Blutiges Tabu: Vier Freiburger Studentinnen fordern mehr Akzeptanz für den weiblichen Zyklus. Obwohl sie nahezu jeder zweite Mensch regelmäßig bekommt, ist sie für fast jede*n ein heikles Thema: die Periode. Vier menstruierende Frauen aus Freiburg berichten von Scham, Stigmatisierung und gedealten Tampons.
Ein kurzer Blickkontakt, die halblaute Frage: „Hast du einen Tampon dabei?“ Die in der Regel folgende, heimliche Übergabe von weißem Wattestoff nenne ich liebevoll den „Tampon-Deal“. Die meisten Menstruierenden waren schon einmal in solche Machenschaften verstrickt. Warum also senken wir die Stimme, wenn wir andere um einen Tampon bitten? Und warum ist die Scham, nach einem Tampon zu fragen, so viel höher als bei einem Taschentuch? Immerhin sind beides natürliche Vorgänge. Ab und zu läuft es eben. Aber im Gegensatz zur Erkältung ist Menstruation nicht ansteckend.
Immerhin gibt es auch Gegenbeispiele: Bis heute erzählt man sich an der juristischen Fakultät der Universität Freiburg die Geschichte einer jungen Heldin, die inmitten einer Vorlesung aufstand und vor 300 Studierenden lautstark um einen Tampon bat.
Dass dieser Vorfall überliefert ist, verdeutlicht, wie tabuisiert die Periode nach wie vor ist. Was können wir also tun, damit Frauen* und Mädchen ohne Scham über ihre Periode reden und Bedürfnisse offen zu äußern? Wir sollten endlich anfangen, über die Periode zu reden. Dann muss auch der Tampon-Deal bald nicht mehr hinter vorgehaltener Hand ablaufen.
Menstruations-Mythen und Perioden-Politik
Periode passiert in jeder Gesellschaft anders, aber überall werden Menstruierende als unrein angesehen. Kein Wunder: In religiösen und medizinischen Schriften bis Mitte des 20. Jahrhunderts wurden sie sogar mit dem Teufel oder Behinderungen in Verbindung gebracht. Lügen und Mythen führen zu Tabuisierung sowie Stigmatisierung und schließlich zu Unterdrückung und Isolation von menstruierenden Menschen.
Wenn wir weiterhin schweigen, wird längst überfällige Veränderung aufgehalten und nicht menstruierende Menschen können Perioden-Probleme ignorieren. Als unmittelbar Betroffene*r ist das allerdings nicht möglich. Fast pünktlich kommen die Probleme fast jeden Monat zurück. Und fast immer auch zum ungünstigsten Zeitpunkt: Wie oft sind Seminare oder „die beste Party seit Langem” wegen Regelschmerzen verpasst worden?
Das Mitleid hält sich derweil in Grenzen. Statt Schmerztabletten und Tee werden meistens nur Sprüche serviert. Denn ob Sommercamp oder Freiwilligenjahr – die Reaktion auf Menstruation ist entweder Kopfschütteln oder ein gespieltes und geschocktes „schon wieder?”
Medien tragen zu dieser Stigmatisierung bei. Beim Stichwort Menstruation wird allzu gerne der Sender gewechselt. Folglich zeigt Binden-Reklame zwar keine rote, sondern blaue Flüssigkeit, dafür aber Frauen, die in weißen Kleidern über grüne Wiesen hüpfen.
Auch die Politik hat zu wenig für Menstruierende getan. Dass die Mehrwertsteuer auf Medizinprodukte hierzulande vergangenes Jahr von 19 auf sieben Prozent gesenkt wurde, ist zwar immerhin ein Anfang, woanders geht es aber besser: Neuseeland, Kanada und Schottland haben die Steuer auf Menstruationsprodukte komplett abgeschafft oder legen diese in öffentlichen Gebäuden sogar kostenlos aus.
Kostenlose Menstruationsprodukte in öffentlichen Gebäuden der Stadt Freiburg?
Freiburg könnte bald in diese Liste aufgenommen werden. Im April haben Jupi-Fraktion, Eine Stadt für Alle sowie Die Grünen im Freiburger Gemeinderat einen entsprechenden Antrag gestellt. Stadtrat Simon Sumbert (Jupi) und Stadträtin Vanessa Carboni (Die Grünen) berichten von Gegenstimmen und Tampons in Geldscheinen.
Die Period-Box gegen Periodenarmut in Freiburg
Was Politik morgen machen möchte, machen manche schon heute. Im Interview mit uniCROSS erklären Solveig und Marlene von Period Box Freiburg, warum der Kampf gegen die Perioden-Stigmatisierung auf dem Klo anfängt.
Umweltschutz für untenrum
Jedes Jahr werden mehr als 49 Milliarden Menstruationsartikel in der EU weggeworfen, will das österreichische Social Business Erdbeerwoche wissen. Das entspricht einem riesigen Müllberg aus Mikroplastik, Tampons, Binden und Verpackungsmaterialien. Und leider werden diese Produkte längst nicht immer korrekt entsorgt: Statt im Mülleimer landen die Menstruationshelfer – Scham sei Dank – oft in der Toilette.
Dabei gibt es auch für diese Wegwerfprodukte nachhaltige Alternativen. Sehr beliebt: die Menstruationstasse. Der Cup aus medizinischem Silikon hält bis zu zehn Jahre lang und sorgt mit Unterdruck dafür, dass nahezu dreimal so viel Blut wie bei einem Tampon aufgefangen werden kann. Damit schützt die Tasse nicht nur die Scheideninnenwand vor dem Austrocknen, sondern auch Umwelt und Geldbeutel. Für alle, die lieber Binden benutzen, könnten saugfähige und komfortable Stoffbinden oder Periodenunterwäsche eine nachhaltige Alternative sein. Windelgefühl adé.
Ganz ohne Hilfsmittel kommt das sogenannte Free Bleeding aus: Während der Menstruation sammelt sich das abgegebene Blut zuerst am Muttermund und wird dann in Schüben gegeben. Mit etwas Übung können Menstruierende ein Gefühl für diesen Blutfluss entwickeln. Klingt ein bisschen wie eine Superkraft, ist es fast auch. Noch besser wäre nur, sich in allen Lebenslagen auf die Toilette zu teleportieren.
Eine Gemeinschaftsproduktion von Anna Macho, Klara Meyer, Valérie Erstling und Lily Mauch im Rahmen des Seminars „Einführung in den crossmedialen Journalismus“ für Studierende der Medienkulturwissenschaft.
Seminarleitung, Redaktion: Ada Rhode, Karsten Kurowski, Philip Thomas