Digitale Events in Corona-Zeiten
Wir alle vermissen sie: Lesungen, Konzerte, Theaterstücke, Buchmessen und alles, was das kulturelle Leben sonst zu bieten hat. Doch für Hoffnungslosigkeit ist nicht die Zeit, denn einige spannende und inspirierende Events laufen auch digital. uniCROSS-Redaktionsmitglieder geben ihre besten Tipps an euch weiter.
Wohnzimmer-Lesungen
Eigentlich würde man sich jetzt an einer improvisierten Bar in einem Dachbodenzimmer ein Bier holen, um sich dann eingekeilt zwischen einem Haufen von Menschen auf dem Boden niederzulassen, wenn man schon gedacht hätte, dass niemand mehr dorthin passt. Nur ein paar Meter entfernt – denn wirklich groß sind Freiburger WG-Zimmer selten – würde ein*e Autor*in auf einem abgeranzten Sofa sitzen und aus ihrem neuen Buch vorlesen. Am Ende würde man noch einen Haufen Obst aufgedrückt bekommen, alles von Foodsharing, nehmt so viel, wie ihr könnt!
Die zwischen/miete, eine unabhängige Freiburger Lesereihe von Studierenden, lädt normalerweise junge Autor*innen in WGs ein, um mit einer*m Moderator*in und dem Publikum über ihre Bücher zu sprechen. Das gemütliche Beisammensein ist digital eher schwierig, der literarische Austausch aber kann auch online stattfinden.
Am 15.1.2021 wäre die Autorin Ronya Othmann mit ihrem Roman „Die Sommer“ nach Freiburg gekommen, stattdessen wurde sie über eine Leinwand im Literaturhaus eingeblendet, wo die Moderatorin in einem mit bunten Decken und Lichterketten dekorierten Raum saß. Fragen konnten die Zuschauer*innen am Ende über Instagram stellen.
Eine Lesung über einen Livestream anzugucken, ist natürlich nicht dasselbe, als würde man in einem Raum voller literaturbegeisterter Menschen sitzen und könnte im Anschluss vielleicht sogar die*den Autor*in beim Rauchen abpassen und kurz ins Gespräch kommen. Aber Ronya Othmann, statt in einem fremden WG-Zimmer, in ihrem eigenen Wohnzimmer vor einem als Hintergrund drapierten weißen Vorhang zu sehen, hat ebenfalls etwas Nahbares und Persönliches. Und meine Sitzposition nach Lust und Laune verändern zu können, ohne gleich fünf Personen anzurempeln, ist auch nicht schlecht.
Wann und mit wem die nächste Lesung der zwischen/miete stattfinden wird, wird noch bekannt gegeben. Auch das Literaturhaus veranstaltet Lesungen über einen Livestream. Bei beiden lohnt es sich hereinzuschauen. Schon alleine, damit es, sobald es wieder möglich ist, weiterhin Lesungen in engen Wohnzimmern geben kann.
Zu den Lesungen des Literaturhauses geht es hier: www.literaturhaus-freiburg.de, die zwischen/miete findet man hier: www.facebook.com/zwischenmiete
Emma Rotermund
Konzert: Silverstein – Out of the world series
Die Post-Hardcore-Band Silverstein ist für mich ein positiver Teil meiner Jugend. Ihre Mischung aus härteren und melodischen Liedern bietet meiner Meinung nach für jede Stimmungslage den passenden Song mit Ohrwurmpotential.
Umso trauriger war ich, als ihre Tour letztes Jahr abgesagt werden musste.
Und obwohl die ersten Bands schon länger kreativ wurden und ihre Fans online unterhielten, stand ich solchen virtuellen Veranstaltungen zunächst skeptisch gegenüber. Allein in einem Zimmer hocken und sich genau von welcher Stimmung rund um einen herum anstecken lassen? Das war doch absurd!
Doch es ist an der Zeit, meine Griesgrämigkeit abzulegen und für neue Erfahrungen offen zu sein. Außerdem möchte ich einer meiner Lieblingsbands auch während Corona unterstützen, damit ich eines Tages wieder die Möglichkeit bekomme, diese live zu sehen.
Deswegen hier mein Tipp: Silverstein gehen virtuell auf Tour. Der Name ihrer digitalen Konzertserie ist Out of the world, was die derzeitige Lage der ganzen Welt wohl passend betitelt. Im Gepäck sind drei Livestreams mit einem jeweils exklusiven Programm. Und als eingefleischter Fan habe ich allein bei den Titeln eine ungefähre Idee, worum es gehen könnte.
Ihr erster Stream findet bereits am 6. Februar 2021 statt und heißt Episode 1: Greatest Hits.
Da die Post-Hardcore-Band bereits im Jahre 2000 gegründet wurde und eine Vielzahl an Alben existieren, ist es für Neulinge bestimmt schwer sich zurechtzufinden. Wer durch diesen Artikel die Band also erst entdeckt hat, dem empfehle ich sich die zwei Best-Of-Album Redux I: The First Ten years und Redux II anzuhören, in dem sie ihre bekanntesten Songs re-recorded haben.
Der zweite Stream am 13. Februar 2021 heißt Episode 2: Discovering the waterfront. Präsentiert werden die Songs vom gleichnamigen Album, welches 2005 veröffentlicht wurde.
Der dritte und letzte Stream der Serie Episode 3: Acoustic & Unplugged findet am 20. Februar 2021 statt. Wie sein Titel bereits vermuten lässt, ist das letzte Konzert etwas für Fans von ruhigerer, melodischerer Musik.
Ich für meinen Teil habe bereits die Tickets für Episode 2: Discovering the waterfront erworben. Das Album dieser Episode hat meinen heutigen Musikgeschmack entscheidend geprägt und ruft in meinem Herzen genügend Nostalgie wieder wach, um diese neue Erfahrung zu wagen. Ja, ich bin wirklich gespannt auf mein erstes Konzert vom Sofa aus. Der Preis von 15 Dollar scheint zudem auf den ersten Blick erschwinglich zu sein, und da es erst um 23 Uhr anfängt, wäre ich um Zeit ohnehin nirgendwo anders als im Internet gewesen.
Hier geht’s zum Event: silversteinstore.com
Natascha Tez
Buchmessen
Bücher finde ich toll, doch von den Buchmessen bekam ich in vergangenen Jahren immer erst durch die Berichterstattung in der Tagesschau statt. Wenn es euch so geht wie mir, ist dieser Reminder für euch: Auch 2021 könnt ihr euch auf die großen Buchmessen freuen – ob sie offline oder digital stattfinden, kann wohl nicht einmal die beste SciFi-Autorin mit Sicherheit vorhersagen. Dank ihrer Hygienekonzepte sind die Präsenz-Messen genehmigt, Besucher*innen sollten die Entwicklungen jedoch im Auge behalten.
Frankfurter Buchmesse: 20. – 24. Oktober 2021
Die größte Buchmesse der Welt steht vom 20. bis 24. Oktober in Frankfurt an. Im Pandemiejahr 2020 fand diese Messe ausschließlich digital statt und auch in diesem Jahr können Besucher*innen Lesungen und Podiumsdiskussionen sowohl live als auch in erprobten Online-Formaten verfolgen. Unter dem Motto „Singular Plurality/Singulier Pluriel“ wird der Ehrengast Kanada mit seinen englischen, französischen und indigenen Stimmen begrüßt.
Hier geht’s zum Event: www.buchmesse.de
Die Online-Buchmesse: 03. – 07. November 2021
Wem das Bangen um die Präsenz-Messen zu nervenaufreibend ist, dem wird diese Option gefallen: Die Online-Buchmesse findet schon seit 2018 ausschließlich digital statt – und das mit zunehmendem Erfolg. Ein moderiertes Live-Programm und Lesungen auf dem YouTube Kanal, eine virtuelle Messehalle sowie ein breites Social-Media Programm unter dem Hashtag #OBM erlaubt es Besucher*innen, mit Aussteller*innen zu interagieren. Wartezeiten und Gedrängel gab es hier noch nie, stattdessen vielversprechende junge Autor*innen und ein zukunftsfähiges Konzept.
Hier geht’s zum Event: www.onlinebuchmesse.de
Henrike Üffing
Theaterstück: Die Pest – Albert Camus
Darf ich vorstellen, die Antwort für verzweifelte, durstende Kulturmissende: dringeblieben!
Nein, es ist nicht der Schrei des Nachbarn, während du in abendlicher Grenzstunde um 20 Uhr spazieren gehst. Es ist vielmehr eine Streaming-Website mit schier endlosem Angebot an Theaterstücken, Lesungen, Konzerten, DJ-Sets und und und. Sie unterstützt die gebeutelte Kulturbranche und steht in Zusammenarbeit zu einem Großteil von deutschsprachigen Kultureinrichtungen. Oftmals können Supporttickets oder Solitaritätsbeiträge für einzelne Events erschwungen und beigesteuert werden.
Hier ein bevorstehendes Event: Albert Camus‘ Meisterwerk aus dem Jahr 1947 Die Pest in der theatralischen Fassung von András Dömötör und Enikő Deés. Alles vorgeführt im Deutschen Theater Berlin. Das Stück handelt von der algerischen Küstenstadt Oran, die auf unerklärliche Weise von der grausamen Pest heimgesucht wird. Der Notstand wird ausgerufen, die Stadt abgeriegelt, alle Verbindung zur Außenwelt gekappt. Blitzschnell wird sie zum Mikrokosmos einer Gesellschaft, die in der Krise steht. Nicht nur Krise für die vielen Angehörigen, deren Verwandten sterben, nicht nur Krise für den Frieden einer ganzen Stadt, sondern auch eine tiefe Sinneskrise, in der die Willkür des menschlichen Leidens ihren Platz findet und die zentrale Frage aufwirft: Was bloß tun?
Klingt alles bekannt? Ja, ganz richtig: Kaum ein anderes Werk scheint heute so aktuell wie Die Pest. Wer sich darauf einlässt wird die Corona-Pandemie in einem anderen Licht wiedererkennen. Und das geht zum Glück noch zuhause zusammen mit Tee, Snacks und einer guten Tat für die Kulturszene.
Der Stream ist vom 1. bis 14. Februar 2021 verfügbar und dauert circa eine Stunde. Unterstützer-Tickets sind ab dem 27. Januar verfügbar.
Hier geht’s zum Event: dringeblieben.de/videos/die-pest
Leon Waldmann