Hallo Amina. Wie kam es dazu, dass du das bedingungslose Grundeinkommen ein Jahr lang erhalten hast?
Ich habe seit Jahren bei dem Gewinnspiel von ‚Mein Grundeinkommen e.V.‘ mitgemacht. Auf die Website bin ich über eine befreundete Kommilitonin gestoßen. 2019 habe ich dann gewonnen und ein Jahr lang jeden Monat 1.000 Euro erhalten. Unversteuert.
Musstest du dafür irgendwelche Gegenleistungen erbringen?
Nein, ich musste keine Gegenleistung dafür erbringen, denn es ist ja ein bedingungsloses Grundeinkommen. Ich habe aber an insgesamt etwa vier Umfragen mitgemacht. Der Verein ‚Mein Grundeinkommen‘ arbeitet mit einer Universität zusammen, die zu den Erfahrungen der Gewinner*innen eine Studie erstellt. Die Ergebnisse werden dann auch veröffentlicht. Man muss an den Umfragen nicht teilnehmen, es wird einem aber nahegelegt und es ist ja auch schön, weil man die Idee ja auch verbreiten möchte.
Du hast das bedingungslose Grundeinkommen von Oktober 2019 bis September 2020 erhalten. Hast du dir dadurch einen konkreten Wunsch erfüllt?
Ja, ich habe viel besser eingekauft. Ich war immer im Alnatura und in Reformhäusern und habe einfach nur auf die Qualität der Lebensmittel geachtet, ohne auf den Preis zu schauen. Und das war richtig schön. Ich glaube das war für mich das Schönste, weil ich wahnsinnig gerne koche und mich gerne mit Lebensmitteln auseinandersetze. Aber ich habe mir auch ein Rennrad gekauft, ein gebrauchtes zwar, aber trotzdem. Und außerdem habe ich mir die Augen lasern lassen.
Hat sich mit dem Geld auch für dein Studium oder deinen Nebenjob etwas verändert?
Ich habe meine Arbeitsstunden im Nebenjob reduziert und statt neun Stunden nur noch fünf Stunden in der Woche gearbeitet. Das war richtig chillig. Als ich die Nachricht bekommen habe, dass ich gewonnen habe, da saß ich gerade im Büro und konnte es kaum glauben. Das erste was ich gemacht habe, ist dass ich einfach gegangen bin. Ich habe mir gedacht: „Jetzt brauche ich ja eh nicht mehr so oft arbeiten kommen.“
Ich habe die Sachen zusammengepackt und habe mich einfach nur gefreut. Es war richtig gut, dass ich da meine Stunden reduziert habe. Dafür habe ich dann nämlich andere Dinge machen können. Bei der Uni zum Beispiel bei einem Projekt mithelfen, bei dem man Kinder begleitet, die einfach ein bisschen mehr Aufmerksamkeit brauchen.
Man hilft ihnen nicht in der Schule, sondern unternimmt einfach schöne Dinge mit ihnen. Es ist wie eine Patenschaft, bei der man einmal in der Woche etwas zusammen macht. Salam-Projekt heißt das. Und das hätte ich nicht gemacht, wenn ich die neun Stunden hätte arbeiten müssen. Man bekommt dort nämlich nur eine kleine Aufwandsentschädigung. Durch den Gewinn war es egal wegen des Geldes und Zeit hatte ich auch mehr.
Das klingt nach einem Herzensprojekt! Wie hat denn dein Freundes- und Bekanntenkreis reagiert, als sie erfahren haben, dass du das Grundeinkommen gewonnen hast?
Meine Freunde haben es mir alle total gegönnt. Und ich weiß auch noch, dass ich am Anfang voll Gewissensbisse hatte, weil ich immer dachte: „Es gibt Menschen, die brauchen das so viel mehr als ich.“ Mir ging es vorher schon richtig gut. Ich habe meine Eltern, die mich unterstützen, einen guten Job und das alles.
Das ging bestimmt drei bis vier Wochen so, dass ich ein schlechtes Gewissen hatte und dachte: „Ich habe es irgendwie nicht verdient. Mir ging es vorher gut – und dann noch besser. Was habe ich einfach für ein Glück, ich habe ja nichts dafür geleistet.“ Meine Freunde haben dann immer gesagt „das ist bedingungslos“ und mich beruhigt, dass ich das ruhig annehmen kann.
Am meisten Angst hatte ich bei meiner Familie. Ich habe vier Geschwister, von denen haben drei schon selbst Kinder. Und ja, die bräuchten das alle noch dringender. Ich dachte, „irgendwie ist das ungerecht aufgeteilt“ und hatte deshalb auch Bedenken, ob sie mir das vielleicht nicht gönnen würden. Ich habe dann mit ihnen darüber gesprochen und sie wollten auf keinen Fall, dass ich etwas für sie ausgebe.
Wie ist es denn jetzt, nachdem dein Jahr mit dem bedingungslosen Grundeinkommen beendet ist?
Ich muss auf jeden Fall wieder darauf achten, wie ich einkaufen gehe und einfach mehr auf das Geld schauen. Ich habe auch etwas beiseitegelegt und gespart. Von dem Geld wollte ich eigentlich nach Kanada reisen, weil ich dort Verwandte habe. Da hat Corona dann einen Strich durch die Rechnung gemacht.
Aber an sich wollte ich mir auch gar nicht so große Anschaffungen machen. Im Grunde genommen bekommst du 12.000 Euro. Und das ist richtig viel Geld. Aber es fühlt sich nicht an wie 12.000 Euro, weil du jeden Monat diese 1.000 Euro bekommst.
Und das ist das, was ich so schön daran finde, weil man die 1.000 Euro dann wirklich zum Leben benutzt. Ich war ein Jahr lang komplett frei, unbeschwert, habe keine Geldsorgen gehabt, habe mir weniger Sorgen gemacht, wie lange mein Vater mich noch finanzieren muss. 1.000 Euro pro Monat ist eine richtig gute Grundlage, auf der man aufbauen kann.
Das Grundeinkommen hat aber noch mehr bei dir bewirkt.
Bevor ich das Grundeinkommen erhalten habe, dachte ich immer, „meine Eltern finanzieren mich und ich darf nicht so durch mein Studium trödeln.“ Das hat mich voll gestresst, weil ich einfach gemerkt habe, dass ich ein bisschen mehr Zeit brauche.
Gerade nach dem Praxissemester war bei mir die Luft raus, das hatte wirklich viel Kraft gekostet. Neben dem Schulalltag musste ich noch arbeiten, weil das Praxissemester unbezahlt ist. Zusätzlich hatte ich auch Prüfungen an der Uni.
Nach dem Praxissemester war ich dann ziemlich langsam in meinem Studium und ich habe mir viele Gedanken gemacht, wie das ist, wenn mein Vater mich weiter finanzieren muss. Und da war es richtig gutes Timing, dass ich das Grundeinkommen gewonnen habe, da war kurz mal wie so eine Pause.