uniCROSS hat Freiburger Studierende mit rassistischen, sexistischen und körperfeindlichen Einspielern aus alten Hörspielen konfrontiert. Das sind die Reaktionen.

Rassismus

„Das haut den größten N-Wort* aus der Weltraumkapsel!“

Tim, Karl, Klößchen und Gabi alias TKKG ermitteln seit mehr als 40 Jahren in einer nicht näher genannten Millionenstadt. Menschen mit Migrationshintergrund werden von der Bande in älteren Folgen besonders häufig unter die Lupe genommen.

Mit rassistischen Sprüchen geizen die vier Junior-Ermittler dabei nicht: Nachdem Willi und seine Freundin Gabi von den arabischen Leibwächtern eines Scheichs beim Lauschen erwischt werden, behauptet das Bandenmitglied: „Wenn ich Farid oder Navas hieße, würde ich mit dem nächsten Flugzeug in die Wüste abschwirren!“ (TKKG, Folge 33, „Wer raubte das Millionenpferd?“)

Regelmäßig werden Vorurteile und Klischees bedient – und schließlich auch bestätigt. Noch in derselben Folge verprügelt Anführer Tim zwei arabische Männer. Gegenüber einem Passanten spielt das Unschuldslamm seine Tat schließlich herunter und vermutet scheinheilig „eine Stammesfehde? Unter Beduinen soll sogar die Blutrache üblich sein, oder verwechsle ich das?“

Gehässige Bemerkungen und Beleidigungen über Herkunft, Kultur und Religion bleiben ebenfalls nicht aus. Selbst diskriminierende Begriffe wie „das N-Wort“* sind immer noch unzensiert zu hören: „Das haut den größten „N-Wort“* aus der Weltraumkapsel!“ (Folge 33, „Wer raubte das Millionenpferd“). Auch bei den Fünf Freunden fällt der rassistische Ausdruck, so etwa in Folge Nummer 8: „Die Fünf Freunde und ein Zigeunermädchen“.

Bodyshaming

„Nimm lieber ab, Klößchen!“

Ein kleiner, korpulenter Junge, ständig am Essen, den Eltern gehört eine Schokoladenfabrik. Willi Sauerlich, wie „Klößchen“ eigentlich heißt, ist deswegen ständigen Demütigungen ausgesetzt. Das Mobbing seiner sogenannten Freund*innen nimmt er stumm hin. Was Willis Charakter neben seiner Liebe zur Süßigkeit ausmacht, ist auch nach aufmerksamem Studium der TKKG-Hörspielreihe nicht klar.

Denn auch nach mehr als 200 Folgen liegt der Fokus regelmäßig auf Willis Übergewicht. In der dieses Jahr publizierten TKKG-Episode 223 „Betrüger Super Sauber“ purzelt der tollpatschige Millionärssohn – laut Schokolade mampfend – beinahe aus einem Fenster, nur um von Anführer Tim abschätzig belehrt zu werden: „Du kannst gar nicht aus dem Fenster fallen, weil dein Allerwertester als Gegengewicht viel zu groß ist.“

In Die drei Fragezeichen nimmt Justus Jonas die Rolle des dicklichen, unbeweglichen Detektivs ein. Seine Kumpane Bob Andrews und Peter Shaw sehen sich daher verpflichtet, sein Essverhalten zu kommentieren. So will sich Justus in Folge 122, „Die drei ??? und der Geisterzug“, wie seine zwei Freunde eine Cola im Bordrestaurant bestellen. „Aber ‘ne Dietcoke für Justus, ja?“, korrigiert der zweite Detektiv die Order.

Sexismus

„Du darfst nur mit, wenn es nicht gefährlich ist – schließlich bist du ein Mädchen.“

TKKG-Mitglied Gabi wird als hübsches, blondes und blauäugiges Mädchen beschrieben, das bei Fällen oft nicht dabei sein darf, weil diese „zu gefährlich“ seien. So sieht das zumindest Anführer Tim, der in TKKG-Folge 1, „Die Jagd nach den Millionendieben“ klarstellt: „Du darfst nur mit, wenn es nicht gefährlich ist, schließlich bist du ein Mädchen.“ Das tierliebe Mädchen tut wie ihr geheißen. Hinter ihren männlichen Kollegen steht sie oftmals zurück.

Auch bei den Fünf Freunden bedarf die weibliche Heldin Anne besonderem Schutz. In der Folge „Die fünf Freunde auf der Spur der Silberdiebe“ ist sie das einzige Mitglied, das Angst in einem Gauner-Hotel hat. Ihr Bruder muss sich folglich um sie kümmern. Überwindet Anne doch ihre Angst, braucht sie die Erlaubnis von Bandenoberhaupt Julien. Nicht immer wird ihr Wunsch erfüllt: „Auf keinen Fall, Anne!“ (Folge 13, 5 Freunde jagen die Entführer)

Dass diese Darstellung von Frauen in Europa-Hörspielen keine Ausnahme ist, zeigt sich bei der „Gruselserie“ von Hans Gerhard Franciskowsky, die Anfang der 1980er Jahre erschien. In Folge 11, „Der Pakt mit dem Teufel“ schreit Protagonistin Angela vor Angst in einem Gruselschloss. Ihr Ehemann gibt ihr daraufhin eine Ohrfeige und sagt: „Eine hysterische Frau bringt man nur mit einer Ohrfeige zur Vernunft.“

Das sagt der Verlag dazu

Konfrontiert mit den Aussagen und Rollenbildern in seinen Hörspielen für Kinder und Jugendliche reagiert der verantwortliche Europa-Verlag zunächst zurückhaltend. Erst nach wiederholter Anfrage beantworten Hörspielproduzentin Heikedine Körting und Verlag Fragen von uniCROSS.

Gedacht seien Hörspiele wie TKKG, Die drei Fragezeichen oder Fünf Freunde für die Jüngsten. „Wir produzieren für Kinder“, bestätigt Körting. Laut der Hörspielproduzentin werden Fünf Freunde und TKKG im Grundschulalter gehört, Die drei Fragezeichen ab acht Jahren. Gelernt werden soll damit eine „sehr saubere, gute Sprache“.

Ob das angesichts teilweise unzeitgemäßer Inhalte gelingt, darf jedoch bezweifelt werden. Pädagoginnen seien im Studio „nicht direkt am Prozess beteiligt“. Es komme aber durchaus vor, dass Verlage „Experten-Teams konsultieren und in den Entwicklungsprozess miteinbeziehen“. Insgesamt hat sich laut Körting, die seit 1969 als Hörspiel-Produzentin tätigt ist, abseits technischer Möglichkeiten bei Hörspielproduktionen „nicht so wahnsinnig viel geändert.“

Der Verlag betont dennoch Fortschritte: ,,Wir beschäftigen uns bezüglich der aktuellen Produktionen sehr intensiv mit den Themen Political Correctness, Alltagsrassismus und Stereotypen.” Eine diskriminierungsfreie Kommunikation sei „sehr wichtig“. Der Verlag betont selbst: ,,Sprache transportiert Weltanschauungen.“

Eine Kennzeichnung der Folgen mit diskriminierenden Inhalten sei in Planung, heißt es im Sommer gegenüber uniCROSS. Und tatsächlich versieht der Verlag seit September heutzutage problematische Folgen mit dem Hinweis: „Dieses Hörspiel wurde vor vielen Jahren entwickelt und aufgenommen. Es ist ein Produkt seiner Zeit. Daher kann es diskriminierende Darstellungen enthalten, die in der Gesellschaft zu wenig infrage gestellt wurden. Jegliche Art von Diskriminierung ist damals wie heute falsch und passt nicht zu unserer heutigen Auffassung von einer vielfältigen und gleichberechtigten Gesellschaft.“ Die Stimme berichtet, dass der Verlag sich entschieden habe, entsprechende Hörspiele in ihrer Originalfassung zu belassen und „kulturelle Versäumnisse der Vergangenheit nicht zu verbergen“.

Auch der Verlag Oetinger arbeitet seine Vergangenheit auf: In der bekannten Hörspiel- und Buchreihe „Pippi Langstrumpf“ wurden veraltete Ausdrücke im Jahr 2007 aus dem Skript gestrichen. Das geschieht nicht ohne Hürden. Verlagsmitarbeiterin Antje Schiefer erklärt: „Jede Änderung stellt einen Eingriff ins Urheberrecht dar und kann nicht ohne Einverständnis der Urheber oder Erben vorgenommen werden“.

Die Autorin Astrid Lindgren sei eine „durchaus tolerante Menschenfreundin gewesen“, so Schiefer. Priorität sei, niemanden durch ihre Texte zu verletzen: „Unser Anspruch ist es, jeden Text, der bei uns veröffentlicht wird, daraufhin zu überprüfen, dass dieser keinen Menschen, egal welcher Hautfarbe, Religion, sexueller Orientierung mutwillig verletzt, diffamiert, ausgrenzt oder ihm unrecht tut.“

Ein pädagogischer Verlag ist Oetinger laut Schiefer nicht. Im Vordergrund stehe die Unterhaltung. Trotzdem gehe es um mehr als Entertainment: „In guten Geschichten lässt sich ganz viel vermitteln. Dieser Verantwortung sind wir uns bewusst.“

Mehr über strukturellen Rassismus und die Kontextualisierung von Wörtern im uniCROSS-Podcast mit Medienexperte Harald Hillgärtner.

*im Original ausgesprochen

Eine Gemeinschaftsproduktion von Kiana Kappen, Marie Saumer, Samantha Pace und Sarah Schenek im Rahmen des Seminars „Einführung in den crossmedialen Journalismus“ für Studierende der Medienkulturwissenschaft. Seminarleitung, Redaktion: Ada Rhode, Karsten Kurowski, Philip Thomas.