup zu haben, wenn man gerade nicht weiterreden kann, aber weiter beim Date bleiben will.
Michelle: Ein gutes Date ist immer, wenn sich zwei Menschen in der Mitte treffen. Das heißt, wenn man auf die andere Person eingeht und trotzdem klar kommuniziert, was man selbst gerne möchte. Dann kann man zusammen die beste Experience für beide kultivieren.
Philipp: Man sollte auf jeden Fall wissen, was man will. Leute, die sagen: Ich bin bei Tinder und weiß gar nicht, was ich suche – das wird richtig schiefgehen. Es muss schon klar sein, was man explizit von dem Date erwartet und was man generell möchte. Letztendlich finde ich es sehr wichtig, man selbst zu bleiben. Also nicht mit Druck ranzugehen oder einer Person unbedingt gefallen zu wollen, sondern wirklich versuchen so zu sein, wie man tagtäglich zu seinen besten Freunden ist. Sonst werde ich auch nicht die Leute kennenlernen, die zu mir passen.
*Der Name wurde von der Redaktion geändert, da die Person gerne anonym über ihre Erfahrungen sprechen wollte.
#Beziehungsweisen - Wie wir zueinander stehen
Wir von uniCROSS beschäftigen uns diesen Monat unter dem Hashtag #Beziehungsweisen mit allem, was uns an der Zwischenmenschlichkeit interessiert.