Bunte Buchstaben und Musik in Formen und Figuren – schon seit der Kindheit nimmt Alex, die Welt auf besondere Weise wahr. Im Interview erzählt Alex, wie es ist, mit Synästhesie zu leben und was es bedeutet, wenn der Alltag bunter ist.
Menschen mit diesem besonderen Empfinden können einen Ton beispielsweise nicht nur hören, sondern auch sehen. Bei anderen kann ein bestimmter Geschmack im Mund entstehen, wenn diese ein Wort lesen oder hören. Wiederum andere ordnen Persönlichkeiten verschiedene Farben zu oder spüren Gefühle und Berührungen des Gegenübers am eigenen Körper.
Was ist Synästhesie genau? Die Forschung steckt noch in den Kinderschuhen, es gibt mehrere Ansätze, Synästhesie neurologisch zu erklären. Laut Gregor Volberg vom Institut für Psychologie an der Universität Regensburg handelt es sich dann um Synästhesie, wenn sich zu einem regulären Wahrnehmungserlebnis eine weitere Reizqualität dazugesellt.
Liegt Synästhesie vor, werden Reize mit mehreren Arealen im Gehirn verknüpft. „Das heißt, dass es einen stärkeren Austausch von neuronalen Informationen gibt“, erklärt der Experte. So entsteht beispielsweise eine Verbindung zwischen dem Areal, das einen Buchstaben erkennt und dem Areal, das Farben verarbeitet. Diese Verbindung ist bei den meisten Menschen gehemmt.
Das Gehirn kann nicht jeden Reiz zu allen Wahrnehmungsarealen durchlassen, sonst käme es zu Überstimulation. Personen, bei denen Synästhesie nicht vorliegt, verarbeiten Reize indes in mehreren Gehirnarealen. Eines erkennt etwa die Form, ein anderes die Farbe oder die Textur eines betrachteten Gegenstands.
Synästhesie ist keine psychische Krankheit, macht Volberg deutlich. Die Deutsche Synästhesie- Gesellschaft spricht bevorzugt von „Synästhesie-Begabung“.
Wenn der Alltag anders aussieht
Im Podcast berichten drei Freiburgerinnen von ihrem Alltag mit Synästhesie: Ob als Lernhilfe oder für die optische Vorstellung von Musik – Synästhesie hat viele Facetten. Die ständige Reizüberflutung kann allerdings auch anstrengend sein.
Welche Form von Synästhesie vorliegt, ist laut Volberg davon abhängig, welche Sinneswahrnehmungen stärker ausgeprägt sind. Eine in Deutschland vergleichsweise verbreitete Form ist „Graphem-Farb-Synästhesie“. Dabei werden Buchstaben mit Farben verbunden. Welche Farben die Buchstaben haben, ist laut dem Professor wiederum kulturell geprägt. Demnach verbinden Menschen einige Buchstaben mit speziellen Eigenschaften oder Farben. „Das ‚A‘ ist im Deutschen bei den meisten rot“, erklärt Volberg.
Bisher sind 80 verschiedene Formen von Synästhesie bekannt, bei denen die unterschiedlichsten Sinneswahrnehmungen miteinander verbunden sein können. Schätzungsweise vier Prozent der deutschen Bevölkerung weisen diese neurologische Eigenschaft laut Deutscher Synästhesie-Gesellschaft auf. Viele Begabte bemerken erst spät, dass sie die Welt etwas anders wahrnehmen als die Menschen um sie herum.
Eine Gemeinschaftsproduktion von Anka Steger, Dora Sophie Bachem, Marjana Souley Ali und Elina Wojciechowski im Rahmen des Seminars „Einführung in den crossmedialen Journalismus“ für Studierende der Medienkulturwissenschaft. Seminarleitung, Redaktion: Ada Rhode, Karsten Kurowski, Philip Thomas.