Wir sind längst nicht mehr nur auf unsere Kleidung oder Frisur angewiesen um der Welt mitzuteilen, wer wir wirklich sind. Social Networks geben uns die Möglichkeit, alles über uns zu verbreiten, was wir dem Rest der Welt zeigen wollen. Doch wie weit sollte diese Selbstdarstellung gehen? Und geht es überhaupt noch ohne?
Stefanie, du hast dir bereits vor zwei Jahren im Zuge des Projekts „Trendblogger“ Gedanken zum Thema Selfies gemacht und einen Beitrag veröffentlicht. Damals hast du unter anderem zwischen Selbstdarstellung und Selbstverliebtheit im Bezug auf Selfies unterschieden. Wieso interessierst du dich für Selfies?
Damals waren Selfies ein Aufreger. Den Artikel habe ich ja vor zwei Jahren geschrieben, das könnte man heute nicht mehr so schreiben, denn es ist keine Frage mehr, ob man Selfies macht, sondern es ist völlig normal geworden.
Aber Selfies haben ja immer noch einen schlechten Ruf. Was glaubst du, woher der kommt?
Ich glaube, dass die Menschen versuchen wollen so zu tun, als ob sie sich nicht extra dafür schön machen müssten. Überhaupt alles, was damit assoziiert wird, dass man sich besonders gut darstellen möchte, ist immer so ein bisschen verpönt: Etwa viel Make-up tragen oder Übungen machen, damit der Arsch gut aussieht und so weiter. Man schämt sich ein bisschen dafür, dass man schön sein will, glaube ich.
Wie siehst du Selfies?
Ich mache total viele Selfies und schicke die meinen Freunden. Ich versuche aber sie nicht zu veröffentlichen, weil es mir doch unangenehm wäre, wenn das Internet voll mit Bildern von mir wäre. Mir ist es auch peinlich, wenn ich so wirke, als ob ich total selbstbesessen wäre. Ich versuche allgemein Sachen privat zu halten.
Steht das nicht eigentlich im Gegensatz zu dir als Bloggerin?
Es soll ja nicht um mich gehen, wenn ich was blogge. Ich habe die Hoffnung, dass es einen Mehrwert für andere hat. Denn manche Sachen, die ich mache haben keinen Mehrwert für andere, wenn ich zum Beispiel ein Foto von mir selber mache, wie ich müde aussehe, dann möchte ich das nicht in die gleiche Schublade stecken wie meine Texte.
Und wie stellst du dich dabei selbst dar?
Wenn ich so lese, was ich geschrieben habe in den letzten Jahren, dann merke ich selbst, dass ich immer versuche lustig zu sein. Im echten Leben bin ich gar nicht so lustig. Ich hab über Selbstdarstellung nachgedacht, weil ganz viele von meinen Freunden jetzt Tinder haben. Ich habe überlegt, dass es total schwer ist, ein Profilfoto für Tinder auszuwählen.
Bei Tinder zählt, anders als bei Facebook zum Beispiel, jedes Detail auf einem Foto. Die meisten gucken sich nur ein Foto an und dann machen sie weiter. Alles was auf dem Foto drauf ist, sagt ja etwas über dich aus. Das ist eine zugespitzte Selbstdarstellung in einem einzigen Bild. Und es geht ja auch darum, zu sagen, das bin ich und wenn du diese Person magst, dann solltest du jetzt nach rechts swipen. Ich wüsste nicht, wie ich mich darstellen sollte.
Wie weit sollte man mit der Selbstdarstellung gehen?
Eigentlich kann es ja jeder so machen wir er will.
Aber gibt es da vielleicht eine Grenze, die du selbst setzt?
Ja, zum Beispiel wenn eine Person, die ich kenne und der ich auf Instagram folge, halbnackt mit ihrem Freund zu sehen ist. Da denke ich mir, „Post-Sex-Selfie“, das ist irgendwie peinlich. Aber das ist eine persönliche Schmerzgrenze und da hat ja jeder seine eigenen Vorstellungen von dem, was man nicht teilen will.
Ich stelle mir vor, wenn ich mich für einen Job bewerbe und jemand googelt mich: Inhalte von denen ich weiß, dass sie nicht von bestimmten Personen gesehen werden sollten, sollte ich vielleicht auch nicht posten. Meinungsartikel sind auch schon schwierig, wenn man zum Beispiel einen politischen Artikel schreibt. Da würde ich dann wieder sagen, dass ich eine politische Meinung habe, damit muss der Arbeitgeber leben können.
Glaubst du denn, dass man soziale Medien nutzen kann, ohne sich selbst darzustellen?
Man könnte nur lesen, also nur passiv dabei sein. Aber das macht man im Leben ja auch nicht. Man stellt sich auch im Leben dar. Wenn du nur liest was andere schreiben, dann hinterlässt du keinen Abdruck, aber ich glaube alles was du sagst, was du äußerst ist eine Form von Selbstdarstellung. Du kannst dich fragen, ob der Hauptgrund, weshalb du etwas veröffentlichst, ist, dass man mehr über dich herausfindet oder mehr über etwas anderes erfährt.
Und wie ist das bei dir? Inwiefern geht es so bei deinem Schreiben um Selbstdarstellung?
Mir geht es eigentlich nicht um Selbstdarstellung, sondern normalerweise möchte ich einfach, dass meine Meinung gehört wird, beziehungsweise, dass ich dafür Geld bekomme, je nach dem. Ich habe einfach irgendwas, was ich lustig finde, von dem ich glaube, das würde andere Menschen unterhalten oder irgendwas, was ich für wichtig halte. Ich mag diesen Journalismus, der durch das Internet entstanden ist, in dem die Menschen sich selbst mit einbringen, in dem sie sagen: Das ist meine Perspektive, die ich hier präsentiere, das ist meine Meinung und ihr könnt jetzt lesen und dann könnt ihr euch eure Meinung bilden. Ich finde es schöner und natürlicher, wenn man sich selbst mit einbringt in einen Artikel, wenn man also einfach ehrlich ist und sagt: Ich bin auch nur ein Mensch und ich sehe das so.
Welche Folgen und Möglichkeiten siehst du durch die technologisierte Selbstdarstellung im Netz?
Eine Sache, die auch schon passiert, ist, dass Menschen ihr eigenes Bild in den Medien, selbst in die Hand nehmen. Das ist gerade im Bereich von bekannten Personen so. Früher haben Paparazzi oder Fotografen Fotos gemacht und über Celebrities berichtet. Die Medien waren ein Feind.
Jetzt sind die Medien mehr von den Leuten gemacht über die berichtet wird oder die über sich selbst berichten. Sie stellen sich selbst dar und das ist viel besser im Vergleich zu dem, was es davor gab. Aber gleichzeitig werden auch Leute, die überhaupt nicht berühmt sind, auf dasselbe Level gehoben. Man kann genauso viel herausfinden über irgendjemanden, der überhaupt nicht bekannt ist, eine private Person, wie zum Beispiel über Beyoncé. Und das ist lustig, weil es ein bisschen demokratisch ist. Ich finde das eigentlich schön: Alle können alles machen.