Sicherer feiern gehen
Was wäre das Studierendenleben ohne Partys? Für einige Studierende, insbesondere für Frauen und queere Personen, bedeutet feiern gehen aber auch, sich dem Risiko von sexualisierter Gewalt auszusetzen. Die nachtsam-Initiative setzt diesem Problem eine Aufklärungskampagne entgegen. Was dahinter steckt, hat Theresa von uniONLINE herausgefunden.
Seit Kurzem sieht man in Freiburg viele Litfaßsäulen mit schwarz-gelben Plakaten. Darauf steht eine Frage: „Freiburg feiert nachtsam. Und du?“
Hinter der Plakataktion steht die nachtsam-Initiative: eine Aufklärungskampagne gegen sexualisierte Gewalt, die sich sowohl an Club-, Bar- und Festivalpersonal als auch an Feiernde selbst richtet. Jeder Veranstaltungsort in Baden-Württemberg kann sich bei nachtsam registrieren lassen und an einer kostenlosen Schulung teilnehmen. Diese Schulung besteht aus kurzen Videos, in denen Freiburger Schauspielende zu sechs Schwerpunkten einen thematischen Einstieg geben.
Dabei geht es unter anderem um das Risiko, das durch den Aufbau von Locations entstehen kann – zum Beispiel, wenn die Wege zur Garderobe oder zur Toilette nicht gut ausgeleuchtet sind. Der Konsum von Drogen und Alkohol der Feiernden oder auch das Verabreichen von K.O.-Tropfen gehören zu den Themenschwerpunkten. Drei weitere Videos befassen sich mit dem Thema Bedrohungen und Übergriffe, den Partygästen selbst und dem Heimweg der Feiernden.
Das Jazzhaus Freiburg feiert nachtsam
Auch die Mitarbeitenden des Freiburger Jazzhauses denken über die Sicherheit ihrer Partygäste nach. 2021 hat das gesamte Team an einer Schulung der nachtsam-Initiative teilgenommen. „Um die KO-Tropfen hatten wir eine richtige Diskussion“, sagt Loana Keckeisen, Pressesprecherin des Jazzhauses. „Einige waren der Überzeugung, sowas gab es bei uns noch nie, aber die Kollegen von der Bar meinten: Doch, so ein oder zwei Mal.“
Loana Keckeisen hat sich über die Teilnahme an der nachtsam-Schulung gefreut. Das sei gut gewesen, sagt die Mitarbeiterin des Freiburger Clubs, schließlich habe während der Pandemie das Personal komplett gewechselt. Während der Schulung gab es für das Team des Jazzhauses auch die Möglichkeit, eigene Erfahrungen zu teilen. Alle weiblichen Mitarbeitenden des Clubs hätten beim Feiern schon sexuelle Übergriffe oder sexualisierte Gewalt erlebt, sagt Keckeisen. Und sie seien diese auch beim Arbeiten im Nachtleben mitunter sogar gewöhnt. „Mehrere Hände am Po zu haben, wenn man beim Feiern durch eine Menschenmenge geht, das darf einfach nicht normal sein“, sagt sie empört.
Die Mitarbeiterin des Jazzhauses ruft alle Feiernden dazu auf, sich an das Clubpersonal zu wenden, sollten sie selbst belästigt werden oder eine brenzlige Situation beobachten. Das gesamte Team von Einlass, Garderobe und Theke sei auf solche Fälle vorbereitet. „Wir schauen dann auf die Bedürfnisse der Person. Wir können Freund*innen suchen und anrufen, in einen ruhigen Nebenraum gehen oder auch ein Taxi organisieren“, zählt Loana Keckeisen verschiedene Möglichkeiten auf.
Trägerin der nachtsam-Initiative
Die Trägerin der nachtsam-Initiative ist der Freiburger Verein Frauenhorizonte. Frauenhorizonte gehört zu den unabhängigen Frauenberatungsstellen Baden-Württembergs und begleitet Frauen und Mädchen, die sexuelle Gewalt erlebt haben. Seit 2020 hat die Trägerin eine Förderung des baden-württembergischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Integration in Höhe von 624.000 Euro bekommen – verbunden mit dem Auftrag, eine Koordinierungsstelle für mehr Sicherheit im Nachtleben zu schaffen.
Daraus ist die nachtsam-Initiative entstanden, hinter der viel Arbeit steckt: „Zusammen mit den anderen Beratungsstellen Baden-Württembergs haben wir in allen teilnehmenden Städten die Clublandschaft erfasst, unsere Schulungsvideos erstellt und die Plakatkampagne vorbereitet“, sagt Frauenhorizonte-Mitarbeiterin Pia Kuchenmüller, die die nachtsam-Initivative leitet. Sie freut sich über die Sensibilisierungskampagne. „Manche denken durch unsere Plakate zum ersten Mal darüber nach, was sicheres Feiern überhaupt bedeutet.“ Gutes Feiern sei für sie mit einer großen Achtsamkeit gegenüber sich selbst, aber auch gegenüber anderen verbunden. „Generell auf Grenzen achten, diese respektieren und ein offenes Auge oder Ohr für die eventuellen Nöten von Anderen haben. Wenn eine Situation prekär scheint, kann ich fragen, ob bei der Person alles okay ist und sie so unterstützen.“, nennt Kuchenmüller als Beispiel.
Die Rolle der Uni Freiburg
Um noch mehr Menschen mit ihrer Initiative zu erreichen, hat das nachtsam-Team verschiedene Kooperationen aufgebaut, so auch mit der Uni Freiburg. Die Gleichstellungsbeauftragte Dr. Regina Herzog freut sich darüber: „Hinter nachtsam steht ein sehr gelungenes, von Frauenhorizonte ausgearbeitetes Konzept, für das wir gerne Werbung machen.“ Sie selbst habe schon Poster und Postkarten ausgehängt und weitergegeben und das Projekt im Uni-Newsletter vorgestellt. Das sei allerdings im März gewesen, als Corona das Feiern noch schwierig gemacht hat. „Wir werden die nachtsam-Initiative auch im Herbst-Newsletter noch einmal vorstellen“, plant Herzog.
Für die Zukunft wünschen sich Pia Kuchenmüller und ihre Mitarbeitenden von Frauenhorizonte eine „konzessionsgebundene“ Lösung. Das heißt: Neue Clubs und Bars müssten eine Schulungsteilnahme nachweisen, um überhaupt ihre Betriebserlaubnis zu bekommen. So könnten sich beispielsweise auch Freiburger Studierende beim Feiern noch sicherer fühlen.
Info
Mehr Infos über die Kampagne findet ihr auf der Webseite von nachtsam.
Auf Social Media ist nachtsam auf Facebook und Instagram zu finden.