Mehr Wertschätzung für Kleidung
Die Modebranche zählt weltweit zu den größten Umweltverschmutzern. Doch es gibt nachhaltigere Alternativen zu billig produzierter Kleidung: Freiburger Secondhand-Läden, Flohmärkte und Upcycling-Gruppen wollen ein Statement gegen Fast Fashion setzen.
Die Produktion eines Baumwoll-T-Shirts verbraucht rund 2.700 Liter Süßwasser – so viel wie ein Mensch in zweieinhalb Jahren trinkt, schätzt die Europäische Umweltagentur (EUA) in einem erstmals 2020 vorgelegten Bericht. Die Modebranche ist demnach für rund zehn Prozent der weltweiten CO₂-Emissionen verantwortlich. Das ist mehr als die internationale Luft- und Schifffahrt zusammen produzieren.
Maria Schorn, Inhaberin des Freiburger Secondhand-Leihgeschäfts „Kleiderei”, ist angesichts solcher Zahlen überrascht, dass die Modebranche bei Umweltbewegungen wie Fridays for Future vergleichsweise wenig Beachtung findet. Immerhin kaufen Europäer*innen laut EUA jedes Jahr durchschnittlich fast 26 Kilogramm Textilien, wovon etwa elf Kilogramm wieder weggeworfen werden. Für Maria Schorn ist das ein Unding: „Wenn man sich vor Augen führt, wie viele Textilien schon vorhanden sind, müsste nichts Neues produziert werden. Das ist einfach absurd.“
uniCROSS hat die Freiburger Studentin Lotte bei einem Flohmarkt-Bummel sowie Besuch in einem Secondhand-Shop begleitet. Im Video erklärt sie, was gebrauchte Klamotten auszeichnet.
Laut EUA werden zahlreiche Altkleider in Länder außerhalb der europäischen Grenzen exportiert. 87 Prozent dieser Klamotten werden verbrannt oder landen auf Deponien, was zu weiteren Umweltbelastung führt.
Wirtschaftlich scheint das trotzdem ein lohnendes Geschäft zu sein. Laut EUA hat sich die weltweite Textilproduktion fast verdoppelt: von 58 Millionen Tonnen im Jahr 2000 auf 109 Millionen Tonnen im Jahr 2020. Ende des Jahrzehnts soll die 145-Millionen-Marke fallen.
Die Freiburger Umwelt-Organisation „Aiforia“ schätzt, dass Fast Fashion in diesem Markt seit 2011 ein durchschnittliches Wachstum von knapp fünf Prozent pro Jahr verbucht. Wachstumstreiber sind vor allem sogenannte Ultra Fast Fashion Brands wie „Shein“, die durch Dumpingpreise neue Konsument*innen für sich gewinnen. Der chinesische Modekonzern soll laut Greenpeace bei Finanzierungsrunden im Jahr 2022 mehr als 100 Milliarden Dollar akquiriert haben und könnte damit mehr wert sein als die Textilunternehmen H&M und Zara zusammen.
Laut „Aiforia” haben sich in den vergangenen Jahrzehnten Konzepte gegen diesen Negativtrend gebildet. Sie setzen mit Fair- und sogenannter Slow-Fashion auf „Qualität, Langlebigkeit, Natur und Mensch“. Verkauft werden soll möglichst zeitlose und hochwertige Kleidung. Ressourcen sind für die Herstellung allerdings ebenso notwendig.
Schorn rät daher: „Weniger kaufen! Nutze, was du hast, und pflege deine Kleidung richtig“. Die Freiburgerin empfiehlt außerdem, sich vor jedem Kauf zu fragen: „Brauche ich das Kleidungsstück wirklich? Wofür brauche ich es? Wie oft werde ich es tatsächlich tragen?”
Die Unternehmerin wünscht sich mehr Eigenverantwortung: „Viele einzelne Personen können schon was bewegen.“ Um die Lebensdauer von Klamotten zu verlängern, ließen sich kleine Schäden reparieren. Ganze Teile könnten umgenäht und zu neuen Klamotten werden. Schorn betont: „Es braucht wieder mehr Wertschätzung für Kleidung”.
Pauline „upcyclet“ getragene Kleidung. Im uniCROSS-Interview erklärt die Freiburger Studentin, was das Hobby ausmacht und wie ihre Leidenschaft zum Nähen dabei hilft.
Gekauft werden müsse laut Schorn nicht immer neu. Noch besser wäre, das zu tragen, was bereits im Kleiderschrank hängt. „Das ist natürlich immer das Nachhaltigste“, sagt sie. Bei Freiburger Studierenden bemerkt sie ein gesteigertes Bewusstsein für nachhaltige Mode. Außerhalb dieser Blase habe „sich eigentlich gar nicht so viel geändert.“ Schließlich sei es nicht einfach und günstig, komplett auf Fast Fashion zu verzichten.
Sie will daher weiter Aufklärung in der „Green City“ betreiben und besucht etwa Schulen, um bereits früh ein Bewusstsein für Kleidung und Umwelt zu vermitteln. Auf politischer Ebene passiert nämlich nur wenig, findet Schorn. Nachhaltiger Konsum sollte vereinfacht und kostengünstiger werden. Dabei dürfe die Verantwortung nicht allein an Konsument*innen abgegeben werden.
Ein Verzicht auf Fast Fashion und Neukäufe bedeutet laut Schorn nicht, keinen Spaß mehr am modischen Ausdruck zu haben. Viel mehr lassen sich durch Secondhand individuelle und zeitlose Kleidungsstücke finden. Für die Zukunft hofft Schorn auf Veränderung: „Das wäre einfach wichtig, Mode wieder ein bisschen mehr Leben einzuhauchen.“
Eine Gemeinschaftsproduktion von Jamila Bosch, Juhle Schulz, Paula Kornetzky, Marlene Rohde und Chantal Kröner im Rahmen des Seminars „Einführung in den crossmedialen Journalismus“ für Studierende der Medienkulturwissenschaft. Seminarleitung, Redaktion: Ada Rhode, Andreas Nagel, Philip Thomas.