Hallo Jules, das letzte Mal waren wir im Sommer bei euch im Camp. Jetzt ist es ganz schön kalt hier. Was hat sich seit dem Sommer im Klimacamp verändert?
Viel. Die größte Veränderung ist der Standort. Wir sind nicht mehr am Rathausplatz, sondern im Stadtgarten. Auf dem Rathausplatz ist jetzt der Weihnachtsmarkt, deswegen mussten wir weichen. Allerdings haben wir auf dem Weihnachtsmarkt einen eigenen Stand, durch den das Klimacamp dort auch weiterhin vertreten ist und die Stellung hält. Der Stand wird teilweise von uns betrieben, teilweise vergeben wir die Schichten an andere Organisationen. Denn das Klimacamp ist ein Bündnis aus ganz vielen verschiedenen Organisationen. Wir wollen mit dem Infostand diesen Gruppierungen eine Bühne bieten und ihnen die Möglichkeit geben, sich zu präsentieren.
Die zweite Sache, die sich verändert hat, sind die Temperaturen. Es ist Winter geworden. Dadurch sind wir einfach nicht mehr der Lebensmittelpunkt der vielen Engagierten, der hat sich sehr nach innen verschoben. Die Tage werden kürzer, und das wirkt sich auch auf den Alltag im Camp aus. Im Sommer hatten wir immer ganz viel Programm, tagsüber waren viele Leute da, der Schichtplan musste nicht strikt eingeteilt werden, sondern es haben sich immer schnell Leute gefunden. Das ist mittlerweile nicht mehr so. Das Klimacamp ist ruhiger geworden, wodurch wir auch größere Probleme haben, den Schichtplan zu füllen. Im Winter ist es schon eine größere Überwindung als im Sommer, abends nochmal in die Stadt zu fahren, um eine Schicht zu übernehmen, weil es kalt und dunkel ist. Wir merken hier echt die Jahreszeit.
Aber wir sind trotzdem weiterhin hier, mir machen die Schichten weiterhin Spaß und ich finde den Ort wunderschön. Im Sommer hat mir das Klimacamp auch Spaß gemacht, aber man hat viel mehr gemerkt, dass es Aktivismus ist. Und jetzt ist es eher ein Ort für eine Auszeit. Das bedeutet, ich gehe hier ins Camp und verbringe zwei Stunden in der Natur. Ganz oft mache ich das mit Freund*innen, wir trinken ein Käffchen und mummeln uns in Decken ein.
Wie haben sich diese Veränderungen auf die Menschen ausgewirkt, die bei euch vorbeikommen?
Es sind weniger geworden. Aber auch das liegt an der Jahreszeit, weil weniger Menschen abseits vom Weihnachtsmarkt durch die Stadt bummeln. Im Stadtgarten ist nicht so viel Publikumsverkehr. Auf dem alten Rathausplatz waren aber auch viele Tourist*innen. Die gibt es hier weniger. Die Leute, die hierherkommen, lassen sich eher Zeit für Gespräche. In zwei Stunden kommen so zwei bis drei Leute vorbei und mit denen quatschen wir dann.
Du hast erzählt, dass sowohl durch den Standortwechsel als auch durch die Jahreszeit eure Sichtbarkeit abgenommen hat. Hast du das Gefühl, ihr könnt eure Forderungen trotzdem noch erreichen und der Stadt gegenüber kommunizieren?
Ich denke, der Stadt gegenüber zeigen wir vor allem dadurch Präsenz, dass wir da sind. Und, dass wir zu einem gewissen Grad Verwaltungsaufwand sind. Die schauen auch regelmäßig nach, ob wir noch da sind. Das Schöne ist, dass wir so viele verschiedene Organisationen sind, die teilweise direkt an die Stadt herantreten. Unter anderem arbeiten wir aktuell zum Beispiel mit dem Klimaentscheid zusammen. Das heißt, die Teilnehmenden des Klimacamps sind sowieso im Austausch mit der Stadt.
Habt ihr das Gefühl, ihr werdet von der Stadt in euren Forderungen ernst genommen?
Wir sind immer wieder enttäuscht von dem Unterschied zwischen dem Image von Freiburg als Green City und den tatsächlichen Handlungen der Stadt. Wir sind an einem Punkt, an dem Klimagerechtigkeit bei jeder einzelnen Entscheidung vor allem von Regierungen mitgedacht werden muss. Das wird es in Freiburg nicht. Das spiegelt sich auch in der Kommunikation mit dem Klimacamp wider.
Nach Anmeldung des Camps war für die Stadt zum Beispiel klar, dass wir für den Weihnachtsmarkt den Rathausplatz verlassen müssen. Die Klimakrise ist aber so wichtig, dass sie früher oder später Platz einnehmen wird. Auch jetzt befasst sich mindestens ein Stand auf dem Weihnachtsmarkt mit Klimagerechtigkeit. Wir würden uns wünschen, dass die Stadt mehr auf uns zukommen würde. Stattdessen bekommen wir Auflagen, wie zum Beispiel Sofas in die Zelte zu stellen und keine Blumentöpfe im Camp zu lassen.
Was ist der aktuelle Stand eurer Forderungen?
Leider haben wir unsere Forderungen noch nicht erreicht. Das ist die schlechte Nachricht. Unsere Forderungen sind auf vielen verschiedenen Ebenen und wir möchten vor allem öffentlich zeigen, was es für coole Ansätze zur Verbesserung geben könnte. Klimagerechtigkeit und die Klimakrise ist ein Problem für die gesamte Staatengemeinschaft, das bedeutet aber nicht, dass sich die Stadt Freiburg da nicht angesprochen fühlen muss.
Eine konkrete Forderung von euch war der Baustopp des Freiburger Stadttunnels. Wie sieht es damit aus?
Wir hoffen, dass wir Druck ausüben und die Stadt uns da auch hört. Bisher hat sich da leider noch nichts Konkretes entwickelt. Gerade beim Stadttunnel sind wir sehr schockiert, weil das eine Sache ist, die schon sehr lange in der Planung ist und es klar ist, dass der Tunnel keinen Sinn ergibt. Überall reden wir über Mobilitätswende und davon, dass wir öffentliche Verkehrsmittel und Infrastruktur ausbauen wollen. Jetzt für Millionen von Euro eine neue Autobahn zu bauen, kann nicht die Lösung sein. Wer Straßen sät, will Autos ernten und wir wollen keine Autos ernten!
Zudem sind wir nicht die ersten, die das sagen. Es gibt schon lange Initiativen in Freiburg, die ganz klar gegen den Stadttunnel sind. Leider ist er aber weiterhin in der Planung. Wir weisen am Infostand immer wieder darauf hin und geben Flyer aus. In unserer Bubble ist das alles zwar angekommen, aber an anderer Stelle wird der Tunnel immer noch für eine gute Idee gehalten. Da ist es unsere Aufgabe als Klimacamp, Sichtbarkeit zu zeigen und Leute darauf hinzuweisen.
Gerade ist es sehr kalt. Was sind eure Strategien gegen die Kälte?
Wir haben Decken und auf dem Boden haben wir überall Paletten ausgelegt, die gut isolieren. Wir haben auch einen Teppich drunter gelegt und wenn wir den Windschutz der Zelte benutzen, ist es in Ordnung.
Wir haben unsere Solaranlage und wenn die Sonne scheint, können wir auch Tee kochen. Vor allem aber bekommen wir ganz viel Unterstützung. Oft erzählen uns Leute, dass sie selber leider nicht die Kapazität haben, um Schichten zu übernehmen. Neulich hat uns eine Gruppe heißen Tee vorbeigebracht, auch Kuchen hilft gegen Kälte. Ein anderes Mal hat uns eine Dame Mützen gestrickt. Außerdem haben wir Solischlafsäcke, wenn Menschen hier schlafen wollen, die selber keine guten haben. Auch Gemeinschaft, Durchhaltevermögen und das Wissen, dass wir was Gutes und Wichtiges tun, tragen zur Wärme bei.
Was sind denn eure aktuellen Herausforderungen?
Unser Schichtplan ist auf jeden Fall eine Herausforderung. Wir brauchen einfach mehr Leute, die Lust haben, eine Schicht zu übernehmen. Außerhalb des Trubels Platz zu nehmen, zur Ruhe zu kommen und dann auch noch was Gutes zu tun.
Eine weitere unserer großen Herausforderungen im Moment ist, die Feiertage zu füllen. 24/ 7 heißt auch, dass am 24. Dezember abends hier jemand sein muss. Das ist noch offen. Da sammeln wir viele Ideen, wie wir das in naher Zukunft lösen können.
Ansonsten kommen wir bald ins Radio. Das Radio Dreyeckland gibt uns einmal im Monat eine Stunde Sendezeit. Das ist cool und macht Spaß, ist aber natürlich auch eine Herausforderung.
Wenn nicht so viele Leute mitmachen, sinkt da nicht die Motivation?
Das ist von Person zu Person unterschiedlich. Ich glaube, die Motivation ist gleich geblieben oder sogar noch größer geworden. Wenn wir die Motivation nicht hätten, dann säßen wir gerade nicht hier. Es ist kalt und dunkel, ich muss eigentlich Sachen für die Uni machen.
Und wie lange seid ihr jetzt noch hier im Stadtgarten?
Das genaue Datum ist nicht sicher. Wir reden auf jeden Fall noch mit den Leuten, die gerade viele Schichten übernehmen. Es ist aber relativ klar, dass wir wieder auf den Rathausplatz wollen.