Je sozialer der Beruf, desto asozialer das Gehalt?
Ob im Krankenhaus, im Altenheim oder in der Ambulanz – Pfleger und Pflegerinnen leisten tagtäglich einen großen Beitrag für unsere Gesellschaft. Trotzdem erfahren viele von ihnen wenig Wertschätzung für das, was sie tun. Julia Dagg hat mit Pflegern aus Freiburg gesprochen.
In Deutschland arbeiten über eine Millionen Menschen in der Pflege. Jeden Tag kümmern sie sich um die Schwächsten der Gesellschaft, um Alte, um Kranke, um Sterbende. Immer wieder müssen sie Entscheidungen treffen, die über das Leben von Menschen bestimmen. Für viele sind sie die Helden des Alltags. Und dennoch: Junge Leute, die vor der Berufswahl stehen, entscheiden sich nur selten für die Pflege.
Vincent von Heynitz arbeitet auf der Intensivstation der Uniklinik als Krankenpfleger: “Es ist schon so, dass man schnell als derjenige degradiert wird, der es nur mit Ausscheidungen zu tun hat. Das ist natürlich auch Teil unserer Arbeit, aber eben nicht nur.”
Tayfun Citak ist Altenpfleger im St. Carolushaus in Freiburg: “Es ist immer noch so, dass viele Leute denken, in die Pflege gehen nur Leute, die sonst nichts erreicht haben im Leben.”
Zu wenig Personal für immer mehr Pflegebedürftige
Dabei benötigt Deutschland Pflegekräfte heute dringender als je zuvor. Mittlerweile leben in Deutschland nämlich rund 3,5 Millionen Menschen, die nicht alleine leben können. Sie sind entweder zu alt oder zu krank und sind daher auf die Hilfe der Pfleger*innen angewiesen. Weil es in Zukunft immer mehr alte Leute geben wird, wird auch die Zahl der Pflegebedürftigen weiter steigen.
“In letzter Zeit merke ich es immer mehr, dass man zu wenig Personal hat. Überall sucht man mittlerweile Fachkräfte. Ich tausche mich auch mit Freunden in anderen Heimen aus. Dort ist es ähnlich, dass sie auch Personalmangel haben” sagt Tayfun Citak.
Der Personalmangel erschwert die ohnehin schon sehr körperliche Arbeit. Vincent von Heynitz beobachtet: “Sobald die Regelbesetzung zusammenbricht, weil jemand krank ist oder so, wird es einfach schwierig, weil der Laden einfach weiterlaufen muss. Hier werden keine Betten gesperrt, weil man hier rund um die Uhr besetzt sein muss. Dann bleibt natürlich einiges auf der Strecke. Aber das ist halt leider einfach so. Das System sieht das so vor und man muss sich letztendlich einfach selber schützen.”
Trotz hoher Nachfrage regelt der Markt das Gehalt nicht angemessen
Zu wenig Personal, körperliche Belastung, wenig Wertschätzung. Auch die eher geringe Bezahlung schreckt viele Leute von dem Pflegeberuf ab. Wieso ist die Bezahlung in sozialen Berufen so schlecht, wo doch Pfleger*innen so dringend gebraucht werden? Wirtschaftswissenschaftler Prof. Wolfgang Eggert von der Universität Freiburg erklärt das so: “Das hängt zum einen vermutlich damit zusammen, dass die Leistungserbringung schwerer zu beobachten ist. Wenn Sie an Pflegekräfte denken, ist die Qualität der Leistung, die die Beschäftigten erbringen, nicht so leicht durch die Arbeitgeber zu beobachten. Insofern ist eine leistungsgerechte Bezahlung schwieriger. Dadurch, dass die dort Beschäftigten dazu tendieren ihre Arbeit zu unterschätzen, weil sie sich ja in den Beruf hineinselektiert haben, haben sie vielleicht auch eine geringere Durchsetzungskraft in bevorstehenden Lohnverhandlungen.”
Die soziale Ader wird in Lohnverhandlungen zum Verhängnis. Das merkt auch Tayfun Citak: “Ich würde sagen man sollte seine Rechte kennen, in der Branche ist das ganz wichtig und man sollte auch ein bisschen verhandeln können.” Er sieht die Verantwortung aber nicht allein bei den Pfleger*innen: “Ich finde der muss mal was machen, damit die Mitarbeiter zufriedener sind und auch gerne den Job machen.”
Dass die Menschen in der Pflege weiterhin gerne ihren Job machen – das geht uns alles was an. Denn irgendwann wird jede*r von uns mal alt oder krank, und dann sind auch wir auf die Pfleger*innen angewiesen. Dabei wäre eine bessere Bezahlung nur eine Möglichkeit den Beruf attraktiver zu machen. Auch das Menschliche im Beruf sollte nicht verloren gehen. Keine Abrechnung im Minutentakt, sondern eine Pflege, die den Pflegekräften die Möglichkeit gibt auf die Patient*innen einzugehen. Nur dann kann unsere soziale Marktwirtschaft auch in Zukunft das sozial im Name behalten.
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