Henry Kesper begann vor sechs Jahren sein Seniorenstudium an der Pädagogischen Hochschule Freiburg. Damals drehte er dem „entspannten“ Rentnerleben den Rücken zu und kehrte zurück an die Hochschule. „Ich wollte zusammen mit jungen Menschen nochmals die Seminarbank drücken“, sagt er.
Für ihn sei es eine der besten Entscheidungen der letzten Jahre gewesen: „Ich finde das wirklich toll mit so vielen jungen Menschen noch einmal in Kontakt zu treten, dass man überhaupt die Chance dazu hat.“
Das Interesse daran Jung und Alt miteinander in Kontakt zu bringen zeigt sich auch an Henry Kespers Engagement in dem Arbeitskreis der PH Freiburg „Die Brücke“. Seit einigen Jahren ist er Leiter dieses Arbeitskreises und versucht gemeinsam mit älteren, jüngeren und ausländischen Studierenden unterschiedliche Sichtweisen auf Themen wie Werte, Sitten oder Körpersprache zusammenzubringen. Gemeinsam erstellen sie Projekte und tauschen sich untereinander aus.
Der Austausch ist wichtig, denn jüngere Studierende sind nicht immer begeistert von ihren älteren Kommilitoninnen und Kommilitonen und haben oft Vorurteile: Sie hielten die Vorlesung durch Fragen auf und nähmen den jüngeren ihre Plätze weg.
Trotz aller Kritik der Jüngeren, darf man eines nicht vergessen: Studierende ab 40 machen lediglich Gebrauch eines ihrer Grundrechte – dem lebenslangen Lernen.
Aber studieren ist nicht gleich studieren, nicht ohne Grund kennen viele das Sprichwort „Was Hänschen nicht lern, lernt Hans nimmermehr“. Wie also unterscheiden sich das Lernen und die Motivation der älteren Generation von den Methoden der Jüngeren?
Im Alter steht man mit mehr Motivation hinter seinem Studium
Wenn man im Alter ein Studium neu aufnehme, entscheide man sich bewusster für ein Studium und dessen Inhalte, wodurch die Motivation, dieses Wissen zu erwerben ebenfalls steige, sagt Dr. Elisabeth Wegner, akademische Rätin am Institut für Erziehungswissenschaften an der Universität Freiburg. Aufgrund der Lebenserfahrung finde man in diesem Lebensabschnitt nicht nur einfacher den Studiengang der die eigenen Interessen vertrete, sondern verknüpfe die gelernten Inhalte wesentlich schneller mit dem Alltag und dem relevanten Kontext. „Jüngeren Studierenden fällt es zu Beginn deutlich schwerer, das Gelernte mit der Welt da draußen zu verbinden.“
Elisabeth Wegner befasst sich in ihrer Forschung schwerpunktmäßig mit Theorien und Wahrnehmungen über Lehren und Lernen und der Frage, inwiefern Metaphern geeignet sind, diese zu erheben oder zu verändern. In einer ihrer Studien stellte sie fest, dass es schon in der Wahrnehmung des Wortes „Lernen“ starke Unterschiede zwischen Alt und Jung gebe.
Viele Studierende, die direkt nach der Schule ein Studium aufgenommen hatten, formulierten mit dem vorgegebenen Satzanfang „Lernen ist …“ Metaphern wie: „Lernen ist das Aufnehmen von Wissen“, was die Theorie von Dr. Wegner bestätigt, dass jüngere Studierende häufig noch nicht an das Verknüpfen des Lernstoffes mit relevanten Themen denken. Ältere Menschen dagegen, die zuvor einen Beruf ausgeübt hatten, bildeten Metaphern wie „Lernen ist, was man braucht, um Probleme zu lösen“.
Altsemester knüpfen schneller an Alltagsthemen an
Es zeigt sich, dass der Lernprozess unter den Älteren wesentlich differenzierter wahrgenommen wird und die Altsemester schon einen Schritt weiterdenken.
„Da bereits ein und dasselbe Wort unterschiedlich interpretiert wird, sollte der Austausch zwischen Alt und Jung vorangetrieben werden“, sagt Dr. Wegner. Im Gespräch könnten ältere Menschen ihre Erfahrungen mit Jüngeren teilen und sie an ihrem Lernvorteil teilhaben lassen.
Ein Vorteil der Jüngeren und gleichzeitig ein Nachteil der Älteren sei dagegen, dass die junge Generation nach der Schule noch viele Lernstrategien präsent und bereit zur Anwendung im Kopf habe. Ältere Menschen müssten erst wieder an ein strukturiertes Lernen herangeführt werden. Eine Gelegenheit für die Jungen, die Altsemester an die Hand zu nehmen.
Alle Lernstrategien funktionieren generationsübergreifend
Laut Elisabeth Wegner gibt es Standardmethoden, die auf kognitiver Ebene in jedem Alter funktionieren. Diese Standardmethoden beinhalten beispielsweise Organisationsstrategien oder Strukturstrategien, die darauf abzielen, dass man die Struktur des Stoffes richtig verstehe und ein Thema richtig kategorisiere.
Eine andere Lernmethode, die die Bildungswissenschaftlerin hervorhebt, ist die Elaboration, das Anknüpfen an Vorwissen. Der Lebenserfahrung der Jüngeren weit voraus, knüpfen die älteren Semester schneller an ihr Repertoire an Wissen an und verbinden neuen Lernstoff mit bereits Bekanntem.
Das Vorwissen kann jedoch nicht nur zu einem Vorteil werden. Elisabeth Wegner beobachtete schon in ihren eigenen Seminaren, dass das Vorwissen auch oft mit einem eingeengten Fokus zusammenhängen kann. Seniorstudierende suchen in Vorlesungen häufig nach einer Bestätigung des ihnen schon erlernten Wissens. „Es kommt immer auf die innere Bereitschaft an, darauf, sich neuen Dingen zu öffnen. Aber so ist das ja auch schon bei den Jungen“, schlussfolgert Dr. Wegner.
Durch Teamarbeit zum Erfolg
Henry Kesper findet den Austausch mit Jüngeren lebendig und interessant. „Ich bin sehr interessiert daran, was die Jungen denken und suche natürlich den Kontakt“, sagt er. Elisabeth Wegner weist aber darauf hin, dass nicht jeder der Älteren so selbstbewusst auf die Jungen zugehen würde.
Für manche der älteren Studierenden ergäbe sich somit ein Nachteil aufgrund der sozialen Strukturen an der Universität. Es gebe weniger Möglichkeiten für Lernstrategien, die den direkten aktiven Austausch erfordern, wie das mündliche Abfragen beispielsweise. Den Älteren fehle oft der Anschluss zu Lerngruppen oder eine Person mit der man gemeinsam lernen könne. Gerade dieser Teil sei aber sehr wichtig und biete eine tolle Gelegenheit, um eine weitere Lernstrategie – das gemeinsame Lernen – anzuwenden und die Vorurteile gegenüber der anderen Generation zu überwinden.
Zusammen lernen
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