… und wie liebst du so? – Offene Beziehung
Labels, Labels, Labels – die Arten zu lieben sind so vielfältig, dass eine Kategorisierung schwerfällt. In der Reihe “Und wie liebst du so?” erklären junge Menschen, was ihr romantisches Beziehungskonzept ausmacht. Diese Woche geht es um eine offene Beziehung.
Welche Beziehungsformen gibt es? Diese Frage lässt sich nicht eindeutig beantworten – deshalb haben wir von uniCROSS vier Menschen in unterschiedlichen Konstellationen gebeten, uns einen Einblick in ihre Beziehung(en) zu geben. Um eine offene Gesprächsatmosphäre herzustellen, lassen wir sie dabei anonym sprechen. Diese Gesprächspartner*in führt eine offene Beziehung.
Hallo, danke für deine Gesprächsbereitschaft!
Kannst du mir erklären, welche romantische Beziehung(en) du führst?
Ich habe eine Partnerin, mit der ich seit über einem Jahr zusammen bin. Das war von Anfang an eine offene Beziehung und hat sich so entwickelt, dass man von den Wünschen ausgeht und fragt: „Was will ich im Moment?“. Ich fühle mich auch zu anderen Leuten hingezogen und würde ihnen gerne näherkommen. Nach und nach, wenn eine*r von uns etwas mit anderen hatte, haben wir gemerkt, was geht und was kommuniziert werden muss. Seit dem Frühjahr habe ich noch etwas mit einer anderen Person, die ich davor nur sporadisch getroffen habe. Mit dieser Person treffe ich mich jetzt regelmäßig, mal jede Woche, mal alle zwei, drei.
Welchen Stellenwert haben deine romantischen Beziehungen im Vergleich zu anderen Beziehungen in deinem Leben?
Die zweite Person würde ich als Romanze betiteln. Vom Platz in meinem Leben her ist es auch schon eine romantische Beziehung mit Gefühlen und so, daher kann sie auch emotional einen großen Platz einnehmen, der dann aber nicht dauerhaft ist.
Wenn wir uns sehen, kann man über alles reden. Ich vertraue der Person grundsätzlich nicht weniger. Der Platz, den meine Partnerin in meinem Leben einnimmt, ist aber fest gekennzeichnet und ich will, dass es unbedingt weitergeht. Diese Zukunftsperspektive habe ich mit der anderen Person nicht, aber das ist auch klar und kommuniziert.
Der Stellenwert von romantischen zu nicht-romantischen Beziehungen ist auf jeden Fall anders. Ich kann mich jemandem, dem ich physisch nahestehe, anders öffnen und auf andere Gedanken und Themen kommen. Mir gibt es viel, die Nähe zu jemandem zu haben, weil meine Beziehung eine Fernbeziehung ist.
Die Grenzen zwischen Freundschaft, einer Romanze, oder einer Person, mit der ich auch Sex haben würde, sind bei mir nicht so strikt. Ich würde nicht sagen, das eine schließt voll das andere aus. Von daher haben meine beiden romantischen Beziehungen natürlich einen hohen Stellenwert, aber keinen extrem höheren Stellenwert als andere Beziehungen mit emotionalem Austausch und Vertrauen.
Wie wird dein Beziehungskonzept von deinem Umfeld aufgenommen?
Gut! Ich weiß voll, warum es mir damit gut geht und was mir daran gefällt. Ich glaube, das sieht man dann auch in Narrativen, die ich gegenüber anderen Freund*innen habe, von daher sehr positiv. Es ist auch nicht so, als würden wir es an die große Glocke hängen, was alles abgeht.
Was hat dir dabei geholfen, deine Beziehung so zu leben, wie du sie grade lebst, dich vielleicht auch inspiriert?
Ich habe relativ am Anfang meiner Beziehung „Ich fühl‘s nicht“ von Liv Strömquist gelesen. Da geht’s darum, dass man sich nicht emotional bindet und eben nur in offenen Verhältnissen bleibt. Sie kritisiert diese falsche Leichtigkeit, dass man mit ganz vielen Leuten etwas hat und dabei unglaublich frei ist, aber im Endeffekt viel weniger von sich gibt. Es war gut, sich am Anfang der Beziehung vor Augen zu führen, dass ich das so explizit nicht will. Dass ich immer noch versuche, die Beziehung besonders zu halten und auch als eine Entwicklung zu sehen und nicht als etwas, was mir grade so viele Möglichkeiten bietet. Ich glaube, sonst würde ich die Menschen dahinter aus den Augen verlieren, oder nicht so wertschätzen.
Würdest du deine Beziehung als exklusiv bezeichnen?
Hm. Es wäre sicher nicht komplett falsch, da ich meine Partnerin als jemanden sehe, mit der ich langfristig plane und mir eine gemeinsame Zukunft vorstelle und das ist schon irgendwie exklusiv.
Und was für eine Exklusivität gibt es mit deiner Romanze?
Gut, die ist auch komplett im Bild. Wir erzählen uns auch, wenn wir etwas mit anderen Leuten haben. Die Person hat sogar auch eine Beziehung. Ich glaube, viel ist auch Sex, irgendwie. Es ist sehr druckfrei, weil wir beide wissen, es klappt gerade gut, aber es muss nicht unbedingt so weitergehen. Wenn sich unsere Lebenswege wieder ein bisschen aufspalten, würden wir sicher befreundet bleiben, in Kontakt bleiben, aber ob wir dann, wenn wir uns dann das nächste Mal wiedersehen, wieder romantisch etwas haben oder Sex haben, ist nicht klar und gesichert. Und wir sind da beide sehr entspannt mit.
Welche Rolle spielt Eifersucht in deinen Beziehungen?
Eifersucht ist in der Romanze nicht wirklich aufgekommen, von beiden Seiten, dadurch dass beide wissen, was bei der anderen Person passiert.
In der Beziehung kommt es auf und man sagt sich dann „Das lässt mich gerade nicht gut fühlen“, und dann versuchen wir, es einzuordnen. Grundsätzlich haben wir aber beide im Blick, dass wir der anderen Person nichts erschweren wollen, weil wir eifersüchtig sind, und meistens legt es sich dann wieder. Es ist aber ganz wichtig, dass man zusammenkommt und das Vertrauen erneuert oder bestätigt, und dass man nicht einfach sagt: „Ok, ich mach jetzt trotzdem was ich will, obwohl du dich damit nicht gut fühlst und eifersüchtig bist“.
Brauchst du ein Label für deine Beziehung? Und was ändert das Benennen für dich?
Labels brauche ich nicht und habe ich ganz lange rigoros abgestoßen. Mittlerweile ist es aber einfach ganz praktisch, wenn man gewisse Kategorien hat, über die man reden kann.
Wir hatten kürzlich überlegt, ob es zwischen meiner Partnerin und der Romanze vielleicht noch eine Art „Freundin“ geben könnte, falls sich irgendwas entwickelt, was eine*r von uns noch mehr vertiefen wollen würde. Grundsätzlich glaube ich, es gäbe den Platz für eine zweite Partnerschaft jetzt nicht – um das Wort zu benutzen, welches ein bisschen drüberstehen soll.
Ich fühle mich oft ein bisschen komisch, diese Begriffe zu verwenden, weil es nicht so genau passt und es dann schwierig zu verstehen ist, was diese Begriffe eigentlich bedeuten. Ist es eine zeitliche Einordnung, die Person kriegt mich einmal die Woche oder einmal im Monat zu sehen, und die andere dauerhaft? Oder ist es eine emotionale Einordnung, also, teile ich bestimmte Dinge nicht, gebe ich bestimmte Dinge nicht preis mit einer anderen Person?
Ich würde sagen, wir versuchen es uns emotional zu ermöglichen, dass wir ganz ehrliche und direkte Beziehungen haben können, ohne zur anderen Person oder Romanze zu sagen: „Ok, ich kann jetzt nicht so für dich da sein, denn das würde zu viel Emotionalität preisgeben.“ Das fühlt sich meistens komisch an. Und da werden diese Begriffe doch wieder aufgeweicht. Es ist praktisch, sie zu haben und dann zusammen eine Bedeutung festzulegen und sich daran zu orientieren.