Die Hippies haben geträumt letzte Nacht. Natürlich haben sie das – im Nachhall der kosmischen Klänge, die ihre Seelen am Abend zuvor so schön vereint hatten. Singa, die gerne „die Orgasmen des Lebens“ spürt, befindet gerade: „Das ist gut“, als ihre Mitbewohnerin Luca und die anderen Radikalen ins Zimmer stürmen und sie aus ihrem Luftschloss zerren.
Abseits der Träumerei ist das nämlich das Gewächshaus einer ausgedienten Gärtnerei, in der sie wegen der Wohnungsnot in Freiburg illegal wohnen. Für die Radikalen ist klar, wie ein solcher Missstand beantwortet werden muss: Mit Protest! Revolution! Revolte! Ganz schön harter Tobak, finden die Hippies. „Wir bevorzugen weiche Drogen“, entgegnen sie.
Es ist eine grelle, aufgewühlte Welt, die Mondo, das Musiktheater des Studierendenwerks, an den kommenden drei Wochenenden auf die Bühne der MensaBar bringt. „respect!“ erzählt von einem Potpourri an Intellektuellen, Hippies und Aktivist*innen, Künstler*innen und Feminist*innen, die in Freiburgs studentischem Milieu der 1970er Jahre aufeinanderprallen und die großen Themen ihrer Zeit diskutieren – vom Häuserkampf bis zur Atomkraft. Sie alle haben etwas zu sagen, sie alle haben Ideale, sie alle sind auf der Suche.
Aber können sie auch gemeinsam kämpfen? Und wie steht es um den gegenseitigen Respekt? Ausgestattet mit den größten Pop und Rock Hits des Jahrzehntes („Lady Marmalade“, „YMCA“, „Don’t Stop Me Now“) singt, tanzt und streitet das 25.-köpfige Studierenden-Ensemble in dem knapp zweistündigen Musical um Antworten und zieht dabei so manche Parallele zur heutigen Zeit.
Wieder volle Fahrt voraus: Eine Post-Pandemie Zeitreise mit Gegenwartsbezügen
„Nach der Coronazeit war klar für mich und das Studierendenwerk: jetzt brauchen wir mal wieder so was richtig Lautes, Buntes. Eine Show, die fetzt auf der Bühne“, sagt Regisseurin Stephanie Heine. „Und dann überlegt man, was ist studentisch, was bewegt Studenten, und dann kommt man natürlich auf diese wilden Jahre.“
Stephanie Heine inszeniert bereits seit 15 Jahren für das Projekt, das zum 550. Geburtstag der Universität ins Leben gerufen wurde. Die Mehrzahl der unter ihrer Leitung entstandenen Produktionen waren eigene Stücke, die ein thematischer Bezug zu Freiburg und zum Leben der Studierenden eint.
Mondos erstes großes Post-Pandemie-Musical im Sound und Zeitgeist der explosiven 70er Jahre ertönen zu lassen, lag für Heine nicht nur auf der Hand, weil Schlaghosen heute wieder im Trend liegen und die Songs von Queen auf vielen Party-Playlists omnipräsent bleiben.
Ob Gender oder Klimawandel, auch viele gesellschaftlichen Themen, die in den 70er Jahren (erstmals) heiß diskutiert wurden, sind heute aktueller denn je. „respect!“ scheut sich nicht, diese Kontroversen aufzugreifen, bleibt dabei aber spielerisch und unterhaltsam. Ein politisches Theaterstück, betont Heine, sei es nicht.
„Es geht bei uns eigentlich immer mehr um das Soziale und um den Menschen. Wir diskutieren jetzt nicht ernsthaft den Häuserkampf, aber wir überlegen, was macht denn der Häuserkampf mit den Menschen? Dann passt es auch mit den rockigen Songs, die wir performen.“
Vom Seminarraum auf die Showbühne
Kurz vor der Hauptprobe am Samstag ist der Glanz und Glamour, den Heine verspricht, bereits in allen Ecken und Winkeln der MensaBar zu erhaschen. Einige der Darsteller*innen schlüpfen gerade noch in ihre Kostüme – Pink für die Feminist*innen, Perlen für die Hippies – andere singen und tanzen schon zum Soundcheck ihrer Mitstreiter*innen. Bereits seit April letzten Jahres probt der Cast für die kommenden acht Vorstellungen. Für viele ist es der erste Auftritt in einem Musical.
So auch für Miriam Gehringer, die in Freiburg Grundschullehramt studiert. Sie hat seit ihrer Kindheit klassischen Gesangsunterricht und spielt mit ihrer Musik auf Hochzeiten und Taufen. Die diesjährige Teilnahme bei Mondo ist für sie die Erfüllung eines Jugendtraums, bei der sie auch viel darüber gelernt hat, „wie so ein Musical entsteht, was da alles dahintersteckt“.
„Ich habe richtig Bock, jetzt bei mir zu Hause mal ein Musical auf die Beine zu stellen. Oder auch später mal in der Schule, mit meiner Klasse.“
In „respect!“ spielt Miriam die Künstlerin Lilith, die mit ihrer Freundin Angel stets etwas abseits des Geschehens bleibt, die Dramen in der Kommune kommentiert und dabei gerne ein Glas Whiskey trinkt.
„Lilith ist eher so der nüchterne Typ. Also nicht nüchtern vom Alkoholpegel, sondern nüchtern vom Wesen her“, lacht sie. „Ich glaub, das war schon ein bisschen ein Type-Cast. Weil ich auch nicht so aufgedreht bin und eher mal sag, hier Butter bei die Fische, jetzt kommt mal wieder runter.“
Für Heine, die in Freiburg Gesangspädagogik studiert hat, ist das Abstimmen von Darsteller*in und Rolle ein zentraler Bestandteil ihrer Arbeit mit Laien.
„Wenn man einen Profi hat, kann man sich natürlich irgendwelche Rollen überlegen, und der Profi führt die dann aus“, sagt sie. „Das habe ich gemerkt, das funktioniert für uns nicht gut. Dann kommen die Darsteller immer in ein künstliches Spiel.“
Bei Mondo ist sie immer mehr dazu übergangen, die Stücke kollaborativ mit den Studierenden zu erarbeiten. Sie setzt den groben Rahmen und wählt die Lieder aus, und „davon ausgehend improvisieren wir dann, und diskutieren, und die Studierenden können sich selbst überlegen: Wer bin ich denn? Wer möchte ich sein?
„Letztendendes schreibe ich dann schon die Dialoge, aber nachdem ich schon ganz viel Improvisation von denen gehört habe. Dann habe ich deren Tonfall im Kopf und kenne schon den Menschen“, sagt sie. „Das ist eine wirklich schöne Zusammenarbeit.“
Der letzte Premieren Feinschliff: Mondo ist bereit für großes Musical
Eine Woche vor der Premiere von „respect!“ ist der Mondo Cast mehr als bereit, die Früchte dieser Zusammenarbeit endlich zu ernten. Nach dem Soundcheck und bevor es mit der eigentlichen Probe losgeht, ruft Heine noch zu einem kurzen Kuschelkreis auf. „Das passt aber nicht zu meiner Rolle“, schmunzelt Miriam, bevor sie sich zu der Runde dazugesellt.
Kurz darauf steht sie dann auch schon auf der Bühne und erzählt Angel, wie das damals war, in den schillernden 70er Jahren, als so vieles im Aufbruch war und eine ungleiche Freiburger Kommune in einer alten Gärtnerei um die Grenzen der Solidarität rang: „Verwirrend. Verrückt. Alles und nichts“.
Was folgt ist ein Tanz- und Gesangsspektakel in zwei Akten, das an Neonfarben, Wortwitz und Talent nicht spart. Bis auf ein paar letzte Abstimmungsfehler läuft in der Probe alles rund. Auch Stephanie Heine ist zufrieden und fühlt sich gut vorbereitet für die Premiere am Freitag. Die Zuschauer*innen, sagt sie, können sich auf einen wirklich großen Musicalabend freuen.
„Man muss es echt am besten zwei Mal angucken“, sagt sie. „Das sind 25 Leute auf der Bühne. Jeder hat so liebevoll an seinem Charakter gefeilt und die sind alle irgendwie so skurril und extrovertiert. Es gibt wirklich viel Witziges zu sehen, es ist einfach unterhaltsam und hat auch Tempo und Witz. Und trotzdem nimmt man auch ein bisschen was über die Sorgen und Nöte zum Nachdenken mit.“
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