So lautet auch der Titel ihres neuen Buches, das 2022 im Hanser Verlag erschienen ist. Sie blickt darin zum einen auf die Kulturgeschichte der Single-Frau, zum anderen auf ihre eigene Geschichte als langjährig alleinstehende Frau. Eine Rezension von Jenny von uniFM.
Katja Kullmann hat sich nicht bewusst fürs Alleinleben entschieden, sie ist mehr oder weniger von selbst herein geraten. Aber sie hat auch kein Bedürfnis da wieder herauszukommen. Als sich die Autorin nun mehr mit ihrem eigenen langjährigen Single-Dasein auseinandersetzt, löst das anfangs ein Unwohlsein aus. Auf ihrer Entdeckungsreise gerät sie aber immer mehr in einen Rausch des Verliebtseins. Überall sieht sie die Singuläre Frau: in den Büchern ihrer Kindheit, in ihrer Nachbarschaft, in Passantinnen auf der Straße, in feministischen Ikonen und zuletzt auch immer in sich selbst.
Sie will niemandem ihr eigenes Leben empfehlen oder es romantisieren, aber sie möchte die Vorteile aufzeigen und sie auch für sich selbst herausfinden. Denn jedes Lebensmodell hat seine Vor- und Nachteile. Jede Beziehung hat gute und schlechte Phasen, bringt Erfüllung und Freunde, Schmerz und Frust, so auch die Beziehung mit sich selbst. Katja Kullmann meint: „Genau darum geht es ja: Das Leben ohne Begleitung ist nicht besser, aber auch nicht schlechter als das gebundene. Es ist ein komplettes Leben. Eines von vielen möglichen Frauenleben. Einfach: ein Leben.“
Sie beschäftigt sich explizit mit der singulären Frau, denn für weiblich gelesene Personen ist das Single-Dasein immer noch ein größerer Normverstoß. Männliche Singles werden dagegen eher idealisiert: als lonesome Cowboy, einsames Genie, Lebemann oder Playboy ziehen sie unabhängig durch die Welt und machen ihr Ding. Bei Frauen dagegen stellt sich die Frage: welche Daseinsberechtigung haben sie noch in der Gesellschaft, wenn sie nicht Mutter, Gattin oder Geliebte sind? Wenn sie ihr Leben nicht ständig auf ein Gegenüber beziehen, sondern einfach nur auf sich selbst?
Deshalb ist die Singuläre Frau in gewisser Weise auch eine queere Figur, sie steht sozusagen ihren eigenen Mann. Viele feministische Ikonen sind Singuläre Frauen. Da stellt sich die Frage: Was war zuerst da, das feministische oder das singuläre Dasein? Katja Kullmann meint, dass nicht jede singuläre Frau automatisch auch eine Feministin ist, aber ihre Lebensart ist durchaus eine feministische. Im Unterschied zur Single-Frau, die noch immer nach Erfüllung durch eine Partnerschaft mit einem Mann sucht, ist die Zufriedenheit der singulären Frau nicht abhängig von männlicher Anerkennung oder Zuwendung. Ihr Leben ist nicht um einen Mann zentriert, sondern bezieht sich in erster Linie auf sich selbst.
Katja Kullmann betrachtet sich selbst als eine Einzelgängerin, aber sie ist keine Einzelkämpferin. Ihr singuläres Leben baut auf drei Säulen auf: das ständige Alleinsein, gelegentlicher intimer Kontakt und zufällige Zwischenmenschlichkeiten im Alltag. Singles sind lange nicht so selbstzentriert und isoliert wie man es ihnen gerne vorwirft. Studien rund um die Welt zeigen, dass Personen ohne Zweierbeziehung mehr Freund*innen- und Bekanntschaften haben und diese besser pflegen. Besonders Frauen profitieren sozial vom Single-Leben. Die Sexualwissenschaftlerin Shere Hite stellte 1989 fest, dass sich Frauen in einer Partnerschaft einsamer fühlen, obwohl sie tief ins Familienleben integriert und ständig von vielen Menschen umgeben sind. Alleinstehende Frauen sind dagegen meist besser in ihre soziale Welt integriert. Sie pflegen ein Netz an Beziehungen, das sie auf einer Vielzahl von Maschen trägt, statt sich mit ihrem ganzen Gewicht auf eine einzige Reißleine zu stützen.
Single-Frauen haben und hatten nicht unbedingt den besten Ruf in der Gesellschaft. Die Soziologin Bella DePaulo spricht in ihrem Buch “Singlism” sogar von einer Diskriminierungsform. Singles werden nicht nur mit Vorurteilen konfrontiert, sondern sie erfahren auch ökonomische Benachteiligung: teurere Versicherungen, mehr Steuern, der Einzelzimmerzuschlag im Hotel und die kleine teurere Toastbrotpackung. Singles zahlen mehr und sie sind schlechter abgesichert. Im Hinblick auf die wachsende Zahl von Single-Haushalten passt die gesetzliche Lage nicht mehr zur gesellschaftlichen Realität.
Die Singuläre Frau hat sich in den letzten 250 Jahren entwickelt und ausgebreitet. Für viel Frauen hat sich der Fokus ihres Lebens in den letzten Jahrzehnten verschoben und er tut es immer mehr. Familiengründung wird immer unwichtiger oder kommt viel später, Karriere und Unabhängigkeit rückt dafür mehr in den Fokus. Frauen sind jetzt ökonomisch nicht mehr abhängig von einem Mann, sie kommen alleine zurecht, vielleicht sogar besser.
Katja Kullmann überzeugt mit ihrem gesellschaftskritischen Blick und der präzisen Auseinandersetzung mit der Singulären Frau, alles mit einer großen Portion Humor und Selbstironie. Da die Autorin selbst heterosexuell und monogam ist, werden andere Modelle von Beziehung und Begehren leider nicht behandelt. Aber ihr Buch bietet eine gute Mischung an Stimmen anderer singulärer Frauen und zeigt die Vielfalt der Lebensformen.
Ob ihr single seid oder nicht, egal welcher Frauengeneration ihr angehört, wie euer Beziehungsstatus aussieht, dieses Buch ist definitiv lesenswert. Denn wie Katja Kullmann selbst sagt: „In jeder Frau steckt eine Frau ohne Begleitung, ob sie will oder nicht.“ Die Singuläre Frau kann es erst frisch sein oder schon lange, sie war es vor ihrer ersten Beziehung und sie ist es vielleicht eines Tages wieder, vielleicht bleibt sie es auch für immer. Sie kann es genießen oder sie kann es hassen. Sie kann auf der Suche sein oder es aufgegeben haben, aber vielleicht hat sie auch das wahre Glück darin gefunden, alleine mit sich selbst zu sein.