Nach einem Vortrag des Klimaforschers Volker Quaschning am Montagabend, 22.6.2022, riefen Studierende der Gruppierung “Transformations-Uni 2.0” zur Besetzung des Hörsaals 1010 des KG I auf. Sie forderten die Uni unter anderem dazu auf, den sozial-ökologischen Notstand auszurufen. Nach einer Woche der Besetzung hat die Gruppierung die Besetzung am 27.6.2022 beendet und ist auf das Gesprächsangebot des Rektorats eingegangen.
uniCROSS hat am dritten Tag der Besetzung mit Lucas von “Transformations-Uni 2.0” sowie mit Bastian Strauch von der Pressestelle der Uni gesprochen – eine Momentaufnahme inmitten einer Aktion zivilen Ungehorsams.
Die Aktivist*innen
Die Gruppierung “Transformations-Uni 2.0” bestehe im Kern etwa aus 20 Studierenden, erzählt uns Lucas. Sie hatten die Besetzung im Voraus geplant, sich auf Forderungen geeinigt sowie Flyer und Plakate drucken lassen. Nach dem Vortrag blieben aber spontan um die hundert Studierende, viele auch über Nacht. Sie grenzen sich von der Gruppierung “Transformations-Uni 1.0”, welche im Jahr 2020 das Audimax der Uni ebenfalls im Kampf für das Klima besetzte, klar ab.
Die Besetzer*innen fordern die Universität als institutionelle Repräsentantin der Wissenschaft dazu auf, den sozialen- ökologischen Notstand auszurufen. Ihre Forderungen formulieren sie in einem Blog, außerdem sind sie auf Instagram aktiv.
Den Lehrbetrieb beeinträchtigte die Besetzung kaum: „Es gelingt uns bislang noch, alle in diesem Raum stattfindenden Veranstaltungen in andere Räume zu verlegen”, sagt Bastian Strauch von der Pressestelle der Universität am Mittwoch.
Was sind die Forderungen?
“Wir sind hier, weil wir dafür kämpfen, dass die Uni einen sozial-ökologischen Notstand ausruft, weil wir diesen Notstand bereits haben“, sagt Lucas von “Transformations-Uni 2.0”. Die Universität solle ihre Position nutzen und durch den Ausruf des Notstandes einen gesellschaftlichen Wandlungsprozess anstoßen.
Was genau das für die Universität bedeutet, soll laut Bastian Strauch von der Uni in Gesprächen mit den Aktivist*innen ausgehandelt werden.
Die Zeit, um noch etwas an der drohenden Klimakrise ändern zu können, werde immer knapper, erklärt Lucas. Sechs von neun planetaren Grenzen seien bereits überschritten, und wenn nicht bald gehandelt werde, seien laut IPCC Bericht 2022 in der Zukunft Milliarden von Menschen zur Flucht gezwungen.
Lucas betont auch die Angst vor einem Rechtsruck in der Gesellschaft aufgrund der kommenden Fluchtbewegungen. Das habe man schon bei dem Aufstieg der AfD nach der Ankunft der Geflüchteten im Jahr 2015 erlebt.
Wie laufen die Verhandlungen mit der Uni?
Sowohl Aktivist*innen als auch Uni seien gesprächsbereit. Erste inoffizielle Gespräche hatten sowohl am Montag als auch am Dienstag stattgefunden. Der Umgang sei sehr nett gewesen, das versprochene Gespräch mit der Rektorin habe bisher aber trotzdem noch nicht stattgefunden.
Die Universität habe dann ein offizielles Gesprächsangebot gemacht, gleichzeitig aber mitgeteilt, dass dieses Gremium nicht entscheidungsbefugt sei. „Damit können wir uns nicht zufrieden geben und haben daher dieses Gesprächsangebot nicht angenommen.“ sagt Lucas weiter.
Die Universitätsleitung reagierte daraufhin mit einem weiteren Statement: Da die Besetzung eines Hörsaals eine rechtswidrige Aktion sei, könnten keine weiteren Gespräche stattfinden, solange die Aktivist*innen weiter die Uni besetzten.
Hörsaal freiwillig geräumt
Schließlich entschieden sich die Aktivist*innen dazu, einen Schritt auf das Rektorat zuzugehen und den Hörsaal am Morgen des 27. Juni – eine Woche nach Beginn der Besetzung – zu räumen. Davon erhofft sich “Transformations-Uni 2.0”, dass die bis versprochenen Gespräche mit dem Rektorat auch tatsächlich stattfinden. Zudem wurde der Gruppierung zugesichert, dass ihr Anliegen in der nächsten Senatssitzung vorgetragen wird.
Die Besetzung sei zwar ernst genommen worden, trotzdem sei das Gefühl entstanden, dass es der Universität im Moment weniger um die schnelle Umsetzung der Forderungen sondern mehr um die möglichst schnelle Beendigung der Besetzung gehe, sagt Lucas.
Reaktionen aus der Uni und darüber hinaus
Bisher seien größtenteils positive Reaktionen gekommen, sagen Mitglieder der Gruppierung “Transformations-Uni 2.0”. Sowohl die verfasste Studierendenschaft als auch Mitarbeitende der Universität hätten ihre Solidarität bekundet. Seit Dienstag habe sich auch der Sicherheitsdienst der Universität mit den Besetzer*innen solidarisiert, so Lucas.
Auch der Klimawissenschaftler der NASA Peter Kalmus bekundet seine Unterstützung für die Besetzung der Uni Freiburg: Angesichts der Notlage in der wir uns befinden sei ziviler Ungehorsam wichtig, um Politik zum Handeln zu bewegen. Die Vergangenheit habe gezeigt, dass studentische Aufstände gesellschaftlichen Wandeln herbeiführen könnten, sagt der Harvard-Alumnus und Aktivist.
Update der Redaktion (Stand 19.07.2022): Im Anschluss an die Besetzung zogen die Aktivist*innen am 27.06.2022 für eine Protestaktion vor das Rektorat. Seitdem finden fortlaufend Gespräche mit der Universitätsleitung, dem Senat und der Studierendenschaft statt.