Hallo Herr Mandel, Sie sind akademischer Mitarbeiter am Romanischen Seminar, bieten aber auch kostenlose Beratung für Studierende der Romanistik und der philologischen und philosophischen Fakultät an. Wie sind Sie dazu gekommen?
Ich bin am Romanischen Seminar angestellt und habe hier mehrere Funktionen. Einerseits bin ich in Lehre und Forschung aktiv, gebe Seminare, Übungen und arbeite gleichzeitig an unserem Projekt „Emergentes Erinnern”, wo es darum geht, wie Menschen Erinnerungen interaktional herstellen, also wie sie ihre Erinnerungen im Gespräch darbieten und erzählen.
Andererseits bin ich hier aber auch als Berater tätig. Ich habe mich damals mit meiner gestaltpädagogischen Ausbildung, mit mehreren körperpsychotherapeutischen Fortbildungen und dem Anliegen beworben, die Studierenden hier zu unterstützen.
Es gab ein Programm, das im Rahmen der Covid-Folgezeit aufgestellt wurde. Wir haben uns gefragt: Wie können wir die Auswirkungen von Covid an der Universität einholen? Es gab Studierende, denen die Orientierung gefehlt hat, weil es keine Präsenzlehre gab. Es gab zu wenig Kontakte im Universitätsleben. Um solche Anliegen von Studierenden aufzuarbeiten, wurde dieses Beratungsangebot geschaffen.
Was genau kann man sich unter gestaltorientierter Beratung vorstellen?
Es ist erstmal eine Haltung, ein Zugang, eine Offenheit zum Individuum, wie ich auf Menschen zugehe. Es geht vor allem darum, das was ist, erstmal zu bejahen. Also zu sagen, ja, das bringst du mit. Sei es ein Problem, sei es eine Neugierde, sei es eine Unsicherheit. Dann wird gemeinsam geschaut, wo vielleicht Möglichkeiten für die Person sind, was mit dieser Gestalt, Gestaltunsicherheit oder Gestaltneugierde anzufangen ist. Vielleicht gibt es eine Funktion dahinter, die sie übernimmt? Gibt es da eine Lernzone, in der etwas für einen selbst gewonnen werden kann?
Man kann es sich ein bisschen vorstellen, wie vom Sprungturm zu springen. Das 5-Meter-Brett ist beispielsweise die Panikzone, vom Einser springen geht aber gerade so. Dann springt man erstmal vom Dreier und arbeitet sich in kleinen Schritten vor.
Dabei ist wichtig, dass es um den Weg geht, nicht um das Ziel. Vielleicht liegt das Ziel auch ganz woanders. Das wäre ein Bild dafür, wie Persönlichkeitsentwicklung funktioniert.
Mit welchen Anliegen kann man bei Ihnen einen Beratungstermin ausmachen?
Ich coache Studierende im Bereich Abfassen von wissenschaftlichen Arbeiten, also bei der Bachelor- oder Masterarbeit. Dazu gebe ich eine Übung, in der es um Präsentationstechniken, Informationsmanagement und Fragen geht, wie: Wie kann ich selbstsicher auftreten und schreiben? Wie bereite ich mich vor? Wie gestalte ich ein Referat in einem Kurs? All das sind Fragen, die ich hier betreue.
Darüber hinaus gibt es auch private oder persönliche Anliegen, mit denen die Studierenden hier beim Beratungsangebot sind. Das heißt, sowas wie Prüfungsstress, vielleicht auch, dass es zu Hause gerade schwierig ist oder mit Fragen zu aktuellen Beziehungsproblemen aller Art.
Mir ist es ein Anliegen, dass es neben der wissenschaftlichen Karriere auch weitere Wachstumsfelder für uns gibt, sei es im menschlichen Kontakt, sei es im Auftreten, sei es in der persönlichen Verfassung.
Wie läuft ein Beratungstermin ab?
Vorweg wird per Mail geklärt: An welchem Tag? Was sind womöglich die Anliegen? Geht es um Prüfungsstress? Geht es darum, dass es gerade nicht so einfach ist und Studium, Job oder Familie Stress bereiten? Dann lade ich die Person hierher für ein Kennenlerngespräch ein und wir nehmen uns dafür ungefähr 45 bis 60 Minuten Zeit.
Oftmals ergibt sich dann aus der ersten Stunde eine Orientierung, wo gerade der Schuh drückt, wo es hingehen soll, oder wie es aussieht, wenn es gut wäre. Beispielsweise im Falle von Prüfungsstress heißt es dann, dass ich mich besser bei der Prüfung konzentrieren kann oder dass ich nicht mehr so sehr davor Angst habe. Dann gibt es kleine Methoden und Möglichkeiten, kleine Übungen, die darauf abzielen, eine innere Zufriedenheit, einen inneren Kompass zu bekommen, wie man sich im jeweiligen Kontext gut positionieren kann. Da ist das innere Team eine Möglichkeit.
Was genau ist mit dem Inneren Team gemeint?
Das Innere Team ist zunächst eine Annahme über mein inneres Selbst: Vielleicht gibt es da den Unsicheren oder es gibt den Bewertenden, den inneren Richter, das innere Opfer, das sich immer mal wieder äußert. Da ist es gut, einfach mal diese Mitglieder auf dem Schirm zu haben und zum Beispiel zu wissen, wenn ich vor einer Abschlussarbeit sitze, dass entsprechende Teile am Wirken sind. Wenn ich weiß, wer das ist und wie ich damit gut umgehen kann, dann kann ich auch ganz entspannt so eine Abschlussarbeit fertigstellen.
Das Innere Team habe nicht ich erfunden, sondern es geht auf einen Kommunikationspsychologen namens Schulz von Thun zurück. Er hat dazu viel publiziert und es wurde in ganz verschiedenen Feldern repliziert. Während meiner Praxis hier mit den Studierenden, ist es für mich einfach ein Modell, beziehungsweise eine Methode, um den Leuten so eine gewisse Orientierung in Problemlagen oder in Lagen der Unsicherheit ein bisschen weiterzuhelfen.
Am 4. Dezember bieten Sie einen Zoom-Vortrag über die Veranstaltungs-Reihe WissensschUB zum ,,Inneren Team“ an. Wieso lohnt es sich, einzuschalten?
Gestalt geht immer wieder von dem Hier und Jetzt aus, also von der Frage, was die Leute mitbringen, was sie für Anliegen in der Sitzung generieren und das ist das Spannende daran. Ich mache einen Plan und werde etwas vorbereiten. Gleichzeitig möchte ich schauen, mit was die Teilnehmenden da sind. Ich gehe davon aus, dass das diverse Anliegen sind. Vielleicht ein Interesse für das Thema, vielleicht hat jemand schon mal mit dem Modell gearbeitet und möchte sich mehr Inspiration holen.
Am Anfang lernen die Studierenden das Konzept des inneren Teams kennen, woher es kommt, was die Grundpfeiler sind. Danach würde ich gerne mit den Teilnehmenden ihre jeweiligen Teammitglieder besser kennenlernen.
Es wird auf jeden Fall einen interaktiven Vortrag geben. Mir ist wichtig, dass die Zeit nicht von einem monologisierenden Vortrag überbrückt wird, sondern dass wir interagieren und in Breakout-Sessions gehen.