Die prekäre Gegenwart
In den letzten Jahren hat sich das ZMF verändert. Acts wie Zeal & Ardor dieses Jahr oder Isolation Berlin letztes Jahr zeugen von einem Booking, das sich immer mehr auch an Indie- und an Subkultur-Fans richtet. Das haben Alexander Hässler (Vaddi Concerts, Ahoii-Club), Marc Oßwald (ehem. Koko/DTK, heute Vaddi) und ZMF-Gründer Alexander Heisler, die das Booking des ZMF betreuen, etabliert.
Man nehme nur das Beispiel Foals: Ja, die Foals sind eine extrem spannende Indie-Band. Sie im Zirkuszelt zu veranstalten ist mutig und per se erst einmal nicht falsch. Auch den Machern des ZMF wird zum Zeitpunkt des Bookings bewusst gewesen sein, dass sie das Konzert wohl nur schwer ausverkauft bekommen würden. Dass sie mit einem Eintrittspreis von fast 60 Euro in erster Linie selbst daran Schuld sind, kam ihnen allerdings erst kurz vor dem Konzert und nach einem katastrophalen Vorverkauf in den Sinn. Wer Tickets von Künstler*innen wie den Foals oder Metronomy und Roosevelt für fast 60 Euro verkauft, zeigt, dass er sich seiner Zielgruppe kaum bewusst ist.
Die durchschnittliche Studentin bezieht 493 Euro BAFöG. Wer die Lebenshaltungskosten in Freiburg kennt, der muss davon ausgehen, dass 50 Euro eine unverhältnismäßig hohe Investition für einen einzelnen Abend darstellen. Man kann die Studis aber nicht ignorieren, wenn man die 2.500 Plätze im Zirkuszelt füllen möchte. So viele Startup-Gründende Hipster-Entrepreneurs laufen dann doch nicht am Güterbahnhof rum.
Gegen Verluste hilft Mut und gutes Booker-Handwerk!
Wie kann man das ZMF also rentabel machen, ohne es zu einem reinen Dieter Thomas Kuhn-Ü40-Dorffest werden zu lassen? Es gibt zwei Möglichkeiten: Die eine ist, dass man sich entscheidet das Freiburger Interesse an Acts wie den Foals nachhaltig wachsen zu lassen. Dafür muss man aber die Ticketpreise wesentlich senken und dann dementsprechend rote Zahlen schreiben. Die finanziellen Reserven für so eine längerfristige Strategie hat die ZMF GmbH auf jeden Fall zur Verfügung, das bestätigte auch Oswald in einem Interview diese Woche. Geht der Plan auf, wächst in Freiburg die aktuell noch recht kleine Szene aus Indie-Musik-Fans, die auch strauchelnden Festivals wie dem Ahoii-Festival oder den Indie-Konzertveranstaltern wie dem Slow Club, dem Swamp oder (neuerdings auch) Vaddi Concerts langfristig mehr Publikum bringen würden. Geht der Plan schief, ist das ZMF in fünf Jahren pleite, sagt auch Veranstalter Marc Oswald.
Eine andere Möglichkeit wäre es, den Fokus bei Indie-Konzerten mehr auf das Spiegelzelt zu legen. Es ist unter Szene-Kenner*innen ein offenes Geheimnis, dass das ZMF überdurchschnittliche Gagen an die Künstler*innen zahlt. Diese Ausgaben sorgen dafür, dass man sie fast zwangsläufig in das Zirkuszelt buchen und dieses dann am besten auch ausverkaufen muss. Dabei wären Konzerte wie das von Sophie Hunger und Mine im Spiegelzelt besser aufgehoben. Es würde solchen Konzerten gut tun, wenn sie in kleinen und dafür rappelvollen Locations stattfinden würden. Alleine schon deshalb, weil die Atmosphäre im nicht mal zur Hälfte gefüllten Zirkuszelt mit trist noch nett beschrieben wäre. Aber um große Namen in kleinen Zelten zu veranstalten, muss man gute Deals abschließen…
Das Zelt-Musik-Festival steht am Scheideweg. Will man rentabel arbeiten und gleichzeitig die überragende Stellung als inklusives Musik-Stadtfestival nicht einbüßen, wird man unpopuläre Maßnahmen treffen müssen. Teile davon werden unangenehm für die Veranstalter, weil sie sich mittelfristig mit roten Zahlen arrangieren werden müssen, in der Hoffnung so langfristig wieder in die schwarzen Zahlen zu kommen.
Andere Maßnahme werden für Indie-Interessierte unangenehm. Denn es ist auch klar, dass man von Seiten des ZMF seltener bereit sein wird, Wagnisse wie die Foals einzugehen. Das schränkt das sowieso schon apokalyptisch anmutende Angebot an guten Konzerten in Freiburg noch mehr ein.