Die Corona-Pandemie war ein massiver Einschnitt. „Viele Menschen hatten keinen Zugang zur Kultur und auch wir wussten damals nicht, wie wir reagieren sollen”, sagt Neriman Bayram, Betreiberin des Kommunalen Kino Freiburg (KoKi) im Alten Freiburger Wiehrebahnhof.
Mit Unterstützung durch Bund und Länder überstand das KoKi die Krise. Die Pandemie führte jedoch zu einem Boom von Streaming-Diensten. Die Abonnentenzahlen zahlreicher Anbieter stiegen, während Kinobesucher vor geschlossenen Türen standen – ein Trend, der das Kino-Business veränderte.
Laut Bayram haben hiesige Kinos dank Förderungen durch die Stadt Freiburg sowie das Land stabile Grundlagen: „Baden-Württemberg ist das einzige Land in Deutschland, das nicht-kommerzielle Kinos unterstützt“.
Auch kommerzielle Kinos wurden von der Pandemie hart getroffen. „Corona war für alle Veranstalter ein Desaster, ganz egal ob Konzert, Kino oder Theater“, so Ludwig Ammann, Betreiber der Freiburger Kinos Harmonie, Friedrichsbau und Kandelhof. Laut Ammann ist die Erholung von der Pandemie im Bereich Arthaus deutlich langsamer vorangeschritten als beim Mainstream-Kino. „Kino sei nicht gleich Kino“, betont er.
Ausverkaufte Säle und pinke Outfits
uniCROSS hat einen Blick hinter die Vorhänge des Freiburger Harmonie-Kinos geworfen und den Hype um den Barbie-Film eingefangen.
Unter dem Strich locke Marvel und Co. ein jüngeres Publikum, während Arthaus eher ältere Generationen anspreche. Weil die älteren Generationen das Kino länger gemieden hätten, erhole sich der Arthaus-Bereich laut Ammann auch nur langsam. So liege diese Branche aktuell bei 70 Prozent der Auslastung des Referenzjahres 2019. In Ammanns Kinos seien die Sitze wieder zu rund 80 Prozent gefüllt. „Im Herbst sind wir dann hoffentlich bei 90 Prozent und nächstes Jahr wieder bei 100 Prozent“.
Gehst du gerne ins Kino?
Videospiele, Social Media, Streaming. Freizeitbeschäftigungen gibt es viele. uniCROSS hat Freiburger Studierende gefragt.
Für Bayram ist Kino ein Ort ohne Ablenkungen. Das ermögliche tiefes Eintauchen in Filme. Im Gegensatz zu Streamingdiensten erfülle das KoKi einen Bildungsauftrag und engagiere sich politisch. „Augenhöhe, Teilhabe, Solidarität und auch Willkommenskultur sind uns wichtig“, betont Bayram.
Das Kino schaffte zudem „Raum für Gemeinschaftserlebnisse, die Sofas zu Hause nicht bieten können.“ Kino und Theater seien Orte des Austauschs, der Begegnung und der unkontrollierten Wahrnehmung. „Es geht auch um die Auseinandersetzung mit dem Sehen: Es öffnet Horizonte. Film ist eine Kunstform, die alle Sinne anspricht.“ Streaming könne das nicht bieten. Bayram glaubt weiterhin an das Kino, auch wenn die Konkurrenz aus dem Internet groß sei.
Der Kampf zwischen Kinos und Streaming-Plattformen werde auch mit Drehbüchern geführt. Die Qualität von Skripten für Kinoproduktionen hat laut Ammann wegen Abwerbungen hochkarätiger Autor*innen durch Streamingdienste gelitten: „Dass Autoren weggekauft werden, ist ein echtes Problem.“
Laut Ammann ist „Kino nicht mehr Top of Mind“. Welchen Stellenwert Kino in Freiburg aber nach wie vor hat, zeigt die Solidarisierung mit dem Friedrichsbau im Zusammenhang der drohenden Schließung am Jahresanfang. „Ich habe gedacht, wenn 3.000 Euro an Spenden reinkommen, dann ist das ja schon viel. Und dann sind es 80.000 Euro geworden. Das ist natürlich irre“, sagt Ammann. Er bezweifelt, dass sich das in jeder Stadt wiederholen ließe.
Auch Ammann schreibt das Kino im Zeitalter der Streaming-Dienste nicht ab: „Es gab auch davor Fernsehen, es gab auch davor Serie im Fernsehen. Das war alles schon da und trotzdem hat Kino funktioniert.“ Es beweise Anpassungsfähigkeit: In den Niederlanden wird bereits an fast 60 Kinos ein monatliches Abo-System angeboten. Auch in Ammanns Harmonie-, Friedrichsbau- und Kandelhof-Kino soll ein solches System eingeführt werden.
Eine Gemeinschaftsproduktion von Betija Grinvalde, Stefanie Mares, Sara Balkau und Mimi Sinpru im Rahmen des Seminars „Einführung in den crossmedialen Journalismus“ für Studierende der Medienkulturwissenschaft. Seminarleitung, Redaktion: Ada Rhode, Andreas Nagel, Philip Thomas.