Herr Heurich, was ist eigentlich Wildtierökologie?
Da geht es darum, wie Wildtiere durch ihre Umwelt beeinflusst werden. Welche Rolle spielen verschiedene Umweltfaktoren in unserer Landschaft? Wie bewirtschaftet der Mensch den Wald, die Felder? Welche Habitate suchen die Tiere? Was machen sie wenn es warm ist, wenn es kalt ist? Wo finden Sie ihre Nahrung? Wie werden sie durch Straßen beeinflusst? Gehen sie über die Straße oder ist die Straße eine Barriere? Wie finden sie sich in unserer Landschaft noch zurecht? Das ist faszinierend, weil unsere Landschaft stark durch Menschen dominiert ist und trotzdem eine Vielzahl von Wildtieren gut zurechtkommt. Wer hätte vor 20 Jahren geglaubt, dass sich die Wölfe in Deutschland so ausbreiten? Das haben selbst die Wildbiologen nicht gedacht.
Was ist nun Wildtiermanagement?
Wildtiermanagement ist ein umfassender Begriff, der zum Beispiel auch die Jagd umfasst. Beim Management geht es um den kompletten Umgang mit Wildtieren. Das fängt beim Monitoring an: Wie viele Tiere sind da, wie geht es diesen Tieren? Sind die gesund? Sind die krank, wie ist die Genetik? Dann spielt auch der Begriff Lebensraum-Management eine Rolle. Dazu gehört auch das Habitat-Management.
Auf der anderen Seite geht es aber auch um Öffentlichkeits- und Akzeptanzarbeit. Das sind dann sozialwissenschaftliche Aspekte wie die Moderation von verschiedenen Interessensgruppen, mit denen man da zu tun hat.
Tatsächlich geht es im Wildtiermanagement nämlich um den Menschen. Die Wildtiere kommen bei uns ganz gut zurecht, aber die Menschen oft mit den Wildtieren nicht. Und da gab es mal einen bekannten Wildbiologen, Aldo Leopold, der hat gesagt: “Wildlife Management is Management of People”. Der Wolf zum Beispiel hat ja kein Problem in unserer Landschaft oder mit dem Menschen. Der Wolf frisst ein paar Rehe oder ein paar Hirsche oder ab und zu mal ein Schaf und Nutztiere. Vielleicht hat das Schaf ein Problem mit dem Wolf, wenn es gerissen wird, aber Konflikte gibt es nur zwischen Menschen. Auf der einen Seite steht der Wolfsschützer, der gern möchte, dass Wölfe in unserem Land leben können und auf der anderen Seite stehen die Nutztierhalter.
Welche Rolle spielt die Jagd innerhalb des Wildtiermanagements?
Die Jagd ist ein Teil des Wildtiermanagements und spielt mehr oder weniger eine Rolle. Es gibt verschiedene Managementtypen. Zum Beispiel das Schutzmanagement, in dem man Tiere schützt, also nicht bejagen darf, da sie selten sind. Es gibt andere Tiere, Tierarten wie zum Beispiel die Rehe, das Wildschwein und die Rothirsche, die man nutzt. Man geht also auf die Jagd, um auch Wildbret zu bekommen, also dass man sich einen Braten in die Röhre schieben kann. Das ist die klassische Jagd als Nutzung, die schon unsere Altvorderen in der Steinzeit gemacht haben, um letztendlich Nahrungsmittel zu bekommen.
Heute spielt natürlich auch die Trophäenjagd eine Rolle. Besonders die Trophäenjagd von Elefanten in Afrika ist aktuell groß in der Diskussion. Viele Länder in Afrika sagen, die Trophäenjagd nütze dem Elefanten. Während andere meinen, das bringt überhaupt nix, da kommen nur ein paar Leute, die einen Haufen Geld haben und dann die Elefanten totschießen wollen. Und das ist kein Schutz dieser Tiere. Es kommt aber auch darauf an, wie man es macht. Wenn jetzt Menschen viel Geld ausgeben wollen, um einen Elefanten zu schießen, und dieses Geld dann vielleicht auch für die lokale Bevölkerung zur Verfügung steht oder auch für Schutzmaßnahmen von Wildtieren, dann kann das durchaus auch ein Instrument sein, was sich positiv auf den Schutz auswirkt.
Die Jagd trägt außerdem in verschiedenen Bereichen zum Umweltschutz bei. Es gibt beispielsweise den Wald-Wild-Konflikt. Das heißt, wir versuchen klimastabile Wälder aufzubauen, indem man andere Baumarten einbringt. Diese Baumarten sind aber oft beliebtes Futter für Rehe. Da spielt die Jagd auch eine wichtige Rolle zur Regulierung der Rehbestände. Man reduziert dann die Bestände, sodass die Waldbäume, die man sich wünscht und die jetzt für eine Klimaveränderung von Bedeutung sind, auch wachsen können.
Wenn wir davon ausgehen, dass sich Luchs und Wolf immer mehr in unseren Wäldern ansiedeln, braucht es dann überhaupt noch eine Jagd zur Regulierung? Oder bringt die Jagd dann nur noch Wildfleisch und Trophäen?
Welche Rolle der Luchs und der Wolf in Zukunft in unserem stark von Menschen beeinflussten Ökosystem spielen, das werden wir sehen. Es gibt verschiedene Annahmen, aber bislang relativ wenig Forschungsergebnisse. Die zeigen, dass der Einfluss der großen Beutegreifer in unserer mitteleuropäischen Landschaft relativ gering ist, weil der Mensch die Landschaft massiv verändert.
Man füttert Schalenwild (Rotwild, Damwild), um dieses durch den Winter zu bringen. Wir haben die Landwirtschaft, die viel Energie in die Landschaft bringt, so dass dann eine wesentlich stärkere oder wesentlich größere Nahrungskapazität zur Verfügung steht. Der Mensch beeinflusst die Landschaft stark.
Auf der anderen Seite haben wir auch viele Wildunfälle. Deshalb steht die Frage, welchen Einfluss werden die großen Beutegreifer in unserer Landschaft überhaupt haben können? Und lassen wir das überhaupt zu? Eine hohe Dichte von Wölfen und Luchsen führt dann vielleicht auch zu mehr Schäden an den Nutztieren. Das ist auch ein gesellschaftlicher Aushandlungsprozess. Auf der einen Seite gibt es viele Menschen, die sich stark für den Wolf einsetzen. Auf der anderen Seite haben viele Menschen Angst vor dem Wolf und sind um ihre Nutztiere besorgt. Es ist wichtig, dass Schützer und Nutzer in den Dialog treten.
Vielen Dank, Herr Heurich.