Mit ihrem Buch möchte Shaina Joy Machlus ein umfangreiches Wissen um Konsens herstellen und verbreiten. Und zwar so, dass es für alle Menschen zugänglich und verständlich ist, unabhängig von Geschlecht, Alter, sozialem oder kulturellem Hintergrund. Denn Konsens ist nicht so kompliziert, wie es vielleicht im ersten Moment scheinen mag. „Er ist leicht zu verstehen und zu praktizieren. Zugleich verhindert Konsens nicht nur Vergewaltigung, sondern er ermutigt und stärkt Menschen darin, Sex zu genießen.“
„Nur Ja! heißt ja. Eine Anleitung zu sexuellem Konsens“ erschien im Orlanda Verlag 2021 in der deutschen Übersetzung von Jennifer Sophia Theodor. Nicht nur das Cover, sondern auch das ganze Buch enthält klare minimalistischen Illustrationen von Janice Mantwill und Marie Michael, die das Geschriebene ergänzen und veranschaulichen. Verständnis und Zugänglichkeit erreicht das Buch auch durch ein Glossar mit Begriffen und Definitionsansätzen.
Vielfalt von Geschlecht und Sexualität
Im ersten Kapitel werden die Grundlagen von Geschlecht, Sexualität und Körper dargelegt. Shaina Joy Machlus verwirft das Konzept der Binarität der Geschlechter und ersetzt es durch die Idee von Fluidität und Veränderlichkeit, dasselbe gilt für die sexuelle Orientierung. Es gelingt ihr dabei, möglichst viele Perspektiven miteinzubeziehen und zu berücksichtigen. Ihre Ausführungen regen zur Reflexion der eigenen Erfahrung und Perspektive an. Dazu bietet das Buch auch immer wieder Raum für Notizen.
Enthusiastischer Konsens – ein „Instrument gegen die Vergewaltigungskultur“
Den Kern des Buches bildet die Anleitung zum enthusiastischen Konsens. Konsens aus dem lateinischen „consensus“ bedeutet Einverständnis und Zustimmung. Zustimmung kann sich auf verschiedene Weisen äußern, ob verbal oder nicht, aber es muss immer enthusiastisch und engagiert geschehen. Im sexuellen Konsens geht es darum, nicht stumm den eigenen Vorannahmen zu folgen, sondern aktiv und immer wieder neu Zustimmung einzuholen, das Begehren der anderen Person zu erfragen und gut zuzuhören.
Enthusiastischer Konsens bedeutet auch, dass keine Handlung unter emotionalem oder körperlichem Druck, Bedrohung oder Zwang geschieht. Daraus ergibt sich die klare Definition von Vergewaltigung, nämlich „jeder Sex oder sexuelle Akt, dem eine Person nicht mit freiem Willen engagiert zugestimmt hat.“
Shaina Joy Machlus versteht Vergewaltigung als eine Art globalen institutionellen Terror, dem besonders weiblich gelesene Personen alltäglich ausgesetzt sind. Als Mittel gegen diese Vergewaltigungskultur (engl. rape culture) dient der Aufbau und die Verbreitung einer Konsenskultur. Wenn wir als Einzelperson damit beginnen, Konsens mit unseren Mitmenschen zu praktizieren, können wir eine Kettenreaktion auslösen. „Mit einer Person Konsens zu praktizieren, bringt sie dazu, häufiger und mit weiteren Menschen Konsens zu praktizieren, die wiederum das dann ebenfalls tut (sic!).“ Dazu bietet das letzte Kapitel „Gesprächsbeispiele“ zur Orientierung an, um den Leser*innen einfache Formulierungen an die Hand zu geben, mit denen sie etwa eine Pause einläuten oder ihr Begehren ausdrücken können.
Die eigenen Privilegien hinterfragen – ein Mittel gegen Ungerechtigkeiten
Es geht Shaina Joy Machlus auch darum, dass wir unsere eigenen Privilegien erkennen und hinterfragen, denn dadurch können wir erst die Mechanismen von Macht und Unterdrückung verstehen und auflösen, von denen wir selbst häufig unbewusst profitieren. Gesellschaftliche Privilegien und Machtverhältnisse werden auch in die Sexualität hineingetragen und bestimmen die dort herrschenden Verhältnisse. Wir sollten uns alle die Frage stellen „Wie trage ich selbst zu Ungerechtigkeit bei?“ Im dritten Kapitel geht es dann darum, wie wir diese Mechanismen im alltäglichen Leben auflösen und Konsens in jeder Form menschlicher Berührung praktizieren können.
So wie Shaina Joy Machlus selbst, wünsche auch ich mir, dass ihr Buch „Nur Ja! heißt ja. Eine Anleitung zu sexuellem Konsens“ seinen Weg in so viele Hände und Regale wie möglich findet. Denn umso mehr Menschen sich mit dem Konzept von Konsens vertraut machen, es lernen und praktizieren, desto mehr wird es sich verbreiten. Zwar können wir die Gesellschaft nicht von einem Tag auf den anderen umkrempeln und bestehende Machtverhältnisse lösen sich nicht einfach in Luft auf, aber wir können den ersten Schritt machen. Wir können uns Wissen aneignen und es verbreiten, wir können uns und andere stärken und beweisen, wie unkompliziert und schön Konsens sein kann.
Der Text ist Teil der Themenwoche Du bist nicht allein.