Seit Mittwoch, 8.11.2023, ist der Rathausplatz leer, nichts ist mehr zu sehen vom Klimacamp. Vielmehr zieren den Boden weiße Farbmarkierungen, welche die Positionen der kommenden Weihnachtsmarktstände anzeigen.

Nach einem langen Hin-und-Her könnte das das Ende des Camps bedeuten, das im Sommer 2022 auf dem Rathausplatz seine Zelte bezog.

„Noch ist offen, wie es nach dem Weihnachtsmarkt weitergeht“, sagt Angelika Mielitz, Sprecherin des Klimacamps. Das Klimacamp habe vor allem auf den 8. November, der Tag der drohenden Räumung, hingearbeitet und müsse sich jetzt gut absprechen. Eine Umorientierung der Protestform stehe ebenso im Raum, wie die Rückkehr auf den Rathausplatz nach Ende des Weihnachtsmarkts.

Noch bis zum Mittwochmorgen war unter den Beteiligten nicht klar, ob die Räumung des Camps ohne Zwischenfälle ablaufen würde. Sowohl Angelika Mielitz als auch Sebastian Wolfrum, Sprecher der Stadt Freiburg, gaben an, dass im mit verschiedenen Szenarien des Protests gerechnet worden sei. Angelika Mielitz wollte dabei im Vorfeld keine Vorhersage für die Entscheidung von einzelnen Personen treffen. Doch neben ein paar Aktivist*innen, welche die letzte Nacht vor Ort verbracht und ohne Zwischenfälle am Morgen den Platz verlassen hatten, sei die Stadt sehr erfreut gewesen, dass der Abbau zuverlässig vonstattengegangen und der Platz „besenrein“ übergeben worden sei, wie Sebastian Wolfrum ergänzt.

Voraus ging ein monatelanges Ringen um eine Einigung, die schlussendlich Anfang November 2023 durch das Verwaltungsgericht Freiburg entschieden werden musste. Eine Auseinandersetzung, die große mediale Wellen schlug, unter anderen berichteten DIE ZEIT, Süddeutsche, ntv, Stern, SWR, Stuttgart Zeitung und Stuttgart Nachrichten über die Lage auf dem Rathausplatz.

Bereits letztes Jahr wurde das Klimacamp von der Stadt zu einem Umzug für die Zeit des Weihnachtsmarktes aufgefordert, mit der Begründung, den Marktbeschickern die Stände zu ermöglichen und um das Sicherheits- und Brandschutzkonzept gewährleisten zu können. Das Klimacamp akzeptierte und zog in den Stadtgarten, war jedoch auf dem Weihnachtsmarkt mit einem eigenen Infostand vertreten.

Dieses Jahr hingegen wollte das Klimacamp nicht den gleichen Weg gehen, sondern forderte einen Platz auf der Rempartstraße. Diese sollte für den Verkehr gesperrt werden, um so für eine autofreie Stadt einzustehen. Die Rempartstraße autofrei zu gestalten, fordern seit Jahren auch andere Freiburger Initiativen, wie der Fuß- und Radentscheid Freiburg, Students for Future, Fridays for Future, Klimacamp und Greenpeace Freiburg.

Die Stadt lehnte das Aufstellen des Camps an diesem Standort mit Verweis auf das Verkehrsaufkommen in der Rempartstraße in der Weihnachtszeit ab. Alternativ bot die Stadt den Aktivist*innen an, das Camp auf dem Platz der Alten Synagoge oder dem Stühlinger Rathaus aufzustellen, verbunden mit der Möglichkeit eines Stands auf dem Weihnachtsmarkt, sowie Hilfe beim Umzug der Zelte.

Die Gesprächsrunden verliefen ohne Ergebnis, woraufhin die Stadt Freiburg im August 2023 zwei Verfügungen erließ. Nummer eins sah die temporäre Räumung des Klimacamps für den Zeitraum des Weihnachtsmarkts vom 8.11. – 25.12.2023 vor, Nummer zwei forderte anschließend eine Verkleinerung des Camps auf zwei Zelte unter Aufgabe des Materialzelts und des Veranstaltungszelts.

Gegen diese erste Verfügung erhoben die Aktivist*innen Einspruch, welcher in der Stellungnahme des Verwaltungsgerichts vom 2.11.2023 abgelehnt wurde.

Hintergrund

Das Klimacamp ist als Versammlung angemeldet, es unterliegt also der Versammlungsfreiheit, die im Grundgesetz festgesetzt ist. Der angemeldete Zeitraum läuft bis 2035. Um das legale Fortbestehen der Versammlung zu gewährleisten, müssen immer mindestens zwei Personen anwesend sein. Der Entzug, beziehungsweise temporäre Entzug der Versammlungsanmeldung kann erfolgen, „wenn mindestens gleichwertige Rechte entgegenstehen“, wie es in der ersten Verfügung formuliert ist. Hinzu komme, dass „die Rechte Dritter und öffentliche Belange“ bei der Abwägung stärker zu berücksichtigen seien, je länger eine Versammlung von einer Gruppe abgehalten wird.

Diese Rechte sieht die Stadt durch das Interesse der Bürger*innenschaft an einem Weihnachtsmarkt anstelle und an der Stelle der angemeldeten Versammlung durch das Klimacamp gegeben.

Das Verwaltungsgericht griff in ihrer Stellungnahme am 2. November 2023 im Besonderen heraus, dass aufgrund der Versammlungsanmeldung für die nächsten 12 Jahre ein temporärer Entzug keinem Verbot gleichkäme sowie „mit zunehmender Dauer der Versammlung das Gewicht anderer Nutzungsinteressen“ zunehme, „da öffentliche Verkehrsflächen dem Nutzen aller dienten.“

Einen Einspruch gegen die zweite Verfügung werde es vonseiten der Mitglieder des Klimacamps nicht geben, wie Angelika Mielitz angibt.

Oberbürgermeister Martin Horn bemängelte in mehreren Stellungnahmen die fehlende Bereitschaft zu einer gemeinsamen Lösung und bedauerte, dass die Aktivist*innen „all die Zeit und Kraft anstatt in ein Gegeneinander auch in konkrete Klimaprojekte investieren hätten können“.

Genau die Gespräche um konstruktive Klimapolitik wiederum vermisst das Klimacamp. „Mit der Stadt sind nur Gespräche zustande gekommen, die um Formalien gingen, es ging nie um unsere Forderungen“, sagt Angelika Mielitz. Sie habe das Gefühl gehabt, „dass die Stadt keine Angebote gemacht hat, die ernst gemeint sind und vor allem keine Gesprächsangebote über Inhaltliches.“

Hinzu komme die Enttäuschung über den Kompromiss im letzten Jahr. Der Umzug habe enorm viel Kraft gekostet, die durchgängige Belegung des Camps in den Wintermonaten an einem Ort mit wenig Aufmerksamkeit und Gesprächsmöglichkeiten habe zudem viele Ressourcen gekostet, die eigentlich in öffentlichkeitswirksam Meinungsäußerung hätten fließen sollen.

So entschied das Klimacamp, dass der Rathausplatz zentral für die Umsetzung des Protests und die Alternative nur eine Verlegung des Camps auf die Rempartstraße sei. Damit ging das Klimacamp eine Alles-oder-nichts-Position ein, in der die eigenen Kapazitäten, genauso wie die potenzielle mediale Reichweite eingerechnet wurde.

Protest sei dann besonders wirksam, wenn er Aufmerksamkeit bekomme, sagt Angelika Mielitz. „Diese Öffentlichkeit bekommt man vor allem, wenn es einen Konflikt gibt. Natürlich wäre es auch schön, wenn in der Presse mehr berichtet würde, wenn es keinem Konflikt gibt.“ Auch Sebastian Wolfrum sieht die Protest-Taktik des Klimacamps. „Themen zu setzen, geht natürlich besonders gut, wenn man sich an jemandem reiben kann. Das war zunächst die Stadt und wurde dann mehr und mehr personalisiert auf Oberbürgermeister Martin Horn“. Das Klimacamp habe es auf jeden Fall geschafft, mit einem kleinen Team große Aufmerksamkeit zu erregen.

Für die Zeit des Weihnachtsmarkts wird es nun keine Präsenz des Klimacamps geben. Sebastian Wolfrum bestätigt, dass auch ein Stand auf dem Weihnachtsmarkt vom Tisch sei. Die Frage, ob und in welcher Form der Protest danach weitergehe, werde nun ganz neu angegangen, sagt Angelika Mielitz. Wichtig sei vor allem, „dass die Bewegung weiterlebt, egal ob mit Camp oder ohne“.