Gurs ist eine kleine Gemeinde, 1027 km von Freiburg entfernt, in den französischen Pyrenäen. Das Camp de Gurs war ein Arbeitslager, in das unter dem NS-Regime mehr als 6500 Jüd*innen aus Baden, dem Saarland und der Pfalz deportiert wurden. Für viele von ihnen war es nur eine Etappe auf dem Weg nach Auschwitz.
Am 22.Oktober 1940 wurden mehr als 375 Jüd*innen aus Freiburg von den Nazis verschleppt und ins Lager Gurs gebracht. Heute erinnert unter anderem ein Schild am Platz der Alten Synagoge an diesen Tag, der sich dieses Jahr zum 80. Mal jährt und Anlass für Gottfried Haufes Kurzfilm “Berlin – Tel Aviv” ist.
Max Herres Song erzählt die fiktive Geschichte von Elli Weinreb, die gemeinsam mit ihrer Mutter von Berlin nach Tel Aviv flüchtet und dabei ihren Vater in Berlin zurücklassen muss. In dem Song verarbeitet Herre einen Teil seiner eigenen Familiengeschichte. Warum Gottfried sich ausgerechnet für diesen Song entschieden hat und wie man in Zeiten von Corona einen Kurzfilm mit über 50 Personen dreht, hat er Samantha im Interview erzählt.
Maya Rollberg ist freiwillige Mitarbeiterin in der uniCROSS Redaktion und außerdem beim Freiburger Laut & Lyrik Ensemble dabei.
Maya, du bist als Sprecherin in dem Kurzfilm zu sehen. Wie kam es dazu?
Maya: Gottfried hat bei uns von Laut & Lyrik angefragt, ob wir Interesse an dem Projekt hätten. Mal abgesehen davon, dass wir in Zeiten von Corona nicht viele Projekte realisieren können, haben wir uns natürlich sehr über die Anfrage gefreut. Wir, das waren drei Frauen aus Freiburg und sogar ein Ehemaliger von Laut & Lyrik, der dafür extra aus Osnabrück angereist ist.
Was war denn dein persönlicher Antrieb bei diesem Kurzfilm-Projekt mitzumachen?
Maya: Ich finde, dass wir gerade wieder verstärkt merken, dass Antisemitismus eben kein Thema der Vergangenheit in Deutschland ist. Ich finde, es darf nicht sein, dass wir mit der deutschen Vergangenheit unsere Verantwortung bei dem Thema nicht ernst nehmen, aktiv gegen Antisemitismus einzutreten.
Auch in Freiburg merkt man das zum Beispiel immer wieder an der anhaltenden Debatte um die Nutzung des Platz der Alten Synagoge. Nach wie vor besteht ein Unwille darüber, anzuerkennen, dass die Gruppen, die betroffen sind, auch darüber entscheiden dürfen, wie wir die Gedenkkultur gestalten. Ich finde es wichtig, dass wir Kulturprojekte schaffen, die eine aktive Gedenkkultur fördern, insbesondere in Hinblick auf Antisemitismus.
Deswegen war ich sehr froh, dass Gottfried ein Projekt kreiert hat, in dessen Rahmen wir unserer Nazivergangenheit und unserer Verantwortung gegenübertreten konnten. Die Geschichte um Elli Weinreb hat mich wahnsinnig berührt und ich bin froh, dass ich Teil davon sein durfte.
Inwiefern hat deine Mitarbeit bei dem Projekt dich nachhaltig beeinflusst?
Maya: Sich einmal diese Reise so bildhaft vorzustellen, wie Elli Weinreb das tut, unter dem selben Himmel zu sein und nicht zu wissen, ob man seinen Vater jemals wiedersieht, das hat mich tief berührt.
Abgesehen von der Auseinandersetzung mit dem Thema war das schönste an dem Projekt, dass wir alle gemeinsam im Jazzhaus waren und sowohl den Chor als auch unsere Sprecher*innenrollen zusammenführen konnten. Den Twäng! Chor zu hören, wie er über diesen Stern singt, das war so magisch. Ich hatte überall Gänsehaut, war sehr berührt und trotz dieser schweren Thematik war ich irgendwie hoffnungsvoll – dass wir dieser Geschichte gedenken und dass sowas nicht mehr passieren darf, dass wir Menschen so ein Leid zufügen.