Abgeschottete Freiheit

 Ich habe lange meinem 18. Geburtstag entgegen gefiebert – bereit, endlich aus dem Alltag in meiner katholischen Klosterschule auszubrechen. Gefeiert habe ich drei Tage vor dem ersten Lockdown: Bereits leere Straßen in Bonn, erste Absagen von Freundinnen aus Angst, sich anzustecken. Ich hielt die Vorsicht für übertrieben. Nach meiner ersten rauschenden Feier in einer Kneipe verabschiedete ich meine Freund*innen mit einem Augenzwinkern: „Bis in zwei Wochen!“ Daraus wurde dann ja nichts.

Stattdessen kamen Zoom-Unterricht, Einsamkeit als Einzelkind und die Angst, all das zu verpassen, worauf ich so lange gewartet hatte: In eine andere Stadt ziehen, mein Traumfach studieren, das Leben feiern. Keine Mottowoche, kein Abiball. Stattdessen Bossa Nova auf den Ohren beim Lernen im Garten meiner Eltern und lange Spaziergänge am Rhein. Und irgendwann: Prüfungen mit selbst genähter Stoffmaske, Wegweisungspfeile auf dem Boden, eine Freiluft-Zeugnisverleihung – und dann gingen alle getrennte Wege.

Alina Schmidt

Jenseits der Grenze

Ich hatte gerade meine Masterarbeit begonnen, als das Thema „Coronapandemie“ in Deutschland ernst wurde. Dann ging alles sehr schnell. Ich war freitags noch im Labor, als ein Arbeitskollege mir sagte, die Uni habe beschlossen, auf unbestimmte Zeit zu schließen. Also bin ich spontan übers Wochenende zu meiner Familie nach Luxemburg gefahren. Sonntagabend hat Deutschland dann die Grenzen zu seinen Nachbarländern geschlossen – unangekündigt. Ich habe erst Montagmorgen in den Nachrichten davon erfahren. Da saß ich also hinter einer verschlossenen Grenze 300 Kilometer entfernt von Freiburg, und sollte doch eigentlich gerade für meinen Masterabschluss im Labor stehen.

Michelle Modert

Schulfrei!

Als die Corona Pandemie 2020 in Deutschland ausbrach, ging ich gerade in die 10. Klasse. Ich erinnere mich noch genau daran, wie ich Mitte März gebannt vor dem Fernseher saß. Dort sollte die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel nach einer Konferenz gleich verkünden, was die letzten Tage nur als Gerücht galt: Schulschließungen. Ich weiß noch, wie ich auf Snapchat ein Foto von Merkel mit meinen Freunden teilte und dazu schrieb: ,,Bitte gönn Ferien‘‘. Kurz darauf war es offiziell. Die Freude bei mir und meinen Freunden war riesig. Diese erste Welle der Euphorie sollte in den nächsten Monaten jedoch schnell einer Ernüchterung über immer schärfere Kontaktbeschränkungen weichen – ohne dass ein frühzeitiges Ende der Pandemie in Sicht war.

Till Kemmerling

Freitag der 13.

Ich erinnere mich noch genau an den Tag, an dem in Bayern die Schulen geschlossen wurden. Auch wenn ich gar nicht abergläubisch bin, wird mir dieser Freitag, der 13. März, wohl noch lange in Erinnerung bleiben. An diesem Tag haben wir eine Deutschschulaufgabe geschrieben: Eine Dramenanalyse zu Nathan der Weise. Mitten im Schreiben erklang die Durchsage, dass das bayerische Ministerium angeordnet hatte, dass die Schulen nun geschlossen werden und wir nach Hause gehen müssen. Im Klassenzimmer ging das Getöse los. Einige Jungs sprangen auf, riefen laut aus dem Fenster „Juhu, die Schule fällt aus!“, auf dem Gang hörte man Getrampel und Gedränge. Die Schulaufgabenblätter gaben wir halb beschrieben ab. Im Bus nach Hause wusste niemand so recht, ob wir uns nun freuen oder verunsichert sein sollten.

Leonie Stoffels

Von Strand und Bachata zurück nach Deutschland

Von pura vida ab in die Isolation: So begann mein Frühjahr 2020 nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie. Denn für mich endete damit verfrüht etwa zur Halbzeit mein FSJ in Costa Rica.

Nachdem die Fallzahlen im Februar und März auf einmal rapide zugenommen hatten, wurden auch in Costa Rica von einem Tag auf den nächsten alle Einrichtungen, inklusive meiner Arbeitsstelle, geschlossen. Kurz danach erhielt ich die befürchtete Mail: „Alle Freiwilligen müssen leider heim, das Ticket für den Rückflug findet ihr im Anhang“. Danach blieben wenige Tage, um mich von meinen neuen Freunden und dem bunten Leben dort zu verabschieden.

Die Monate nach der Rückkehr nach Deutschland habe ich als still, bedrückend und hilflos erlebt – nicht zuletzt durch den starken Kontrast zu den Monaten zuvor. Das Gefühl von Normalität kam so richtig erst wieder durch meinen Umzug nach Freiburg und dem Beginn meines Studiums auf. Rückblickend bin ich dankbar für die Monate, die ich vor Corona noch in Costa Rica erleben durfte und weiß, dass das ein ziemliches Privileg war – auch wenn ich mir die Rückkehr nach Deutschland etwas sanfter vorgestellt hatte.

Sophia Messingschlager

Das ist doch realitätsfern

China ist weit weg, ein Gedanke, mit dem ich kurz vor Beginn der Pandemie sicher nicht allein war. Doch dass Globalisierung so nicht funktioniert, wurde uns allen schnell und schmerzlich bewusst.

Wie viele anderen lauschte ich mit Sorge den Nachrichten über die sich mehrenden Corona-Fälle in Deutschland und trug selbstgenähte Masken. Auf dem Weg zur Schule – als sie noch offen war – machte ich ein Foto von der brandneuen Absperrung des Fahrerraums im Bus, es wirkte wie ein wichtiger Moment.

Wenn ich auf den Beginn zurückblicke, muss ich noch etwas weiter in der Zeit zurückgehen, um zu sehen, wie absurd die Situation doch für mein jüngeres Ich war. Denn hätte mir jemand eine Pandemie ein Jahr vor deren Beginn prophezeit, hätte ich vermutlich gelacht und alles für eine wirre Fantasterei gehalten. Vermutlich wäre mir eine sich weltweit ausbreitende Krankheit, die das gewohnte Leben lahmlegt, als zu weit von der Realität entfernt erschienen.

Katharina Sickinger

Zwischen Grenzbalken und Instagram-Loop

Ich ging damals in Frankreich zur Schule, mitten im Prüfungsstress, mitten in der Unsicherheit. Ich hatte gerade erst vom Virus gehört, da erklärte meine Freundin Camille am 6. März 2020: „Hört auf zu lernen – am Montag geht eh niemand mehr zur Schule.“ Wir lachten, lernten weiter fürs Abi, aber sie hatte natürlich recht. Kurz darauf wurden die Grenzen dichtgemacht und das confinement verhängt – man durfte in Frankreich nur noch 60 Minuten täglich raus mit unterschriebener Eigenbescheinigung, als wäre man sein eigener Justizvollzugsbeamter. Die Polizei patrouillierte wie in einem dystopischen Baguette-Western.

In dieser Isolation entwickelte ich eine tiefe Faszination für Desperate Housewives-Ikone Teri Hatcher, die sich zu Beginn der Pandemie einen Ganzkörperanzug für Erwachsene zulegte – einen Body, wie man ihn eigentlich nur von Babys kennt, nur eben in groß. Da es sonst nichts zu tun gab, schaute ich mir das Instagram-Reel 187 Mal an. (Ja, ich habe mitgezählt.)

Battista Krämer

Ausgeflogen

Nie zuvor war ich in einem so leeren Flugzeug gesessen: Der Beginn der Pandemie bedeutete für mich den abrupten Abbruch meines Auslandsjahres in Irland und eine frühzeitige Rückkehr nach Deutschland. Mit mir waren etwa noch sieben andere Passagiere eingestiegen, doch von meinem Sitzplatz aus sah ich sie nicht mehr – ich hätte genauso gut alleine über den Wolken schweben können.

Die blaue OP-Maske, die ich mir extra noch besorgt hatte, hätte ich wieder in meiner Tasche verschwinden lassen können. Am Gate habe ich sie das erste Mal aufgezogen – zum Ausprobieren, wie das jetzt so ist. Schon nach wenigen Minuten hatte ich das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen.

Als ich schließlich in München landete, war der Flughafen wie ausgestorben. Außer den Beamten am Zoll begegnete ich niemandem in den langen Gängen. Ich hörte den Hall meiner Schritte und war mir nicht sicher, ob der Schrecken damit zu Ende ist oder ob es gerade erst angefangen hat.

Milena Tries

Alles neu

Als die Pandemie anfing, war ich gerade als Au-pair in Amerika. Ich war also in einem fremden Land, bei einer neuen Familie und ohne meine Freunde vor Ort. Schon nach kurzer Zeit hieß es plötzlich, dass man das Haus nicht mehr verlassen dürfe und ich wurde direkt richtig krank. Wir hatten damals noch keine Schnelltests, aber es war vermutlich COVID. Das war für mich keine einfache Zeit – ich war einsam und auch ziemlich verunsichert. Zum Glück wurden die Schutzmaßnahmen immer wieder evaluiert und im Sommer konnte ich sehr viel Zeit mit Freunden verbringen. Wir waren fast immer draußen unterwegs und viel am Wasser. So war meine Zeit in Amerika zwar von COVID geprägt, es war aber auch eine echt schöne Zeit.

Marie Möbius

Was ist denn „Corona“?

Ich weiß noch, wie ich als 17-Jährige über eine Epidemie namens “Corona” auf der BBC News-Website las. Damals kannte ich nicht mal die Biermarke Corona. Ich war mit meiner Klasse auf einer Skifahrt in Österreich und hatte mich nicht weiter mit dem Thema befasst, von dem ich 7.000 Kilometer (und einige Höhenmeter) entfernt war. Nie hätte ich mir gedacht, dass ich meine Schulkamerad*innen, mit denen ich einen Reisebus, einen Skilift, zum Teil sogar ein Schlafzimmer geteilt habe, zwei Monate später nur noch als Stimmen in einem Teams-Meeting hören würde. Erst als uns die Klassenlehrerin mitteilte, dass ein Mitschüler positiv auf Corona getestet wurde, wurde mir klar, dass sich mein Leben drastisch verändern würde.

Emily McHugh

„An diesen Moment werdet ihr euch noch lange erinnern“

Im Französisch-Unterricht ertönte plötzlich eine Lautsprecherdurchsage. Ich war in der Abi-Klasse und wir übten gerade für die mündliche Kommunikationsprüfung. Es hatte etwas sehr Bizarres, dass alle Schüler*innen, die in den vorhergegangenen Fasnachtsferien in Südtirol in den Skiferien waren, ins Rektorat gerufen wurden. Wir lachten alle nervös und eine meiner Freundinnen stand auf und ging tatsächlich ins Rektorat. Als sie zurückkam, packte sie ihre Sachen zusammen und erklärte, dass sie nach Hause geschickt werde, weil Südtirol als Risikogebiet gelte.

Ich glaube, sie selbst konnte die absurde Situation auch nicht ganz verstehen und wir fühlten uns ein bisschen, als würden wir gerade Opfer eines Streichs werden. Während sie noch in der Tür stand, meinte meine Französischlehrerin: „Passt gut auf, an diesen Moment werdet ihr euch noch lange erinnern.“ Am darauffolgenden Montag war dann mein letzter „normaler“ Schultag meiner Schullaufbahn und der Lockdown begann.

Janka Deus

Schwarzwälder Kirschtorte im Corona-Lockdown

Wenn ich an die Anfangszeit der Pandemie denke, dann kommen mir weder das Jubeln in der Schule noch die einsamen Stunden in meinem Zimmer in den Sinn. Stattdessen ist es die Schwarzwälder Kirschtorte, der Lieblingskuchen meiner Mutter. Ein paar Wochen nach der Anordnung des ersten Lockdowns hatte ich diesen für ihren Geburtstag heimlich gebacken.

Wir waren hauptsächlich Zuhause oder gelegentlich im Wald spazieren, die Tage liefen alle relativ gleich ab. Deswegen war das kleine Projekt eine schöne Abwechslung und das Ergebnis war wunderbar: Es war nicht nur ein Kuchen, es war ein kleines Stück Normalität in der doch so unsicheren Zeit.

Nadine Bieber