„Wir führen die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften ein“, heißt es auf Seite 87 des im Dezember unterschriebenen Koalitionsvertrags der Ampel-Regierung. Freiburger Aktivist*innen und Beratungsstellen sprechen sich ebenfalls für die Legalisierung aus – trotz gesundheitlicher Risiken.
Beim Thema Cannabis gehen die Meinungen auseinander, zeigt eine Straßenumfrage in Freiburg.
Tobias Pietsch ist Gründer und Inhaber von Hanfnah. In seinen Geschäften in Freiburg, Lahr und Lörrach bietet er auch Produkte an, die mit Cannabidiol (CBD) angereichert sind. Der Inhaltsstoff kann beruhigend und schmerzlindernd wirken. Trotzdem verbindet Pietsch mit Cannabis Angst und Scham: „Ich habe schon immer darunter gelitten, dass ich mich mit meinem Konsum versteckt habe.“
Das sei auch ein Grund, warum Hilfsangebote von Konsument*innen nur bedingt in Anspruch genommen werden. Pietsch betont: „Durch das Verbot trauen sich Menschen nicht, mit jemandem darüber zu reden.“ Christoph Weber, Sozialarbeiter der Drogenberatungsstelle Freiburg (DROBS), betreut Klient*innen in solchen Situationen. „Die Illegalität schreckt davor ab, eine Beratung aufzusuchen“, sagt er. Aus seiner Sicht kann die Legalisierung der Pflanze dazu führen, dass sich Betroffene bei problematischem Konsum eher an Beratungsstellen wenden.
Die Angst vor strafrechtlichen Verfahren ist nicht unbegründet. Laut Freiburger Kriminalstatistik 2021 macht Cannabis fast zwei Drittel (61,2 Prozent) aller Delikte der Rauschgiftkriminalität aus. Handel und Besitz liegen laut Bericht auf einem Zehn-Jahres-Höchststand. Andreas Abler, Leiter der Suchtberatung Freiburg vom Fachverband für Prävention und Rehabilitation in der Erzdiözese Freiburg (AGJ), betont, dass ein Verbot von Cannabis nicht abschreckt. Pietsch bestätigt: „Diejenigen, die etwas ausprobieren wollen, kriegen das auch.“
Der kriminalisierte Konsum bringt laut Abler „erhebliche rechtliche Folgen“ mit sich. Vor allem junge Erwachsene haben laut dem Experten mit weitreichenden Verfahren zu kämpfen: „Sei es Führerscheinverlust oder Einschränkungen bei der Berufswahl.“
Die Auslastung der deutschen Strafverfolgung ist hoch. Wegen der Nähe „zum unmittelbaren politischen Kontext“ möchte sich das Polizeipräsidium Freiburg jedoch nicht zum Thema äußern. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) steht der Legalisierung kritisch gegenüber. Laut Oliver Malchow, Bundesvorsitzender der GdP, macht es keinen Sinn, „die Tür für eine weitere gefährliche und oft verharmloste Droge zu öffnen.“
Cannabis kann negative Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-System oder die Psyche haben. Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen warnt daher: „Psychische Erkrankungen können sich bei hochgradigem Cannabiskonsum verschlimmern, Psychosen neu ausbrechen.“
Die Illegalität und der damit verbundene Schwarzmarkt können die Gefahren noch erhöhen, argumentieren die Freiburger Beratungsstellen. Laut Weber von DROBS wird auf dem Schwarzmarkt zunehmend sogenanntes „Chemie-Gras“ gedealt. Darunter versteht Weber minderwertiges Cannabis, das durch chemische Cannabinoide behandelt wird. Das birgt erhöhte gesundheitliche Risiken und verändert den gewünschten Entspannungs-Effekt: „Cannabis wird hauptsächlich genutzt, um runterzukommen.“
Die AGJ-Suchtberatung Freiburg fordert neben einem Werbeverbot daher „die regulierte und kontrollierte Qualität und Wirkstoffstärke über staatlich lizenzierte Produktion“. Dadurch soll Suchtgefahr entgegengewirkt werden. Hanfnah-Inhaber Pietsch begrüßt den Vorschlag: „Viele Konsumenten legen großen Wert auf sicheren Konsum.“ Auch er engagiert sich gegen illegalen Handel: „Jedes Prozent, das wir dem Schwarzmarkt wegnehmen, bringt mehr Verbraucher- und Jugendschutz.“ Auch der Ausbau von Hilfsangeboten sei wichtig. Sozialarbeiter Weber plädiert dafür, Steuereinnahmen in Prävention zu investieren.
Bei der Abgabe-Regulierung sind sich die Experten nicht ganz einig. Die AGJ-Suchtberatung fordert die Altersfreigabe ab 21 Jahren, „da erst ab diesem Zeitpunkt die Gehirnentwicklung weitestgehend abgeschlossen ist.“ Die Drogenberatungsstelle betont, dass die große Zahl von Konsument*innen zwischen 18 und 21 Jahren nicht „in der Illegalität zurückgelassen“ werden sollten. „Gerade in jungen Jahren können Zukunftsaussichten durch eine kriminelle Karriere verbaut werden“, so Weber.
Der Vertrieb sollte über lizenzierte Stellen erfolgen, darüber sind sich die Einrichtungen einig. Dass Apotheken Cannabis auch zu Genusszwecken anbieten, ist für Michael Walter, Geschäftsleiter der Löwenapotheke Freiburg, allerdings keine Option. Er sieht in seiner Profession nur den medizinischen Nutzen. Pietsch bestätigt: „Die Beratung von Freizeitkonsumenten ist für die Apotheken zu umfangreich.“
Wie geht es weiter?
Die Legalisierung von Cannabis spaltet die Politik. Die Linke forderte im Juli dieses Jahres die frühzeitige Entkriminalisierung, um „den Menschen die Angst zu nehmen.“ Sie stellt die „jährlich aufgewendeten finanziellen Ressourcen“ infrage, weil diese anders genutzt werden könnten. Auf der anderen Seite verteidigen SPD, Die Grünen und FDP den Prozess. „Wir sind im Zeitplan“, erwidert Dirk Heidenblut, Bundestagsabgeordneter der SPD. Auch die CDU kritisiert den Vorschlag der Linken: „Nachregulieren im Nachhinein ist sehr, sehr schwierig“, so Abgeordnete Simone Borchardt.
Die Freiburger Akteure können Berliner Argumente nur teilweise nachvollziehen. Abler von der Suchtberatung des AGJ sagt allerdings: „Die Größe des Themas stellt in der gesellschaftlichen und politischen Diskussion einen Erfolg dar.“ Pietsch und die Drogenberatungsstelle sehen es anders. Für Pietsch ist die Dauer „nicht nachvollziehbar.“ Sozialarbeiter Weber kennt die Versprechen aus der Hauptstadt. Er fordert nun rasches Handeln: „Man muss der Politik auf die Finger klopfen.“
Und wie steht ihr dazu?
Die uniCROSS-Autor*innen Manuel und Johanna schildern im Gespräch mit Katja von uniFM ihre Meinung zur Cannabis-Legalisierung.
Eine Gemeinschaftsproduktion von Johanna Stoffel und Manuel Rößler im Rahmen des Seminars „Einführung in den crossmedialen Journalismus“ für Studierende der Medienkulturwissenschaft. Seminarleitung, Redaktion: Ada Rhode, Karsten Kurowski, Philip Thomas