“Diese Wertschätzung kommt an“
Viele Menschen in Freiburg kennen die alten Telefonzellen oder Schränke, in denen Bücher zum Mitnehmen stehen. Die „Buch-Buden“ sind ein Angebot der Freiburger Bürgerstiftung und des Literaturhauses Freiburg. Sie bieten kostenfrei Bücher an sozialen Orten an. Johanna hat herausgefunden, was es mit den Buch-Buden auf sich hat.
Hallo Frau Reinhard, Sie betreuen das Projekt für die Freiburger Bürgerstiftung. Frau Hempen, Sie sind Buchpatin für die Buch-Buden. Die Buch-Buden sind betreute, recycelte Bücherregale, durch die an sozialen Orten ermöglicht werden soll, Bücher zu lesen. Es gibt unter anderem Buch-Buden in der Bahnhofsmission und beim Förderverein Essenstreff. An wen richtet sich das Angebot?
Antje Reinhard: Wir wollen Menschen erreichen, die sonst vielleicht keinen oder einen schlechteren Zugang zu Büchern haben. Es gibt viele Leute, die sich über die Buch-Buden freuen und die Bücher mitnehmen und das ist genau das, was wir mit dem Projekt erreichen wollten.
Was unterscheidet die Buch-Buden von den herkömmlichen Bücherschränken?
Antje Reinhard: Die Orte und vor allem die Pflege der Bücher: Dass sich jemand verantwortlich fühlt, die oder der nach den Büchern schaut und sie nicht zerfleddert rumliegen. Da ist eine Wertschätzung, die wir dem Projekt und damit den Menschen entgegenbringen. Diese Wertschätzung kommt an.
Der andere Punkt ist, dass wir Wert auf Recycling legen. Wir verwenden sowohl alte Regale wieder als auch die Bücher, die uns von Privatpersonen gespendet werden. Den meisten Leute ist es zu schade, ihre gelesenen Bücher wegzuschmeißen. Gleichzeitig ist da auch das Bedürfnis, sich zu verkleinern und den materiellen Besitz etwas zu reduzieren. Die Bücher bekommen dadurch ein zweites oder sogar drittes Leben.
Die Buchpat*innen betreuen und pflegen die Buch-Buden.
Rena Hempen: Die Buchpatinnen sind für die Buch-Buden zuständig, hier in der Bahnhofsmission teile ich mir die Aufgabe mit Heidi Bentler. Jede Woche kümmern wir uns im Wechsel um den Inhalt, die Menge der Bücher und ob man einige Bücher wieder auswechseln sollte.
Antje Reinhard: Und ihr guckt auch mal, ob ihr Wünsche erfüllen könnt.
Rena Hempen: Ja, es gibt die Möglichkeit, dass man Buchwünsche ausdrücken kann, um die wir uns anschließend bemühen. Wir verschicken dann beispielsweise eine Rundmail und fragen, ob zufällig jemand dieses Buch besitzt. Ich habe miterlebt, wie wir solch einen Wunsch erfüllen konnten.
Mit welchem Fokus wurden die Standorte für die Buch-Buden ausgewählt?
Antje Reinhard: Bei uns steht immer der soziale Aspekt dahinter. Es gibt beispielsweise eine weitere Buch-Bude beim Förderverein Essenstreff und in der Wärmestube im Stühlinger. Die neueste Buch-Bude steht im Mehrgenerationenhaus in Weingarten. Wir überlegen ständig, wo neue Buch-Buden hinpassen könnten und wo es Bedarf gibt. Wir freuen uns auch immer, wenn wir Orte vorgeschlagen bekommen.
Die Bücher werden von Privatpersonen gespendet. Wählen Sie Bücher aus?
Rena Hempen: Eine Zensur findet nicht statt, wir gehen für die Buch-Buden nicht nach den eigenen Interessen. Allerdings gibt es schon eine gewisse Vorauswahl, je nachdem, welche Bücher wir bekommen. Kinderbücher kommen zum Beispiel nicht in die Buch-Bude bei der Bahnhofsmission, sondern ins Mehrgenerationenhaus in Weingarten. Krimis laufen hier sehr gut, deswegen sind die öfter dabei. Ratgeber hingegen bleiben schon eher mal liegen, die nehmen wir dann wieder mit in den Fundus.
Gibt es eine Begebenheit, die Sie besonders berührt hat?
Rena Hempen: Sehr berührt hat mich, als ich miterlebt habe, dass ein Buchwunsch erfüllt wurde. Diese Freude der Person, das gewünschte Buch lesen zu können, dass sie wahrgenommen wurde, dass gesehen und erfüllt wurde, was sie sich wünschte.
Antje Reinhard: Für mich waren die Lesungen, die wir hier in der Bahnhofsmission organisiert haben und die Gespräche, die entstanden sind, eine schöne Sache. Da kommen ganz verschiedene Menschen zusammen. Leute, die davor gar nicht wussten, dass es die Buch-Buden gibt und durch die Lesung darauf aufmerksam wurden. Dass wir Leute miteinander vernetzen, ins Gespräch und schlussendlich zusammenbringen.
Sie kooperieren mit verschiedenen Partner*innen.
Antje Reinhard: Die ersten beiden Buch-Buden hat die Freiburger Bürgerstiftung zusammen mit dem Literaturhaus Freiburg 2023 ins Leben gerufen. Die Bürgerstiftung hat ihren Fokus etwas mehr auf sozialen Orten und das Literaturbüro mehr auf öffentlichen Orten. Inzwischen ist noch ein dritter Kooperationspartner dabei, das Institut für Sagenhaftes für die Schreinerarbeiten. In Zukunft wollen wir Workshops anbieten, in denen die Menschen, die Regale für die Buch-Buden selbst bauen können. Außerdem fördert uns inzwischen die Volker-Homann-Stiftung finanziell, auch die Wilhelm-Oberle Stiftung hat eine Buch-Bude finanziert.
Sind die Buchpat*innen Mitglieder der Bürgerstiftung Freiburg?
Antje Reinhard: Die Buchpat*innen sehen wir nicht als Kooperationspartner*innen, sondern als Zeitstifter*innen. Bei uns gibt es keine Mitglieder, sondern die Bürgerstiftung, das sind Bürger und Bürgerinnen, die ihre Zeit für andere Bürger*innen stiften.
Wir sehen uns als Engagementplattform, und gerade bei den Buch-Buden ist das ein Ehrenamt, das zeitlich sehr gut mach- und leistbar ist. Der Zeitaufwand ist nicht zu hoch und es gibt einige im Team, die einspringen können. Deswegen wurden auch viele Zeitstifter*innen von diesem Engagement angesprochen. Wir haben aktuell etwa zehn aktive Buchpatinnen.
Infos
Das Projekt findet ihr auf der Bürgerstiftung-Website: Buch-Buden – Freiburger Bürgerstiftung
Um sich als Buchpat*in zu engagieren, kann man sich an diese E-Mailadresse wenden: geschaeftsstelle@freiburger-buergerstiftung.de.
Buch-Buden gibt es zum Beispiel in der Bahnhofsmission Freiburg (am Hauptbahnhof), im Freiburger Essenstreff, in der Wärmestube und im Mehrgenerationenhaus in Weingarten.