Mit Freund*innen kann man über alles reden. Eigentlich. Gesellschaftliche Tabus erschweren allerdings so manchen Austausch. Auch das Sprechen über Geschlechtskrankheiten ist immer noch schambehaftet. Carla Chantal und Gabrielle haben sich unter Freiburger Studierenden umgehört und sie nach ihrem Umgang damit gefragt.

Was tun, wenn du den Verdacht hast, dich mit einer Geschlechtskrankheit infiziert zu haben?

An wen kannst du dich bei Fragen wenden? Die Checkpoint Aidshilfe Freiburg bietet vertrauliche Beratung und Tests an. Wir haben mit Robert Sandermann gesprochen, der seit 26 Jahren bei der Beratungsstelle arbeitet und sich selbst noch gut an seinen ersten Test auf Geschlechtskrankheiten erinnern kann.

Sextherapie: über Libido, Grenzen und Begehren

Wie können wir lernen, unsere sexuellen Wünsche anzusprechen, Grenzen im Sexleben zu setzen und Sex als Resource gegen unseren Alltagsstress nutzen? Mit Dr. Daniel Vonwil suchen wir nach Antworten und sprechen mit ihm über seinen Beruf als Sextherapeuten. Außerdem klären wir, welche drei Dinge Daniel für sein Sexleben gerne früher gewusst hätte und was er als Sextherapeut wirklich über Pornos denkt.

Berührend: Tantra-Massage

Weder Gurus noch orgastische Wundermassagen. Die Praxis der Tantramassagen zieht immer mehr Neugierige an und bringt ebenso viele Vorurteile mit sich. Um die damit oft verbundenen esoterischen Klischees zu vermeiden, gibt es nur einen Weg: Es selbst versuchen. Unsere Redakteurin Gabrielle hat einen Tag in einem dreitägigen Tantra-Jugendseminar miterlebt. Einblicke in eine Praxis, die ebenso trendy wie fantasieanregend ist. Hier ist Gabrielles Bericht.

Die Freiburger Sonnenstrahlen dringen an diesem Samstagmorgen durch die grauen Vorhänge der großen Fenster. Ruhige Musik hallt durch den Yogaraum. An den Wänden hängen zwei goldene Gongs und ich frage mich, was ich hier tue. Bis heute hatte ich noch nie einen Yogaraum betreten, sträube mich gegen alles, was nach Spiritualität aussieht, und bin bei weitem nicht die größte Freundin von Körperkontakt. Mein Handy vibriert. Meine Mutter wünscht meiner Tantra-Gruppe sarkastisch viel Glück dabei, „mit einer so entspannten Interviewpartnerin” wie mir zu arbeiten. Ich bin vielleicht nicht die empfindsamste Person, widerspreche aber gerne Vorurteilen und bin offen für Neues.

“Offenheit und Interesse zu lernen”, antwortet Sheala auf die Frage, welche Voraussetzungen junge Teilnehmer*innen zum Kurs mitbringen sollte. Die 32-Jährige ist die “Mutter” der Tantra-Workshops für junge Menschen zwischen 18 und 35 Jahren und leitet die Kurse zusammen mit dem Sexual- und Paarberater Daniel Vonwil. Die ausgebildete Yogalehrerin hat das Angebot „Junges Tantra“ vor vier Jahren mit der Massageschule Amakido entwickelt. Sie erklärt, dass das Angebot sich an junge Leute richten soll, “die sich für Tantra interessieren und gerne teilnehmen würden, denen es aber unangenehm wäre, mit Leuten zu praktizieren, die so alt sind wie ihre Eltern”.

Im Raum versammeln sich schon die ersten Teilnehmer*innen, alle zwischen 25 und 35 Jahre alt. Sie begrüßen sich mit Umarmungen und herzlichem Klopfen auf den Rücken. Von den bordeauxroten und grauen Yogamatten, auf denen sie sitzen, ertönt Gelächter. Ich setze mich daneben. Kaum zu glauben, dass sie sich gestern Abend im ersten Teil ihres Tantra-Seminars zum ersten Mal in ihrem Leben begegnet sind.

Sheala setzt sich uns gegenüber und beginnt den heutigen Tag mit Atemübungen. Nach einer Runde, in der jede*r die Gefühle vom Vortag und die Vorfreude auf den zweiten Tag mit der Gruppe teilt, erklärt Daniel die grundlegenden Tipps für eine gelungene Tantramassage. Grundsätzlich gilt: authentisch zu sein, nach innen und außen achten, zu führen und zu spüren, dass der*die Partner*in präsent ist. Ziel des Seminars ist es zu lernen, wie man ein ganzes Massageritual auf der Vorder- und Rückseite des Körpers durchführen kann. Begonnen wird mit der Rückenmassage.

Sara*, eine der Teilnehmerinnen legt ihr Wickeltuch ab und legt sich nackt auf die dicke Matratze. Sheala setzt sich mit gespreizten Beinen ihr gegenüber. Auf Saras Rücken sind ihre Bewegungen gekonnt, fleißig und fürsorglich. Shelea beschreibt exakt Schritt für Schritt jede Bewegung, jede Berührung, deren Zustimmung im Voraus mit dem oder der Partner*in besprochen werden muss. Das Ganze ist zart und etwas einschüchternd zugleich. Es ist elf Uhr, die zwei unbekleideten Frauen demonstrieren vor der Tantra-Gruppe eine Massage und ich frage mich, wie man diese Reportage wohl illustrieren kann.

Die anderen Teilnehmer*innen kommen aus Karlsruhe, Stuttgart, Basel, nur zwei leben in Freiburg, erfahre ich in einer Pause. Wie sie alle zum Amakido-Kurs gekommen sind? „Ähm…, das war, was oben auf Google stand“, antwortet Tobias*, Mitarbeiter an der Universität Freiburg. Jana ist auf Empfehlung einer Bekannten gekommen und hat einen Freund mitgebracht. Ein weiterer Teilnehmer erklärt, er habe zwischen diesem dreitägigen Seminar in Freiburg und einem doppelt so langen in Köln geschwankt. „Gut, und ich dachte mir, für ein erstes Mal, für den Anfang…”, ergänzt er vielsagend.

Während der Pause ist der Raum umgestaltet worden. Etwa zehn Matratzen liegen auf dem Boden. Ein Los entscheidet darüber, wer nun mit wem die Massagen üben wird. Mein mir zugeloster Partner und ich setzen uns zusammen auf eine mit Ziehtüchern bedeckten Matratze. „Willst du meine Hand halten, um dich an den Kontakt zu gewöhnen?” schlägt er vor und ich lege meine Hand auf seine. Die Berührung wirkt überraschend beruhigend auf mich.

Mein heutiger Partner hat bereits an mehreren Tantra-Seminaren teilgenommen und gibt mir in der Vorbesprechung einige Tipps: über den Körper und die Atmung kommunizieren, sich entspannen, zuhören. Der letzte Punkt scheint mir einigermaßen realisierbar zu sein. In diesen wichtigen Minuten des Vorgesprächs äußert man auch, welche Bereiche des Körpers man meiden möchte, wie sehr man sich nach Körperdruck und Körperkontakt sehnt und welche Bewegungen unerwünscht sind.

Gleich beginnt die Massage, begleitet von Shealas Anweisungen. Ich massiere zuerst. Im Gegensatz zu mir ist mein Partner körperkontaktfreudiger als ich. Das hätte ich wahrscheinlich im Vorgespräch erwähnen sollen. Als ich anfange, ihn zu massieren, frage ich mich, ob man bei einem Tantra-Seminar etwas falsch machen kann? Nach ein paar Bewegungen spüre ich eher einen Körper als eine Person, einen Körper, um den ich mich heute kümmere.

Als wir wechseln und ich seine Hände um meine Schultern und Arme spüre, empfinde ich ein erfüllendes Gefühl. Ich verstehe besser seine Zuneigung zu Körperkontakt. Die Präsenz des anderen Körpers zu spüren, dass die Person nicht weg ist und auch nicht weggehen wird. Das Gefühl, im gleichen Rhythmus zu atmen und Hände zu spüren, die es gut mit mir meinen: eine Sicherheit. Das Wickeltuch, das nun wieder meinen Körper bedeckt, deutet auf das baldige Ende der Massage hin.

Die Augen wieder zu öffnen, verlangt große Willenskraft. Ich richte mich auf und wickle mich in den leichten Stoff meines Tuchs ein. Der Arm meines Partners ruht weiter auf meinen Schultern und wir sprechen über unsere Gefühle, die angenehmsten Berührungen und mögliche Verbesserungen. Um uns herum liegen sich einige Massage-Paare in den Armen, andere tauschen sich auf ihrer Matratze leise aus. Die gesamte Atmosphäre im Raum hat sich entspannt. Oder bin das nur ich?

Beim anschließenden Mittagessen wird über Arbeit, Beziehungen und Heimatstädte gesprochen. Noraya, 29, ist seit einem Jahr Tantramasseurin bei der Amakido-Massageschule. Dass Noraya heute als Gästin an dem Seminar teilnimmt, liegt daran, dass es für eine ausgewogene Gruppe den Kursen manchmal an weiblichen Teilnehmerinnen fehlt. Ein Nachfragemangel, den Noraya sich schwer erklären kann. “Dabei sind solche Kurse genau die richtige Gelegenheit, um zu lernen, wie man seine Wünsche besser kommunizieren kann”, denkt sie laut.

Durch das Erlernen von Tantra-Massagen geben auch die Teilnehmer*innen dieses Seminars unter anderem an, dass sie nach der Offenheit suchen, die ihnen in einer Beziehung gefehlt hat, einen sicheren Raum, um den Partner weiter kennenzulernen, Vertrautheit und eine gemeinsam geteilte Energie.

Als wir von der Mittagspause zurückkommen, spielt Daniel in dem großen Raum lautstark über die Lautsprecher einen Song von Peter Fox ab. Durch übertriebene Beckenbewegungen und erhobene Arme animiert er alle zum Tanzen und gleich bewegen sich zwanzig Personen lachend zu „Schüttel deinen Speck“. Am Nachmittag steht die Yin-Massage auf dem Programm, bei der die Vorderseite des Körpers einschließlich des Intimbereichs massiert wird.

Später am Nachmittag bilden die Teilnehmer*innen einen Kreis, diesmal alle Hand in Hand. Spontanes Feedback des Tages: “Beseelt”, kommt mehrmals vor, “zufrieden” und auch „glücklich“. “Stolz”, sagt eine der Teilnehmerinnen. Ein tonloses “Bong” unterbricht die Ruhe. Einer der Masseure guckt schuldbewusst herum, mit Gongtrommel und Stab in der Hand. Die Gruppe bricht in Gelächter aus. Das bisschen zeremonielle Atmosphäre geht sofort verloren. Auf dem Weg nach unten in die Umkleidekabinen fragt mich ein Teilnehmer, wie es mir geht – selten wurde ich so oft an einem Tag danach gefragt – und wie ich mich fühle. Ich antworte „positiv“. Und er? “Intensiv”, sagt er und lacht.

Vor dem Raum unterhalten sich die Teilnehmer*innen scherzhaft, während sie auf den Stufen sitzen. Telefonnummern werden ausgetauscht, es wird gescherzt und gequatscht. Einer fragt: “Gehen wir was trinken?” und jemand schlägt vor “Auf dem Kanonenplatz könnte es schön sein”. Von dem Wiehre-Seminarraum aus bewegt sich die Gruppe in Richtung Schönberg. Kaum zu glauben, dass diese Menschen in den letzten Stunden so viel miteinander geteilt haben.

* Namen wurden von der Redaktion geändert