Facebook wird erwachsen
Mark Zuckerberg gründete Facebook im Februar 2004 als universitätsinternes Netzwerk. Nach 20 Jahren zieht der Medienwissenschaftler Prof. Andreas Rauscher Bilanz: Ob Facebook noch den Zeitgeist trifft, warum das Social Network zu einem globalen Phänomen avanciert ist und was es mit dem (Konkurrenz-)Kampf zwischen Mark Zuckerberg und Elon Musk auf sich hat.
Guten Abend Herr Rauscher. Im Gespräch mit Studierenden der Universität Freiburg hat sich ein klares Bild ergeben: Facebook erscheint obsolet. Woran liegt das?
Facebook wird zwar noch als Marke von Mark Zuckerberg gepflegt, die fest in seinem Meta-Konzern integriert ist, aber heutzutage vorrangig von der älteren Generation genutzt. Vor 20 Jahren war die Plattform noch bahnbrechend in dem, was sie alles kombiniert hat, aber mittlerweile sind die Jugendlichen längst zu TikTok und Instagram weitergewandert.
Facebook wird dieses Jahr 20, doch die jugendliche Frische ist längst verblüht. Ist bereits ein Ende der Erfolgsgeschichte in Sicht?
Ich glaube nicht, dass ein Ende dieser Plattform unmittelbar bevorsteht. Mark Zuckerberg wird Facebook als kanonische Marke seines Unternehmens weiterhin aufrechterhalten. Das ist mit der legendären Videospielfirma Atari vergleichbar, die auch schon seit Jahren nicht mehr existiert, aber weiterhin als Label gepflegt wird. So wird es wahrscheinlich auch innerhalb des Meta-Konzerns von Mark Zuckerberg sein: Facebook wird noch eine ganze Weile als historisches Andenken am Leben gehalten.
Facebook entstand als bescheidenes Uni-Netzwerk. Wem oder was verdankt die Plattform ihren späteren Welterfolg?
Der Erfolg ergibt sich vor allem aus den neuartigen Möglichkeiten, die die Plattform geboten hat, also dass man einerseits private Ereignisse und andererseits Hinweise auf berufliche Aktivitäten gut veröffentlichen konnte. Über die Vernetzung konnte man mit Leuten in Kontakt treten, die man aus den Augen verloren hatte und gemeinsame Interessengruppen bilden.
Facebook führte mehrere Funktionen innovativ zusammen, die es sonst nur als einzelne Kanäle im Internet gab – zum Beispiel Chatforen oder Kontaktnetzwerke. Hinzu kam auch die leichte Handhabbarkeit, die Facebook für viele Menschen zugänglich machte. In der Medientheorie spricht man hierbei von Affordanz. Ich denke, dass sich besonders daraus der weltweite Erfolg gespeist hat. Allerdings spielte auch das marketingtechnische Geschick von Mark Zuckerberg eine wichtige Rolle: Er wusste von Beginn an ganz genau, wie er Facebook als Marke lancieren muss.
Welche Vorteile bietet Facebook gegenüber anderen Social Networks?
Der anfängliche Vorteil lag darin begründet, dass Facebook flächendeckend war. Es führte die unterschiedlichsten Bereiche und Altersgruppen zusammen. Bei Facebook fanden sich auch Leute ein, die nicht zum Zielpublikum gehörten und es lediglich benutzten, um auf ihre Publikationen aufmerksam zu machen oder Termine zu verbreiten. Dadurch wurde es zu einem Sammelbecken für alle möglichen kulturellen Aktivitäten. Der Vorteil war, dass Veranstaltungen beworben wurden, die sonst keine große Reichweite generiert hätten. Andererseits entstanden aber auch sogenannte Bubbles, in denen fragwürdige Inhalte wie Verschwörungstheorien, politischer Extremismus und andere problematische Tendenzen kursieren.
Instagram-Stories sind mittlerweile auch auf Facebook einsehbar. Sind weitere Verknüpfungspunkte zwischen den beiden Meta-Plattformen denkbar?
Ich denke schon. Mark Zuckerberg weiß, ebenso wie andere Tycoons aus dem Silicon Valley, wie sich verschiedene Plattformen in einen großen Konzern integrieren lassen. Instagram und WhatsApp wurden auf diese Weise mit Facebook vernetzt. Aktuell setzt er auf die Erweiterung eines Virtual Reality-Netzes – im Zuge dessen hat er sich die Rechte für die Oculus Rift-Technik gesichert und die Brillen und Applikationen in Metaquest umbenannt. Mithilfe dieser Technologie kann man sich im virtuellen Raum bewegen und miteinander kommunizieren. Ich glaube, dass diese Sache sich zwar als Ausstellungsform eignet, aber schlussendlich zu umständlich ist, um den Alltag zu beeinflussen. Das mag zwar seine Idealvorstellung sein, erscheint mir aber wie ein Science-Fiction-Szenario aus dem Cyberpunk der 80er und 90er Jahre.
Momentan steht Facebook stark in der Kritik – Stichwort: Datensicherheit. Wie wirken sich die Sicherheitsbedenken der Nutzer*innen auf das Image der Plattform aus?
Das bedeutet, dass man – ähnlich wie bei vielen Strömungen aus dem Silicon Valley – skeptisch sein muss. Es gelten dort nicht die Datenschutzverordnungen, die hier in Europa einen hohen Standard genießen. Man muss stark darauf achten, ob und wie Facebook und Co. diese einhalten.
In der Medienwissenschaft spricht man vom Begriff der „kalifornischen Ideologie“: Auf der einen Seite steht der libertäre Unternehmergeist, der sich an keine Regeln oder Beschränkungen hält, auf der anderen die Technikutopien und Zukunftsvisionen der 60er-Jahre und der Gegenkultur. Das alles vermischt sich zu einer eigenwilligen Kombination im Silicon Valley.
Facebook und Meta sind hierbei ein prägnantes Beispiel: Facebook bietet den unterschiedlichsten Menschen einen niedrigschwelligen Zugang, wird dadurch aber – ähnlich wie bei X, ehemals Twitter – zu einem digitalen Dorfplatz, an dem sich die stärkste Meinung durchsetzt. Das heißt aber lange nicht, dass diese Meinung auch fundiert ist.
Apropos Twitter: Ein mögliches Kampfszenario zwischen Elon Musk und Mark Zuckerberg wird seit geraumer Zeit medial befeuert. Stünde der physische Kampf auch sinnbildlich für ihre konkurrierenden Plattformen?
Dieses Szenario wird als geschickte Promotion von beiden Seiten genutzt – es wäre ein Kampf zwischen dem King Kong und dem Godzilla des Silicon Valley. Beide verstehen sich stark auf Selbstinszenierung und betrieben ein Marketing der eigenen Person – das alles fließt in diesen Konkurrenzkampf hinein. Hierbei werden allerdings auch problematische Charakterzüge aufgezeigt. Elon Musk hat bestimmt vieles zur Entwicklung der Weltraumtechnik beigetragen, allerdings würde ich ihn nicht für politische Themen konsultieren.