Viele Frauen haben Endometriose. Doch was ist das genau? Endometriose ist eine gutartige, häufig chronische Unterleibserkrankung, die bei Frauen im gebärfähigem Alter auftritt. Bei dieser Krankheit siedelt sich versprengtes Gewebe, dass in seinem Aufbau und Aussehen der Gebärmuterschleimhaut ähnelt, an verschiedenen Stellen des weiblichen Unterleibes an. Die Eierstöcke, die Eileiter, die Blase oder auch der Darm können zum Beispiel betroffen sein. Als Symptome werden häufig Menstruationsbeschwerden, Unterbauchschmerzen, Schmerzen beim Geschlechtsverkehr oder beim Toilettengang genannt. Auch ein unerfüllter Kinderwunsch kann mit Endometriose zusammenhängen. Das Ausmaß der Krankheit kann von Frau zu Frau stark variieren.
Diagnose
„Mein Arzt hat mir verschwiegen, dass ich Endometriose habe.“
Anabel Thieme ist Studentin an der Uni Freiburg und lebt schon seit sieben Jahren mit der Diagnose. Die Krankheit ist bei ihr zufällig während einer Blinddarmoperation entdeckt worden als sie 18 Jahre alt war. „Anstatt mir etwas zu sagen, hat der operierende Arzt meinen Eltern erzählt, dass ich Endometriose habe. Sie sollten es mir aber nicht erzählen, weil ich als Frau ja sonst unnötig Panik bekomme“, erzählt Anabel. Erst als sie zwei Monate nach der Operation immer noch über Schmerzen während der Menstruation klagte, klärte ihre Mutter sie auf. „Wer weiß was passiert wäre, wenn es mir tatsächlich niemand erzählt hätte.“
Denn wie bei vielen Krankheiten gilt: Je früher die Behandlung beginnen kann, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit eines beschwerdefreien Krankheitsverlaufes. Vanessa Hilzinger, Ärztin der Frauennaturheilkunde in Freiburg, geht davon aus, dass nach dem Auftreten der ersten Beschwerden durchschnittlich sieben Jahre vergehen, bis eine Frau die Diagnose Endometriose erhält. Erst zu diesem späten Zeitpunkt wissen viele Frauen, woher ihre Schmerzen kommen. Eine sichere Diagnose kann nur durch einen operativen Eingriff erfolgen, der sogenannten Bauchspiegelung.
Die Operation besteht aus drei kleinen Schnitten und ist bereits eine Therapiemethode, da während des Eingriffs gleich die versprengten Gebärmutterzellen entfernt werden können. „In der Naturheilkunde sind wir jedoch auf Frauen spezialisiert, die bereits eine Diagnose haben“, erläutert Hilzinger. Für eine Diagnose könne man zum Beispiel zum Endometriosezentrum der Uniklinik gehen.
Beschwerden
„Es fühlt sich so an, als würde jemand meine Eierstöcke nehmen, sie um einen Fleischklopfer wickeln und diesen dann durch die Gegend schlagen“.
So beschreibt Anabel ihre Regelschmerzen heute. Früher sei es sogar noch schlimmer gewesen. „Starke Schmerzen hatte ich schon immer, ich habe nur nie gewusst, dass daran etwas seltsam ist“, sagt Anabel. Laut Hilzinger seien gerade zunehmende Schmerzen von Zyklus zu Zyklus ein Zeichen für eine Endometriose. Außerdem sei der Endometrioseschmerz stechend, während Frauen ihre normalen Regelschmerzen eher als ziehend beschreiben.
„Für mich ist die psychische Belastung aber am schlimmsten“, sagt Anabel. „Ich wollte schon immer Kinder“, sagt sie. Zu wissen, dass sie sich diesen Herzenswunsch vielleicht nicht mehr erfüllen kann, sei für sie das härteste Urteil. „Das ist auch im Alltag sehr belastend für mich, zum Beispiel, wenn ich eine schwangere Frau sehe oder wenn ich höre, dass Bekannte versuchen ein Kind zu bekommen“. Da die Endometriose Funktionseinschränkungen an Eierstöcken, Eileitern und Gebärmutter verursachen kann, ist es für Patientinnen oft schwer oder gar unmöglich schwanger zu werden.
In diesem Fall kann eine Kinderwunschtherapie helfen. Bei dieser Therapie können diese Funktionseinschränkungen operativ verbessert werde. Auch eine künstliche Befruchtung ist eine Option für Betroffene. Hilzinger rät Frauen ebenfalls dazu, ihren Zyklus durch das Führen von Temperaturkurven besser kennenzulernen. So wisse die Frau auch, wann sie überhaupt fruchtbar sei.
Aber auch die Angst vor der eigenen Menstruation und den immer wiederkehrenden Schmerzen könne eine große psychische Belastung für die Betroffenen sein, sagt Hilzinger. Soziale Isolation während der Periode könne ebenfalls zum Problem werden. „Es kann schon mal passieren, dass ich nicht zur Uni gehe, weil die Schmerzen so stark sind“, sagt Anabel.
Therapie
„Durch die Pille und Schmerztabletten habe ich die Schmerzen während meiner Tage ganz gut im Griff.“
Ob Operation, Hormontherapie oder Ernährungsmedizin, es gibt viele Wege eine Endometriose zu behandeln. „In der Gynäkologie ist die Pille eine der erfolgreichsten Therapiemethoden. Sie unterdrückt alle Symptome der Endometriose“, erklärt Hilzinger. Was aber, wenn die Patientin Probleme mit der Pille hat?
Anabel nimmt seit der Diagnose die Pille. Vor allem die Einnahme im Langzyklus, bei der die Pille nur alle drei Monate ausgesetzt wird, habe ihr sehr geholfen. Auch die kürzere Blutung und die verringerte Bildung der Gebärmutterschleimhaut sind positive Effekte der Pille auf die Endometriose. „Ich vertrage die Pille aber leider nicht gut“, sagt Anabel. Vaginale Infektionen und depressive Phasen seien nur einige der Nebenwirkungen unter der sie leide. Am liebsten würde sie die Pille absetzen – wäre da nicht die Endometriose. „Das ist ein echter Teufelskreis“, sagt Anabel, „Denn ohne die Pille wäre die Endometriose wieder schlimmer.“
Die Naturheilkunde bietet einen Weg, auch ohne Hormone einige Beschwerden der Endometriose zu lindern. Die Frauennaturheilkunde nehme, im Gegensatz zur Gynäkologie, die Stärkung des Immunsystems mehr in den Blick, lindere aber auch die unterschiedlichen Beschwerden. Hilzinger erzählt, dass in der Naturheilkunde viele Pflanzen eingesetzt werden. Im Falle der Endometriose seien dies zum Beispiel Pflanzen mit entzündungshemmender oder entkrampfender Wirkung, um die Schmerzen zu lindern und den Körper zu entspannen. Meditative Entspannungsmethoden würden ebenso eingesetzt.
Die Ernährungstherapie ist eine Heilmethode, die sowohl die Gynäkologie, als auch die Naturheilkunde sehr empfiehlt. Viele Lebensmittel nehmen nachweislich Einfluss auf die Symptome der Endometriose. Das Endometriosezentrum Freiburg empfiehlt Lebensmittel wie zum Beispiel Zucker, rotes Fleisch und Milchprodukte zu vermeiden. Hilzinger geht sogar noch einen Schritt weiter. Sie rät zu einer veganen gluten- und zuckerfreien Ernährung. „Auf diese konsequente Ernährungsumstellung spricht jede Frau positiv an“, sagt Hilzinger. Außerdem rät sie zu Bio-Lebensmitteln und unverarbeitetem Essen, da die Patientinnen so weniger Giftstoffe durch die Ernährung aufnähmen. Sie wisse allerdings auch, dass diese Umstellung für die meisten schwer machbar sei.
„Letztendlich entscheidet jede Frau selbst was sie wirklich umsetzen will“, sagt Hilzinger. „Außerdem kommt es sehr darauf an, was das Ziel der Therapie sein soll“, fügt sie hinzu. Es sei nicht dasselbe, ob die Frau schwanger oder schmerzfrei werden wolle. Deshalb versuche man in der Naturheilkunde sich mit den Wünschen und Bedürfnissen jeder einzelnen Patientin auseinanderzusetzen.
Probleme im Alltag
„Ich kann jetzt offen über diese Krankheit reden, aber es gibt so viele die keine Ahnung von Endometriose haben.“
Mehr als zehn Prozent aller Frauen entwickeln im Laufe ihres Lebens eine Endometriose. Mit 30.000 jährlichen Neuerkrankungen in Deutschland ist sie sogar die zweithäufigste gynäkologische Erkrankung. Trotzdem seien viele Faktoren, wie zum Beispiel ihr Ursprung, noch ungewiss, sagt Hilzinger. Auch das variierende Ausmaß der Krankheit und der unvorhersehbare Krankheitsverlauf erschweren den Umgang mit der Endometriose.
Anabel hat die Erfahrung gemacht, dass viele ihre Krankheit nicht ernst nehmen. „Ich schätze das liegt daran, dass man die Krankheit nicht sehen kann“, sagt sie. Aus Unwissen heraus werden die Schmerzen daher von Außenstehenden oft als einfache Regelschmerzen abgetan. Den Satz „Stell dich nicht so an“ bekäme man als Frau im Zusammenhang mit seiner Menstruation sowieso schon oft zu hören. „Es muss einfach mehr aufgeklärt werden“, fordert Anabel.
Auch Hilzinger wünscht sich einen besseren Umgang mit Endometriosepatientinnen. „Schwammige Aussagen von Ärzten über den Zustand der Frau verunsichern diese sehr“, sagt sie. Ihnen werde zum Beispiel gesagt, sie könnten in ihrer Verfassung nicht mehr schwanger werden. Dabei könne man den Verlauf der Krankheit so genau gar nicht voraussagen. „Ich würde Endometriosepatientinnen immer raten, mehrere ärztliche Meinungen zur Therapie einzuholen“, sagt Anabel. Hilzinger empfiehlt sich selbst zu informieren, damit die Frau weiß, was sie will und an wen sie sich dafür wenden muss.