Derr Herr mit dem Hut
Robert Hetkämper ist ehemaliger ARD-Südostasienkorrespondent. Als weitgereister Journalist hat er viel zu erzählen. Ende November 2015 war er am FRIAS der Uni Freiburg und moderierte eine Podiumsdiskussion. Simone und Marike konnten vor der Veranstaltung mit ihm über sein Reporterleben sprechen.
Vor seinem Ruhestand war Robert Hetkämper von 2001 bis 2014 Leiter des ARD-Studios Singapur. Bildgewaltig sind die Reise-Dokumentationen, die er in den 14 Ländern seines Berichtsgebietes gedreht hat, packend seine Beiträge über Katastrophen in der Region. Bekannt ist er vielen Zuschauern durch sein Markenzeichen: Den Panama-Hut.
Herr Hetkämper, Sie sind der Mann mit dem Hut.
Der Hut ist kein PR-Gag. Ich trage ihn, weil ich sonnenempfindlich bin. Das hat sich eingebürgert und über die Jahre ist das ein bisschen mein Markenzeichen geworden. Aber bis man dort hinkommt, muss man schon ziemlich lange Hüte tragen.
Wie sind sie dort hingekommen? Erzählen Sie von Ihrer Anfangszeit als Journalist.
Mit 15 Jahren war ich Chefredakteur der Schülerzeitung. Ich bin damals in die Druckerei gegangen und habe mit Blei hantiert. Das Handwerkliche war für mich der erste Zugang zum Journalismus.
Während des Studiums war ich Volontär bei einer Lokalzeitung. Da musste man zusammentragen, welche Tauben zuerst im Schlag waren. Das war sehr interessant, denn wenn man da Fehler machte, bekam man gleich Ärger. Und das mit Recht, denn im Lokalen ist natürlich alles schnell nachprüfbar. Wenn ich etwas aus Japan erzähle oder aus Laos, ist das so schnell nicht nachprüfbar. Der Reiz des lokalen Journalismus ist, dass das Publikum wirklich weiß, wovon du redest.
Es war für Sie also schon sehr früh klar, Sie werden Journalist?
Nicht unbedingt. Ich wollte eigentlich Theaterdramaturg werden. Aber dann kam das Volontariat und danach bin ich immer weiter in den Journalismus reingerutscht.
Apropos reingerutscht. Sie haben Germanistik, Soziologie und Politologie studiert. Das weist nicht auf eine Tätigkeit als Asienkorrespondent hin.
Nein. Es war ja auch nicht an der Wiege gesungen, dass ich einmal Asienkorrespondent werde. Asien war, wie vieles in diesem Beruf, einfach Zufall. Ich bin nach Manila gekommen, weil mich ein Kollege angefordert hat, der große Korrespondent Winfried Scharlau. Das war zufällig in der Zeit, als die Peoples Power Revolution 1986* war. Und wenn sie einmal so ein Ding mitgemacht haben, dann: The first cut is the deepest!
Anschließend wollte ich nach Singapur, weil die Philippinen damals zum Berichtsgebiet Singapur gehörten. Da hat mich der Sender konsequenterweise nach Japan geschickt. Angefangen mich für Asien intensiv zu interessieren, habe ich mich in dem Moment, als ich dort gelandet bin. Vorher war Asien weit weg. Aber wenn man einmal da ist, dann versucht man sich nach Möglichkeit doch halbwegs einen Überblick darüber zu verschaffen, was dort los ist.
Sie waren in Afrika, auch im Nahen Osten, in Mittelamerika. Und nach einem kurzen Intermezzo in Washington sind Sie wieder nach Asien zurückgekehrt. Warum?
Das hat biographische Gründe. Meine Frau ist Koreanerin und unser Sohn ist dort aufgewachsen. Es entstehen Bindungen, die man nicht mehr kappen mag. Auf den Philippinen bin ich mit vielen Freunden Schulter an Schulter in der Revolution auf der Straße gestanden. Das geht tief und da kommt man nicht mehr raus.
Sie haben Familie. Der Beruf eines Korrespondenten ist schlecht mit einem Familienleben vereinbar.
Da haben Sie völlig Recht. Man braucht einen Partner, der das sehr geduldig erträgt, der sich anpassen kann. Sie sind fast immer weg. Wenn ich in Singapur eine Woche im Monat zu Hause war, dann war das schon viel. Sie brauchen jemanden, der damit umgehen kann, der auch die Kindererziehung übernimmt. Meine Frau ist nicht berufstätig, das war damals nicht vereinbar.
Es wird gesagt, Journalisten haben es immer schwerer. Die Medienbranche werde immer schnelllebiger, die Konkurrenz größer, das Internet und somit private Berichterstatter immer präsenter.
Es wird sich viel verändern. Ich habe zum Beispiel auf meinem iPhone eine App, mit der kann ich direkt in die Tagesschau, direkt ins Studio schalten, live. Journalisten müssen in Zukunft verstärkt multimedial arbeiten. Das lässt sich nicht mehr vermeiden und es wird so kommen, dass gerade bei einfacheren Themen, einer alles alleine macht.
Wo sehen Sie Probleme bei dieser Entwicklung?
Die Entwicklung darf nicht zu Lasten der Qualität gehen. Die menschliche Arbeitskraft ist endlich. Mit Kamera und Ton und Recherche und wenn man dann noch einen Text schreiben soll, dann ist man schnell an der Grenze. Bei einem Kurzbericht über einen Unfall in der Poststraße ist das okay. Wenn es aber ein bisschen hintergründiger sein soll, dann wird es schwierig. Um Dokumentationen attraktiv zu machen, brauchen sie einen Kameramann, der mehrere Jahre gelernt hat. Schnitt ist auch ein Handwerk, dass man gelernt haben muss.
Was ist heute für den Berufseinstieg wichtig?
Wenn sie heute in dem Beruf des Journalisten etwas werden wollen, dann müssen sie wohl einen multimedialen Ansatz haben. Beim öffentlich-rechtlichen ist das Volontariat Pflicht. Sie können aber noch so gut ausgebildet sein, ohne ein Netzwerk ist man nichts.
Würden Sie sich auch heute, in der sich stark veränderten Medienlandschaft, wieder für den Beruf des Journalisten entscheiden?
Ich kann ja nichts anderes.
Und was ist es denn nun, das Sie können und was den Beruf ausmacht?
Die erste Voraussetzungen ist, dass man Spaß hat etwas zu erzählen, Wissen mitzuteilen. Und sie müssen das, worüber sie berichten auch irgendwie mögen – im weitesten Sinne mögen. Ein Problem zu entdecken ist ja auch eine Art der Zuneigung.
Man muss Spaß daran haben mitzuteilen, was man weiß. Und damit man etwas weiß, muss man recherchieren. Und man muss wissen, wie man das Ding anpackt und erzählt, dass es attraktiv wird und verstanden wird. Und das zusammengenommen macht den Beruf aus. Mehr ist es nicht.
Wie sehen sie die Chancen für angehende Korrespondenten?
Außenkorrespondentenposten sind selbst in der ARD rar. Wir haben glaube ich 25. Insgesamt hat die ARD schon 25.000 bis 30.000 Mitarbeiter. Sagen wir einmal 10 bis15 Prozent davon sind Redakteure, die einmal ins Ausland wollen. Man braucht sich also keine Illusionen zu machen.
Sie können nun auf Ihre Tätigkeit als Korrespondent zurückblicken. Sie berichteten über Fukushima und vom Tsunami 2004 aus Thailand. Es gibt sicher Bilder in einem Reporterleben, die einen länger bewegen, nicht mehr loslassen. Wie geht man damit um?
Das ist zum Teil sehr schwer und ich verarbeite selbst noch einiges. In Japan war ich weiter weg von diesem eigentlichen Tsunamigeschehen und der Fokus lag eher auf Fukushima. Viel schlimmer war der Tsunami 2004, weil wir unmittelbar am nächsten Tag dort hingefahren sind. Die Leute kannten mich aus dem Fernsehen und fragten mich, ob ich ihnen bei der Suche nach ihren Kindern helfen könnte. Das kann man eigentlich nur in dem Moment ganz gut überstehen, wenn man sagt, ich habe jetzt keine Zeit. Ich muss berichten, die Toten zeigen. Das ist die professionelle Brille, die man auf hat. Wenn man die absetzt, dann wird es schwierig.
Aber es gibt ja auch positive Beispiele. Die Peoples Power Revolution* auf den Philippinen war auch eine sehr einschneidende Geschichte. Ich war unmittelbar auf dieser Straße, an der die wichtigsten beiden Kasernen liegen. Die Menschen sind vom katholischen Radiosender aufgefordert worden, dort hinzugehen, damit die Panzer nicht raus können. Und wenn sie dabei waren, wenn ein Panzer versucht dort durchzukommen und eine Nonne steht davor mit ihrem Rosenkranz, dann ist das nicht vergleichbar mit dem Tsunami-Schmerz, aber es ist natürlich eine Emotion, die gewaltig ist.