„Wir können es uns nicht mehr erlauben, solche wichtigen Ökosysteme runterzuholzen“. So begründet Gesa, Lehramts-Studentin der Uni Freiburg, ihren Einsatz gegen die Rodungen im Dannenröder Forst. Der von Aktivist*innen liebevoll als „Danni“ bezeichnete Mischwald stand im vergangenen Jahr im Fokus der Klimabewegung, da ein jahrzehntealter Entschluss des Bundesverkehrsministeriums vorsieht, die Autobahn A49 inmitten dieses Waldstücks auszubauen. Dafür werden rund 85 Hektar Wald gerodet, davon 27 im prominenten Dannenröder Forst bei Homberg.
Zwar verspricht die verantwortliche Baugesellschaft Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen, doch Umweltbündnisse wie „Wald statt Asphalt“ und „Extinction Rebellion“ lehnen dies mit Verweis auf Klima- und Wasserschutz sowie einer nötigen Mobilitätswende klar ab. Gesa hat sich der Widerstandsbewegung angeschlossen.
Hi Gesa. Ende November hast du ein Wochenende im Dannenröder Forst verbracht und dort im sogenannten „Dschungelcamp“ übernachtet, einem Zeltlager am Waldrand. Was hat dich bewegt, dorthin zu fahren?
Ich wollte mehr Aktivismus betreiben und mehr Menschen aus der Szene kennenlernen. Im Klimacamp Augsburg und von Freund*innen bei „Ende Gelände“ habe ich viel über die Rodungen gehört, die damals gerade anfingen. Daraufhin dachte ich mir, „Ja okay, lass uns das unterstützen und hinfahren!“
Für Außenstehende: Wie kann man sich vorstellen, was im Wald los war?
Vor ungefähr einem Jahr haben ein paar Leute im Dannenröder Forst Baumhäuser aufgebaut und sind dort eingezogen. Das sind die „Krassesten“, die die Verhinderung der Waldrodungen sehr ernst nehmen. Im Laufe der Zeit entstand zusätzlich eine tolle Infrastruktur, dank derer Leute wie ich, die zum Beispiel nur für ein paar Tage ihren Support zeigen wollten, am Widerstand teilhaben konnten. Das nannte sich dann „Ground Support“.
Während andere die Bäume besetzt haben, standen wir am Boden und haben Demosprüche gerufen, die Gespräche mit der Polizei geführt und so weiter. Dann gab es noch eine Küche im Camp, und überall herrschte eine mega offene Atmosphäre: Es handelte sich nicht um einen geschlossenen Kreis, sondern jede*r war willkommen und wurde gebraucht.
In den Medien wurde der Protest teilweise als „Krieg“ bezeichnet, teilweise wurde der Zusammenhalt unter Protestierenden hervorgehoben. Wie hast du persönlich die Stimmung wahrgenommen?
Unter den Aktivisti galt auf jeden Fall gegenseitige Unterstützung, dafür gab es extra ein sogenanntes „Awareness-Zelt“, wo sich um das Wohlergehen der Menschen gekümmert wurde. Außerdem konntest du dich mit jedem und jeder austauschen. Das ist auch total wichtig, denn diese Art des Aktivismus ist mental anstrengend: Die Erhaltung des Waldes bedeutet dir ja viel, und am nächsten Tag gehst du hin und stehst vor einer riesigen gerodeten Fläche.
Auf der einen Seite war es ein Gemeinschaftsgefühl, da alle zusammen gerufen und für die gleiche Sache gekämpft haben. Auf der anderen Seite war es deprimierend, die Ereignisse mitanzusehen. Letzten Endes haben wir die Rodung ja hinausgeschoben und klar – Aufmerksamkeit geschürt, aber retten konnten wir den Wald nicht.
Als ich heimgefahren bin, hatte ich schon viel zu verdauen, weil das so eindrückliche Erfahrungen waren. Und das, obwohl ich nur zwei Tage vor Ort war.
Du hast erwähnt, dass der Wald für viele Umweltaktivist*innen von großer Bedeutung ist, sogar auf emotionaler Ebene. Geht es euch wirklich um dieses Stück Wald, oder ist der „Danni“ ein Symbol?
Beides. Ein Symbol ist es in dem Sinne, als dass wir uns nicht mehr erlauben können, solche wichtigen Ökosysteme einfach runterzuholzen. Außerdem haben die Anwohner*innen in der Umgebung die ganze Zeit davon geschwärmt, wie schön der Wald ist und dass sie dort jeden Tag mit ihrem Hund spazieren gehen. Der „Danni“ ist ein gesunder Mischwald, und ich kann die Anwohner*innen gut verstehen: Im Wald stehen Tanne neben Laubbaum neben Tanne, das habe ich noch nie so gesehen.
Laut dem „Hessentrend“, einer Umfrage von Infratest Dimap Anfang Dezember 2020, steht die deutliche Mehrheit der jüngeren Hessinnen und Hessen im Alter zwischen 18 und 39 Jahren hinter der Protestbewegung, lehnt also die Rodung des Waldes ab. Über 40-Jährige befürworten jedoch überwiegend den Bau der A49 und somit die Rodung des Dannenröder Forsts.
Es ist zweiseitig, weil die Anwohner*innen erwarten, dass der LKW-Verkehr durch die Dörfer dank der neuen Autobahn reduziert werden wird. Es gibt Stimmen, die sagen, „Ich habe Angst um meine Kinder“, da in den Dörfern total viel Verkehr ist. Die A49 als Lösung für dieses Problem zu sehen, halte ich jedoch für einen Trugschluss, denn mit dem Bau der Autobahn werden nur noch mehr Autos in die Region kommen. Um den Anwohner*innen entgegenzukommen, haben die Aktivisti aber eine Alternativroute vorgelegt, wo die Autobahn verlaufen könnte. Es gibt also Möglichkeiten, die Zerstörung zu begrenzen.
Gab es einen Moment im Wald, der dich besonders bewegt hat?
Ja, da wurde gerade gerodet, wir haben „Ground Support“ geleistet und die harte Linie zwischen Cops und Aktivisti war total sichtbar. Auf den Bäumen waren „Free Climber“, also Aktivisti, die teilweise ungesichert in verschiedenen Teilen der Bäume saßen – Unten, oben, zum Teil nah am Rodungsgebiet. Ich habe mitbekommen, wie einer der ersten Bäume gefällt wurde, ausgerechnet eins mit Baumhaus. Ich habe es auf dem Boden zerschellen hören und wusste: Das war ein Zuhause für jemanden, da hat jemand alles reingesteckt. Außerdem hatte ich den Gedanken: Hoffentlich war da niemand drin.
Man muss sich vorstellen, die Seile zwischen den Bäumen waren wie ein Spinnennetz aufgebaut. Die Polizei hat die Seile durchtrennt und Leben gefährdet, um den Weg für die Bagger freizumachen. Irgendwann waren die Rodungen so nah, dass von den Bäumen heruntergeschrien wurde: „Ihr gefährdet Menschenleben! Uns haut es hier runter, wenn ihr den falschen Baum fällt“. Da haben wir gerufen, nach der Einsatzleitung gefragt, ich wusste aber: Wenn jetzt jemandem etwas passiert, habe ich nicht genug getan.
Abgesehen davon, wie verliefen die Interaktionen zwischen Polizei und Aktivist*innen? Gab es Gewalt oder Gespräch?
Das war extrem vielseitig. Es gab schon auch Gespräche, wir hatten teilweise sogar witzige Unterhaltungen mit den Polizist*innen – je nach dem, wen man angetroffen hat. Vor allem gab es aber ein riesiges Polizeiaufgebot, viel Einschüchterung, viel unnützes Herumstehen von den Cops, was für die dort Wohnenden wie Psychoterror war, da sie nicht wussten: Was ist gerade deren Mission? Stehen die nur rum, führen sie uns gleich ab, bedrohen uns oder sonstiges?
Bleiben wir beim Thema Polizei: Die Mittelhessische Polizei hat wiederholt betont, lediglich ihren rechtsstaatlichen Auftrag zu erfüllen. Richtet sich der Protest eher gegen die Polizei oder den Staat?
Eher gegen den Staat, den die Polizei aber in dem Moment repräsentiert. Dadurch, dass die Polizei vor Ort war und natürlich keine Politiker*innen, waren erstere eben der Feind Nummer Eins, einfach weil sie unsere Aktionen aufhalten wollten.
Zum Zeitpunkt unseres Gesprächs ist die Trasse durch den Wald bereits komplett, der letzte Baum wurde gefällt. Haben die Aktivist*innen den Kampf verloren?
Ich würde nicht sagen, wir hätten verloren. Es gab extrem viel Aufmerksamkeit, Presse, viele Berichte auf Youtube. Durch die Verzögerung der Rodung war es schon gewissermaßen eine erfolgreiche Aktion, nur ohne das große Ziel erreicht zu haben.
Die Frage nach dem „Scheitern“ ist schwierig, denn ein großes Ziel ist immer noch das Schüren von Aufmerksamkeit. Dass die Einwohner so dankbar für den Aktivismus waren und sich zum Teil angeschlossen haben, war auch ein Erfolg.
Was wünscht du dir von der Politik?
Radikalen Klimaschutz. Dass die Macht der Wirtschafft abgeschafft wird, also der Lobbyismus. Und an die Regierenden: Macht einfach euren Job! Der besteht ja darin, das Allgemeinwohl zu sichern, und genau das tun sie damit nicht.
Gibt es noch etwas, was du weitergeben möchtest?
Macht Aktivismus, unterstützt, „spread the message“. Geht nicht davon aus, dass andere Leute das besser können oder schon machen. Letztendlich kommt es auf jede und jeden von uns an.