Herr Rozman, Sie sind Psychologe in der Psychotherapeutischen Beratungsstelle des Studierendenwerks Freiburg-Schwarzwald. Wofür gibt es die Beratungsstelle?

Die Psychotherapeutische Beratungsstelle ist eine Anlaufstelle für Studierende in Krisensituationen und bei psychischen Problemen. Tatsächlich sind wir mehr eine Beratungsstelle als psychotherapeutisch tätig. Wir sind im Vorfeld von psychischen Erkrankungen wirksam, wo das Problem noch keinen pathologischen Charakter hat.

Mit welchen Problemen kommen die Studierenden zu Ihnen?

Zunächst einmal beraten wir bei studienspezifischen Problemen, also Arbeitsstörungen, Lernproblemen, Prüfungsängsten und allem, was das Studium sonst betrifft. Aber auch bei Depressionen, Ängsten, Zwängen, Beziehungsproblemen helfen wir.

Wie läuft die Beratung ab während Corona?

Im Prinzip arbeiten wir normal weiter, mit Hygienemaßnahmen natürlich. Wir versuchen auch vieles auf Telefon- oder Videoberatung umzustellen, die meisten Termine finden jedoch vor Ort statt. Die Wartezeit für einen Termin ist momentan etwa zwei Wochen, normalerweise ist die kürzer. Es ist uns sehr wichtig, zeitnah einen Termin anbieten zu können. In psychotherapeutischen Praxen sieht das meistens anders aus.

Was für Auswirkungen haben die Corona-Pandemie und die mit ihr verbundenen Einschränkungen auf die Studierenden? Vor allem auch jetzt gerade, wo der Winter naht?

Am Anfang der Pandemie hatten wir nicht den Eindruck, dass jemand explizit wegen Corona kommt, sondern eher wegen der üblichen Probleme. Im Frühjahr ist die Nachfrage sogar gesunken, weil sich alle zu Hause versteckt und in einem Schockzustand zusammengerissen haben. Mittlerweile sieht das anders aus. Es ist schwierig, den Zustand auf Dauer auszuhalten, den ganzen Tag alleine im Zimmer vor dem Laptop zu verbringen und auf Kontakte zu verzichten.

Das ist schon für psychisch gesunde Studierende eine Herausforderung. Diejenigen, die davor schon Schwierigkeiten hatten, tun sich noch viel schwerer mit der Situation, weil die Mechanismen weggefallen sind, die vielleicht vorher geholfen haben, um mit psychischen Problemen umzugehen. Die Depression nimmt zu, wenn man keinen Sport mehr machen kann, sich nicht mehr mit Freund*innen treffen kann, Ängste und Zwänge nehmen zu.

Zwei besonders betroffene Gruppen sind zum einen Studierende, die am Ende ihres Studiums sind und in einer sehr unsicheren Situation auf den Arbeitsmarkt kommen. Zum anderen sind es die Studienanfänger*innen, die es wohl am schwersten haben. Sie haben überhaupt keine Möglichkeit, in Kontakt mit anderen zu kommen, das macht das Ankommen und die Umstellung am Anfang des Studiums sehr schwierig.

Junge Menschen und Studierende wurden viel für die Ausbreitung der Pandemie verantwortlich gemacht. Dabei wurde oft ignoriert, dass sie eigentlich eine sehr vulnerable Personengruppe sind, die stark unter der Situation leidet. In dem Alter befindet sich sowieso schon einiges im Umbruch, da wird einem durch die Einschränkungen einiges zugemutet.

Besonders im Moment wird man mit Self-Care-Tipps überladen. Man soll joggen gehen, meditieren, baden oder Yoga machen, damit es einem besser geht. Was halten Sie von solchen Tipps?

Vieles davon ist ja bekannt und kann helfen, wenn man es schafft, das regelmäßig und konsequent zu machen. Manchmal reicht es allerdings nicht aus, denn man muss schon einigermaßen stabil sein, um in der Lage zu sein, das umzusetzen. Also: eine Tagesstruktur einhalten, den Tag planen, sich bewegen, soziale Kontakte pflegen und so weiter. All diese Tipps können wirksam sein, wenn die Probleme nicht zu tiefgehend sind.

Woran merkt man, dass die Probleme tiefer gehen? Dass es nicht nur eine kurze, schlechte Phase ist, sondern dass man wirklich Hilfe braucht?

Es ist schwer, dazu eine allgemeine Empfehlung zu geben. Grundsätzlich würde ich sagen, dass man auf das eigene Bauchgefühl vertrauen sollte. Wenn man merkt, es geht mir schlechter als sonst, so kenne ich mich gar nicht, ich komme nicht weiter mit meinem Problem, dann ist es besser, sich Hilfe zu suchen.

Wir haben auch die Erfahrung gemacht, dass manchmal Mitbewohner*innen, Freund*innen oder Kommiliton*innen sich gegenseitig darauf aufmerksam machen, dass sie wirken, als würde es ihnen nicht gut gehen. Manche Menschen tun sich sehr schwer damit, Hilfe in Anspruch zu nehmen, aber ansonsten denke ich, kann man auf das eigene Gefühl vertrauen.

Was wären die ersten Schritte, um sich Hilfe zu suchen?

Wir sind eine ziemlich gute Anlaufstelle, weil wir ein niedrigschwelliges Angebot haben. Wir sind weder an die Uni noch an das Krankenkassensystem gebunden. Wir pathologisieren nichts, und bei uns kann man unkompliziert einen Termin bekommen. Natürlich kann man auch mit Freund*innen sprechen, es gibt telefonische Beratung bei der Nightline, man kann zur Hausärzt*in gehen oder zu anderen Beratungsstellen, zum Beispiel von der Diakonie oder der Caritas. Aber ich glaube, mit den Spezifika von Studierenden und ihrer Lebensphase sind wir am besten vertraut.

Wie kann man Freund*innen unterstützen, wenn man merkt, dass es ihnen nicht so gut geht?

Zunächst ist es wichtig, einen Raum zur Verfügung zu stellen, dass jemand überhaupt offen von ihren*seinen Schwierigkeiten erzählen kann. Auch da gibt es sehr unterschiedliche Persönlichkeiten. Manche erzählen gern und viel, andere sind eher zurückhaltend.

Wenn man das Gefühl hat, jemand braucht professionelle Hilfe, dann kann man dabei auch unterstützen und versuchen, die Person in die richtige Richtung zu bewegen. Das wird in der Regel sehr entlastend erlebt, dass man die Schwierigkeiten von jemandem ernst nimmt und versucht, etwas dagegen zu tun.

Natürlich kann man die betroffene Person auch fragen, was sie brauchen könnte. Und gerade bei depressiven Problem kann man versuchen, die Person aus ihrer Lethargie herauszuziehen, sie aus dem Zimmer holen, an die frische Luft nach draußen gehen. Man braucht ein bisschen Fingerspitzengefühl, wie man was anspricht, aber im Zweifelsfall ist es immer besser, etwas zu tun, als nichts zu tun.

Info

Mehr Informationen zur Psychotherapeutischen Beratungsstelle des SWFR gibt es hier: www.swfr.de/beratung-soziales/psychotherapeutische-beratung/psychotherapeutische-beratung. Die Anmeldung für einen Beratungstermin erfolgt telefonisch unter 0761 – 2101-269 oder per Mail an r.meyer(at)swfr.de.

Wer (anonym) über seine Probleme reden möchte, kann sich bei der Nightline melden, dem Zuhörtelefon von Studierenden für Studierenden: www.nightline.uni-freiburg.de. Einen uniCROSS-Beitrag über die Nightline findet ihr hier: www.unicross.uni-freiburg.de/2019/11/naechtliche-zuhoerer/

Informationen zum Sozialpsychiatrischen Dienst der Diakonie, der in Krisensituationen unterstützen kann, gibt es hier: www.diakonie-freiburg.de

*Die Hilfsangebote erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit