„Mit einem Verlag wird man nicht reich“
Wie arbeitet ein Verlag? Im Gespräch mit der ehemaligen Dozentin und Verlegerin Alessandra Ballesi-Hansen wirft Nils einen Blick hinter die Kulissen ihres in Freiburg angesiedelten Verlags nonsolo, der italienische Gegenwartsliteratur auf Deutsch übersetzt und hierzulande publiziert.
Hallo Alessandra, du warst dreißig Jahre lang Dozentin für italienische Sprache und Kultur an der Uni Freiburg. Wie kommt es, dass du die Stelle aufgegeben hast?
In diesen dreißig Jahren habe ich nicht nur an der Uni unterrichtet, sondern mich gleichzeitig in verschiedenen Kulturvereinen mit der italienischen Kultur und ihrer Verbreitung auseinandergesetzt. Da habe ich feststellen müssen, dass nur wenige Bücher italienischer Autor*innen auf Deutsch übersetzt wurden.
Ich habe mich gefragt, wie man dem deutschen Lesepublikum diese Autor*innen bekannt machen kann. Mit der Unterstützung vieler Freundinnen, die auch in der italienischen Kulturarbeit engagiert waren, habe ich dann den Sprung gewagt und den nonsolo Verlag gegründet.
Einen Sprung gewagt?
Ich wusste nicht genau, was auf uns zukommt, weil ich ja eine Quereinsteigerin in der Verlagswelt bin. Vor der Gründung habe ich noch mit dem italienischen Schriftsteller Paolo Di Paolo, mit dem mich eine sehr gute Freundschaft verbindet, über meinen Traum vom Verlag gesprochen.
Ein Kollege an der Uni Freiburg hat mir dann den Kontakt zu einem Freiburger Verleger ermöglicht, mit dem ich mich über die Frage unterhalten habe, wie man überhaupt einen Verlag gründet. Nach vielen Gesprächen, die eine gewisse Zeit beansprucht haben, wollte ich es dann probieren.
Wie war die Anfangszeit im Verlag?
Am Anfang war es wichtig, Kontakte im Literaturbereich zu knüpfen und sich auf die Suche nach Schriftsteller*innen zu machen. Ich kannte schon einige in Italien, aber dank Paolo Di Paolo konnte ich auch mit manchen Kontakt aufnehmen, die ich sonst nur schwer kennengelernt hätte.
Das Scouting von Schriftsteller*innen macht viel Spaß. Ich kannte das noch von meiner Zeit als Dozentin, als ich über italienische Kulturvereine eine Reihe Autor*innen an die Uni gebracht hatte.
Kann man sich am Anfang finanziell fördern lassen?
Ja, aber man muss erst einmal den Verlag gründen, strukturieren und dann darlegen können, was man vorhat. Für eine finanzielle Förderung kann man als deutsch-italienischer Verlag sowohl in Deutschland als auch in Italien Anträge stellen. Zum Beispiel wendet man sich in Italien an das Außenministerium oder auch an das Ministerium für Wissenschaft, die dann eventuell Gelder für eine Übersetzung bereitstellen.
Der italienische Staat hat uns bezüglich der Übersetzungsfinanzierung stark unterstützt und in Deutschland die italienischen Kulturinstitute, der Börsenverein des Deutschen Buchhandels sowie der Deutsche Übersetzerfonds. Zum Beispiel haben wir vom Börsenverein Geld für die Druck- und Layoutkosten zweier Publikationen bekommen.
Bisher sind im nonsolo Verlag schon acht Bücher italienischer Schriftsteller*innen in deutscher Übersetzung erschienen, das neueste gerade jetzt, im März. Könntest du beschreiben, welche Schritte ein Buch bis zu seiner Veröffentlichung durchläuft?
Man beginnt mit dem Scouting: Wir suchen einen Roman der italienischen Gegenwartsliteratur, der für eine Übersetzung interessant wäre. Dabei wählen wir keine unbekannten Schriftsteller*innen aus, sondern jene, die in Italien oft schon bekannt, Finalisten oder Literaturpreisträger sind.
Wenn man sich für ein Buch entschieden hat, muss man immer schauen, wie hoch die Lizenzkosten sind. Ausländische Literatur zu veröffentlichen ist viel teurer, weil man die Rechte am Buch beim Literaturagenten oder beim italienischen Verlag erwerben und natürlich die Übersetzung finanzieren muss.
Haben wir die Lizenz für ein Buch gekauft, wird es übersetzt. Die Übersetzerin arbeitet dabei im Tandem mit der Lektorin. Beispielsweise werden zwei bis drei Kapitel übersetzt, manchmal auch die Hälfte des Buches, und dann erhält die Lektorin den Text. Es geht so immer hin und her bis man sich einig ist, den richtigen Ton getroffen zu haben.
Wenn die Übersetzung fertig ist, erhalte nochmal ich den Text, um ihn durchzulesen und Anmerkungen zu machen. Sobald ich fertig bin, geht der Text an die Korrektorin. Bei der Korrektur geht es um die Rechtschreibung, Zeichensetzung und auch darum, dass alles nochmal durchgelesen wird, bevor man es zum Druck freigibt. Am Ende kommt das Buch wieder zurück zur Lektorin, Übersetzerin und zu mir, damit wir den korrigierten Text ein letztes Mal lesen können.
Dann geht das Buch zur Grafikerin, die das Layout macht. Danach wird das Buch ein weiteres Mal korrigiert, weil es durchaus sein kann, dass bei der Ausarbeitung des Layouts Teile des Textes verrutschen und schließlich geben wir es in den Druck. Ohne Promotion bewegen sich die Kosten für ein Buch zwischen 7.000 und 8.000 Euro.
Läuft immer alles nach Plan?
Bei unserem ersten Buch Spiegelungen hatten wir noch kaum Erfahrung und waren mit unserem Zeitplan sehr in Verzug. Wie ich aber gehört habe, halten auch große Verlage ihre Publikationsdeadlines oft nicht ein.
Bei Spiegelungen ist uns alles Mögliche passiert und wir mussten eine Zeit lang täglich bis zwölf Uhr nachts arbeiten, um das Buch rechtzeitig fertigzustellen. Es gab manche Phasen, in denen wir wie verrückt gearbeitet haben, aber es macht ja auch Spaß.
Man muss diese Arbeit lieben. Es gibt keine festen Arbeitszeiten. Als Verlegerin habe ich verschiedene Aufgaben, die sich nicht wie in einem Nine-to-five-Job erledigen lassen.
Du hast schon einige Personen genannt, mit denen du im Verlag zusammenarbeitest. Welche Aufgaben gibt es sonst noch?
Wir brauchen im Verlag neben der Lektorin, den Übersetzerinnen und der Grafikdesignerin auch eine Webdesignerin, die sich um unseren Internetauftritt kümmert, sowie eine Projektmanagerin. Alle Mitarbeiterinnen, bis auf unsere Projektmanagerin, sind Freelancer.
Die Verlagsmitglieder gehen noch anderen Beschäftigungen nach?
Ja, klar. Die Übersetzerinnen arbeiten auch für andere Verlage, denn von nur einem Buch im Jahr kann man nicht leben. Irene Pacini ist eigentlich Übersetzerin, aber im nonsolo Verlag arbeitet sie als Lektorin. Auch unsere Projektmanagerin hat noch andere Jobs, sie ist nur einmal vormittags hier. Eine unserer Übersetzerinnen arbeitet noch für den Kultursender arte und gibt italienische Sprachkurse.
Unter geisteswissenschaftlichen Studierenden zählt die Arbeit im Verlag oft zu den beliebten Berufsaussichten. Was würdest du sagen, welche Fähigkeiten man auf jeden Fall mitbringen sollte, wenn man in einem Verlag arbeiten möchte?
Man muss auf jeden Fall Literatur mögen, gerne lesen und interessiert sein, an der Entstehung eines Buches mitzuwirken. Es ist aber auch ein harter Job, in den man viel Zeit investieren muss. Wie es in großen Verlagen ist, kann ich nicht beurteilen, aber in einem kleinen Verlag wie unserem gibt es sehr viele Aufgaben und nur wenige Leute. Man muss viel mitdenken und flexibel sein. Letztlich ist es einfach wichtig, dass man auch Spaß an der Arbeit hat.
Gibt es denn auch illusorische Vorstellungen, die sich Leute von der Verlagsarbeit machen?
Was stimmt ist, dass man nicht reich wird. Der Verleger Daniel Kampa sagte einmal: „Wenn du ein bisschen Geld hast und sicher gehen willst, dass du das Geld verlierst, kannst du gerne einen Verlag gründen.“ Die roten Zahlen sind enorm. Man kann nur auf Bücher hoffen, die beim Lesepublikum gut ankommen.
Was steht beim nonsolo Verlag für das Jahr 2022 in Planung?
Es war eine Lesereise mit der Schriftstellerin Giulia Corsalini und ihrem Roman Die Tschechow Leserin geplant, die wir pandemiebedingt abgesagt und auf Mai verschoben haben. Leider fällt aus den gleichen Gründen auch eine Veranstaltung im italienischen Kulturinstitut in München aus. Das war eine Veranstaltung, die der Deutsche Übersetzerfonds und das Programm #zweiterfrühling finanziert hätten. Dieses Programm fördert die Bekanntmachung jener Bücher, die während der Pandemie, vor allem zwischen Dezember 2019 und Oktober 2021, erschienen sind. Viele Neuerscheinungen sind in dieser Zeit auf dem Markt untergegangen.
Für dieses Jahr sind drei Bücher im Programm: Paolo Di Paolos zweiter Roman Und doch so fern sowie die Übersetzungen von Lisa Ginzburgs Cara Pace und von Lorenzo Amurris Apnea.