Dr. Wibke Backhaus ist Leiterin der Abteilung Gleichstellung, Diversität und akademische Personalentwicklung der Uni Freiburg.
Dr. Wibke Backhaus ist Leiterin der Abteilung Gleichstellung, Diversität und akademische Personalentwicklung der Uni Freiburg.

Hallo Frau Backhaus, am 8. März ist Feministischer Kampftag. Manche sagen, wir als Frauen haben schon so viel erreicht. Warum braucht es diesen Tag trotzdem noch?

Natürlich hat sich historisch gesehen wahnsinnig viel verändert, auch wenn das nicht immer ganz so linear lief, wie man sich vielleicht vorstellt. Diese Vorstellung, dass schon alles erreicht ist, stimmt trotzdem einfach nicht. Natürlich haben wir eine rechtliche Gleichstellung von Frauen und Männern. Das ist unter anderem im Grundgesetz verankert. Der Staat hat den Auftrag, die tatsächliche Gleichberechtigung von Frauen und Männern zu fördern und bestehende Nachteile zu beseitigen. Das heißt, es gibt sogar im Grundgesetz eine Anerkennung, dass beim Thema Gleichberechtigung noch etwas im Argen liegt.

An der Universität sehen wir das in der Repräsentation von Frauen auf unterschiedlichen Karrierestufen. Da sehen wir, dass wir bis zum Ende der Promotionszeit ungefähr 50 Prozent Frauen und 50 Prozent Männer haben, dass aber nach der Promotion, die Frauenanteile einbrechen. Wenn wir das mit den bundesweiten Daten vergleichen, ist das ungefähr deckungsgleich.

Laut Statistischem Bundesamt gab es 2023 einen Frauenanteil von 52,4 Prozent unter den Studienanfänger*innen in Deutschland. Zu Beginn des Studiums gibt es also mehr Frauen als Männer. In höheren Positionen dünnt sich die Präsenz von Frauen eher aus. Woran liegt das?

Ja, Frauen sind unter den Studierenden leicht überrepräsentiert – in Freiburg ist das mit einem Studentinnenanteil von 54 Prozent sogar noch deutlicher als in Ihren Zahlen. Sehr viel auffälliger sind aber die großen Unterschiede zwischen den Studiengängen. Insgesamt ist es aber richtig, dass wir dann auf dem Weg bis zur Professur überproportional viele Frauen verlieren.

Ein oft genannter Grund dafür sind Geschlechterzuschreibungen und Stereotype, die wir ja alle internalisiert haben: Wer wird als kompetent gesehen, was ist das Bild eines „Professors“. Genau da macht natürlich eine Kampagne, wie „Frau* schafft Wissen“, sichtbar, wie vielfältig eigentlich die Arbeit von Wissenschaftlerinnen ist, und wie unterschiedlich diese Frauen in der Wissenschaft in Wirklichkeit sind.

Diese Abbildung stammt aus dem Jahresbericht 2023 des Gleichstellungsbüros der Uni Freiburg.
Diese Abbildung stammt aus dem Jahresbericht 2023 des Gleichstellungsbüros der Uni Freiburg.

Laut Statistischem Bundesamt promovieren und habilitieren sich immer noch weniger Frauen als Männer. Trifft das auch für die Uni Freiburg zu?

Viele Frauen verlassen die Uni in der Postdoc-Phase. Das liegt zum einen an der Unsicherheit, die akademische Karrierewege mit sich bringen. Wenn man Professorin werden will, braucht man sehr lange, bis man auf einer sicheren, unbefristeten Stelle sitzt. In dieser Phase gibt es viele Jobwechsel, mit hohen Mobilitätsanforderungen, oft auch mit einem hohen Konkurrenzdruck. Hier hat sich beispielsweise die Tenure-Track-Professur bewährt. Die Tenure-Track-Professur erlaubt es, schon früh nach der Promotion eine befristete Juniorprofessur anzutreten. In dieser Phase müssen diese Juniorprofessor*innen Leistungen nachweisen, die evaluiert werden, um dann eine reguläre Professur zu bekommen. Dieses Modell ermöglicht schon früher in der Karriere mehr Planbarkeit, dadurch sind die Frauenanteile auch höher.

Ein weiteres Thema ist Vereinbarkeit, wobei das natürlich auch Männer betrifft. Universitäten kämpfen aber – wie andere Arbeitgeber*innen auch – sehr damit, wie sie Familienvereinbarkeit verbessern können. Natürlich gibt es auch Arbeitsklima-Fragen und Fragen zur Führungskultur. Wenn man bei der universitären Karriere sowieso schon vor hohen Anforderungen steht und dann das Arbeitsklima nicht gut ist und man vielleicht sogar Diskriminierung erlebt, dann verstärkt das natürlich auch eine Ausstiegsmotivation.

Welchen Herausforderungen begegnen Frauen in der Wissenschaft heute noch?

Das ist sehr unterschiedlich, weil ja Wissenschaftlerinnen und auch die Fächer sehr verschieden sind. Für viele stellt sich aber die Frage: Will ich so viel Mobilität in meinem Leben? Aus der UniSAFE- Studie zu Gender-based violence in der Wissenschaft, geht auch klar hervor, dass weiterhin Sexismus und sexualisierte Gewalt  ein Thema an europäischen Hochschulen sind. Das betrifft immer Einrichtungen, in denen es starke Abhängigkeitsverhältnisse gibt, dort ist das Risiko für solche Angriffe auch ein stückweit höher. Solche Fragen stellen sich aber natürlich grundsätzlich bei Frauenkarrieren. Frauen sind auf Führungspositionen auch in anderen Berufsfeldern unterrepräsentiert.

Mit welchem Konzept unterstützt die Uni Freiburg die Gewinnung von Professorinnen?

Der Professorinnenanteil an der Uni Freiburg lag 2023 bei etwa 29 Prozent. Diesen Anteil zu steigern, ist gar nicht so einfach. Das hat verschiedene Ursachen. Die wichtigste Ursache ist der Verlust von Frauen auf der Stufe darunter, nämlich in der Postdoc-Phase.

Dann haben wir in bestimmten Fächern grundsätzlich sehr niedrige Frauenanteile, zum Beispiel in den Technikwissenschaften. Die verlieren gar nicht so viele Frauen über die Karrierestufen hinweg, sondern arbeiten daran, überhaupt mehr Studentinnen zu gewinnen. Sie bemühen sich sehr aktiv darum Professorinnen zu berufen, aber der Kandidatinnenpool ist dort aktuell einfach noch nicht so groß.

Außerdem haben wir gerade eine erste Welle an Professorinnen, die jetzt langsam in den Ruhestand geht. Wenn wir jetzt Frauen gewinnen, dann ersetzt öfter mal nicht eine Professorin einen Professor, sondern eine Professorin eine Professorin, das heißt, der Frauenanteil bleibt gleich. Die Steigerungskurve wird dadurch natürlich auch langsamer.

Die Gleichstellungsbeauftragte, Dr. Regina Herzog, begleitet alle Berufungsverfahren, es gibt zudem einen Berufungsleitfaden, der geschlechtergerechte und faire Verfahren garantieren soll. Zum Beispiel wenden wir das Instrument „aktive Rekrutierung“ an, das bedeutet, dass man gezielt interessante Kandidatinnen identifiziert und auf die Ausschreibung aufmerksam macht. Das ist sehr wirksam, weil viele Frauen einfach etwas andere Bewerbungsstrategien haben als Männer und sich eher bewerben, wenn sie solche Signale bekommen.

Mit welchen Angeboten versucht die Uni, Geschlechtergleichstellung zu fördern?

Wie schon beim Thema Tenure-Track-Professur beschrieben, ist eine geschlechtergerechtere Ausgestaltung akademischer Karrierewege sehr wichtig für uns. Wir haben deshalb die akademische Personalentwicklung sehr eng mit der Gleichstellungsarbeit verzahnt. Es gibt ein breites Angebot an Mentoring- und Coaching-Angeboten für Frauen, viele von denen sind übrigens auch offen für nichtbinäre Menschen und Transpersonen. Bei sowas sind dann auch mal Stimmtrainings für Frauen im Programm, eher aber Berufungstrainings oder Workshops zum Umgang mit Mikropolitiken. Vor allem unterstützen wir die Teilnehmenden dabei herauszufinden, was sie wollen und wie sie dahin kommen. Außerdem natürlich der Ausbau der Kinderbetreuung, die Vernetzungsangebote für Frauen oder der Ausbau des Diskriminierungsschutzes.

Das sind ganz viele Bausteine, die wir zusammensetzen, um Frauen über die Karrierestufen hinweg an der Universität zu halten.

Haben Sie als Abteilung etwas geplant für den Frauentag?

Wir selbst nicht, aber die Chancengleichheitsbeauftragte lädt zur Jahresfrauenversammlung ein, das ist ein Vernetzungsevent für Frauen in der Universitätsverwaltung. Zum deutschen Diversity-Tag werden wir am 5. Mai selbst ein großes Event organisieren.