Eine Statistik wird geboren
Volkszählung klingt erst mal nach biblischen Zeiten. Doch auch im 21. Jahrhundert will der Staat wissen, wie viele Menschen wo wohnen, um so Infrastruktur und Co. besser planen zu können. Mara Wippermann studiert Soziologie an der Uni Freiburg und führt Umfragen für den Zensus 2022 in Studierendenwohnheimen durch. UniCROSS hat sie erzählt, wie eine Befragung abläuft und was sie bisher erlebt hat.
Hallo Mara, du bist für den Zensus 2022 in Studierendenwohnheimen unterwegs und befragst Studierende. Was ist eigentlich der Zensus?
Der Zensus ist grundsätzlich eine Bevölkerungsbefragung und findet alle zehn Jahre statt. Die Befragung hat statistische Ziele. Es geht darum zu schauen, wie viele Einwohner*innen wir in Deutschland haben oder um Ziele für die kommunale Planung. Also beispielsweise auch wo Schulen oder andere Einrichtungen errichtet werden sollen. Es geht auch um so etwas wie das Bruttoinlandsprodukt, kurz BIP, also um das Pro-Kopf-Einkommen.
Alle zehn Jahre wird diese Statistik erhoben und dann eben auch geschaut, was sich verändert hat. Es geht dabei nicht darum festzustellen, wie viele Leute in den Städten gemeldet sind, sondern rauszufinden, wer tatsächlich da auch wohnt. Wir schreiben uns auch nicht auf, ob die Person hier gemeldet ist. Du kannst ja auch hier wohnen, aber bist noch bei deinen Eltern gemeldet. Wenn du hier wohnst, bist du ja auch auf die Infrastruktur und so weiter angewiesen.
Manchmal wohnen ja auch Leute irgendwo, wo sie vielleicht dem Gesetz nach gar nicht sein dürfen. Zum Beispiel wenn sie kein Visum mehr haben. Aber sowas überprüft ihr nicht?
Nein. Es geht wirklich nur um dieses statistische, ob jemand eine Weile hier wohnt. Und es geht uns nichts an, ob jemand gemeldet ist oder eben auch nicht. Beispielweise hat sich die Frage gestellt, wie das mit Geflüchteten aus der Ukraine ist, die in Haushalte mit aufgenommen wurden. Und da spielen dann bestimmte Zeiträume eine Rolle und wie lange jemand dann schon hier ist. Und wenn die Geflüchteten sagen, dass sie schon seit einigen Monaten da sind und auch für die nächste Zeit bleiben werden, dann werden sie mitgezählt. Weil sie eben hier wohnen.
Beim Zensus werden ja nicht alle Einwohner*innen befragt, sondern nur eine zufällige Auswahl getroffen. Warum ist das so?
Weil es sonst zu viel wäre. Das würden wir nicht schaffen. Es gibt extrem viele Leute, die befragt werden müssen. Es gibt drei Übergruppen: Die Haushalte, Wohnheime und Gemeinschaftsunterkünfte. Die Wohnheime zum Beispiel werden hier in Freiburg alle befragt. Bei den Haushalten gibt es aber nur Stichproben. Aber auch mit Stichproben kannst du einen ganz guten Durchschnittswert errechnen.
Ginge diese Befragung nicht auch einfach online? Wieso braucht es da einen „echten Menschen“, der an den Türen klingelt und die Befragungen durchführt?
Das weiß ich tatsächlich nicht. Aber ich könnte mir vorstellen, dass es einfach leichter ist. Das erste was wir beispielsweise machen, ist zu überprüfen, ob die Anschrift so wie sie notiert ist, auch vorhanden ist. Und dann gehen wir persönlich zu den Leuten hin, um sie zu unterstützen, wenn sie zum Beispiel Fragen haben.
Und wie läuft so eine Befragung dann normalerweise ab?
Ich kann diese Frage nur für die Wohnheime beantworten, da führen wir nämlich nur die kurze Befragung durch, also die Abfrage der Grunddaten. Coronabedingt kann die an der Tür statt finden, um die Befragung kontaktarm zu gestalten. Meistens dauert das pro Haushalt so fünf bis zehn Minuten.
Wurdest du in irgendeiner Weise auf die Befragungen vorbereitet?
Ja. Erst habe ich mich beworben und dann gab es ein Vorstellungsgespräch. Zunächst gab es viele Infos per Mail und dann eben auch eine Schulung.
Was hast du bisher für Reaktionen bei der Befragung erlebt?
Ich habe bisher nur Zustimmung erlebt. Dadurch, dass ich die Wohnheime befrage, muss ich ja auch nur die Grundfragen stellen. Ich kann mir vorstellen, dass man diese Informationen recht entspannt weiter gibt. Es läuft ja immer ähnlich ab. Erst wirft man eine Ankündigungskarte ein und einen Infoflyer. Und dann komme ich hin und sage, dass ich vom Zensus bin und kann mich dann ausweisen.
Gibt es eine Frage auf der Liste, die dich überrascht hat?
Was mich nicht überrascht hat aber wo mich die Reaktionen der Befragten überrascht haben war bei der Frage nach dem Geschlecht. Als ich die Frage zuerst gelesen habe, dachte ich schon, dass es kritisch sein könnte einfach nur nach dem Geschlecht zu fragen. Dann stand da aber extra noch dabei „nach Geburtenregister“. Da ist dann die Frage einfacher. Und uns wurde extra gesagt, geht bei dieser Frage nicht schon von einer bestimmten Antwort aus, sondern lest einfach alle Möglichkeiten vor.
Was sind da die Antwortmöglichkeiten?
Männlich, weiblich, divers, keine Angabe. Und eben das frage ich dann auch die Leute. Und dabei ist mir eben aufgefallen, dass die meisten darauf ganz perplex reagieren. Die meisten beantworten die Frage dann mit einem Lachen, wahrscheinlich fragen sie sich, ob ich das nicht selbst sehen kann. Aber genau das ist ja gerade der Punkt. Man soll nicht im Vorhinein davon ausgehen.
Im Vorgespräch hast du uns erzählt, dass deine Mutter als sie Studentin war, auch für den Zensus gearbeitet hat. Habt ihr zufällig darüber geredet, wie sich beispielsweise die Frage nach dem Geschlecht seitdem verändert hat?
Genau. Meine Mutter hat das vor 30 Jahren gemacht, so 1991/1992, also als sie so alt war wie ich jetzt. Sie hat mir erzählt, dass sie schon bei den allgemeinen Fragen auf ganz viel Widerstand gestoßen ist. Sie hat das allerdings auch in einem kleinen Ort gemacht. Sie hat sich die viele Skepsis damals so erklärt, dass es eben kurz nach der Wende war. Die Leute hatten eine große Skepsis gegenüber dem Staat. Sie hatten ganz viel Angst vor Überwachung.
Bezüglich der Frage nach dem Geschlecht: Meine Mutter meinte, das sei damals gar kein Thema gewesen. Es gab nur die Auswahl zwischen männlich oder weiblich. Und da haben sie vermutlich auch nicht nachgefragt und auf eine Antwort gewartet, sondern einfach nur geschaut und selbst angekreuzt.
Kannst du eine Mitarbeit bei der Zensusbefragung als Studijob empfehlen?
Ja, auf jeden Fall. Du kannst dir die Zeit selbst innerhalb eines festgelegten Zeitraumes, in dem die Daten erhoben werden müssen, einteilen. Ich finde, diese Fähigkeit sich seine Arbeit selbst einteilen zu können, ist etwas, das man auch später im Berufsleben gut gebrauchen kann.