Von Aha-Erlebnissen und emotionalen Knoten
Viele Studierende haben mit psychischen Problemen zu kämpfen, wissen aber nicht immer, an wen sie sich damit wenden können. Die Psychotherapeutische Beratungsstelle (PBS) des Studierendenwerks Freiburg hilft als erste Anlaufstelle bei Sorgen und Nöten weiter. Was die PBS alles zu bieten hat, erzählt der Psychologe Matic Rozman.
Hallo Herr Rozman, Sie sind Psychotherapeut und arbeiten bei der PBS. Was ist die PBS?
Der Name „Psychotherapeutische Beratungsstelle“ ist ein bisschen irreführend, wenn man sich das genauer anschaut. Wir sind zwar alle im Team hier Psychotherapeuten, leisten im engeren Sinne aber keine psychotherapeutische sondern eher beratende Arbeit für Studierende mit psychischen Schwierigkeiten, in Krisen, mit Studienproblemen, die für diese Lebensphase typisch sind. Wir versuchen, die Schwelle möglichst niedrig zu halten. Erstens sind wir keinem Krankenkassensystem angeschlossen, schon deswegen leisten wir keine Behandlung, sondern versuchen im Vorfeld von psychischen Erkrankungen zu arbeiten, präventiv also. In den Krisenzeiten, wenn Studierende zu uns kommen, lässt sich noch vieles machen und vieles gerade biegen. Wenn Psychotherapie aus unserer Sicht benötigt wird, dann werden die Betreffenden entsprechend weitergeleitet.
Welche Expert*innen sind hier die Ansprechpartner*innen für die Studierenden?
Wir sind inzwischen ein Team von elf Personen, also ausgebildete Psychotherapeut*innen, die auch fast alle niedergelassen sind und in eigener Praxis arbeiten. Wir haben somit sehr gut ausgebildete und erfahrene Berater hier. Es gibt ja verschiedene Therapieverfahren und wir sind mit Ausnahme einer Kollegin, die Verhaltenstherapeutin ist, alle Psychoanalytiker.
Was sind die verschiedenen Angebote der Beratungsstelle?
Wir arbeiten psychoanalytisch und versuchen, die Probleme der Studierenden zu verstehen, um ein paar Ideen zu entwickeln, die einem helfen können, die Konflikte in verschiedenen Lebensphasen zu verstehen: Warum habe ich jetzt diese Probleme und was hat das mit mir als Person zu tun – auch vor dem Hintergrund der eigenen biographischen Situation. Wenn es gelingt, ein “Aha-Erlebnis” zu erzielen, kann das manchmal einen gewissen emotionalen Knoten lösen. Wir arbeiten dabei weniger mit konkreten Techniken, dass wir sagen, die Studierende müssen dies oder jenes verändern und dann wird es besser. Für konkretere Empfehlungen und Ratschläge, wie man zum Beispiel mit seinen Prüfungsängsten umgehen kann, haben wir unser Kursangebot. Dort werden Probleme konkret angegangen. Aber in unseren Einzelgesprächen geht es mehr darum, die Themen und Schwierigkeiten zu verstehen, die die Studierenden beschäftigen.
Welche Rolle spielt die Psychoanalyse heute noch in der Therapie? Ist sie im Vergleich zu anderen Therapieformen nicht auf dem Abstellgleis?
Darüber streiten sich die Gelehrten. Ich würde dem vehement widersprechen. Die Psychoanalyse ist noch sehr am Leben und auch sehr effektiv. Leider passen manche Ansichten nicht ganz zu dem Zeitgeist, in dem etwas schnell passieren sollte. Die Psychoanalyse versucht, manchmal auf Umwegen Dinge zu verstehen. Sie braucht Zeit, Ruhe und Geduld. Das ist etwas, das nicht so gut der heutigen Lebensweise entspricht.
Die Zeit ist auch oftmals knapp was Therapiesitzungen betrifft. Wie viele Einzelgespräche kann man bei Ihnen haben?
Bei uns kann man vier Termine kostenlos bekommen. Es gibt aber auch Situationen, in denen jemand kurz davor ist, ins Auslandssemester zu fahren, und klar ist, dass eine indizierte Therapie hier nicht mehr möglich ist. In diesem Fall würden wir auch ein paar weitere Termine hier anbieten – für acht Euro die Stunde. Häufig bieten wir Studierenden aus dem europäischen Ausland auch zusätzliche Termine an, da sie keine entsprechende Krankenversicherung haben, die eine Therapie übernehmen. Oder wenn es ein Zwischending ist zwischen Therapieindikation und Beratungsindikation in Bezug auf die Anmeldebedingungen, dann kann die Person auch noch zwei- oder dreimal kommen. Wie oft man kommen kann, ist nicht in Stein gemeißelt. Der Durchschnitt liegt bei etwa zweieinhalb Sitzungen pro Person.
An wen richtet sich das Angebot?
Man darf auch schon hierherkommen, wenn man sich nicht sicher ist, ob man das soll. Dann kann man genau diese Frage auch hier klären, ob jemand bei uns richtig ist oder nicht. Wenn man anfängt, sich Sorgen zu machen um sich selbst und merkt: Da habe ich zum Beispiel ein Problem in der Beziehung – das ist ja auch etwas, was die Studienzeit stark prägt – oder Konflikte in Freundschaften oder in der WG. Oder auch depressive Probleme, Ängste, auch soziale Ängste, aber auch studienbezogene Probleme in Bezug auf Lernen oder Arbeitsstörungen – wie Prokrastinieren. Die Ursache dafür muss natürlich nicht im Studium liegen, betrifft aber viele Studierende. Ebenso Prüfungsversagen oder Prüfungsangst.
Wie kann es nach einem Einzelgespräch weitergehen?
Manchmal gelingt es, ein paar Ideen zu entwickeln und Anstöße zu bekommen, wie man mit den Problemen besser klarkommen kann. Wenn die Probleme aber zu tiefgreifend, zu groß sind, dann würden wir sehr wahrscheinlich eine weitere Anlaufstelle empfehlen, häufig ist das Psychotherapie.
Welche Empfehlung haben Sie für Studierende mit besonders schweren psychischen Erkrankungen?
Meistens ist das eine Therapieempfehlungen für niedergelassene Psychotherapeuten. Wir versuchen, auch hier schon die Frage zu klären, ob eine Verhaltenstherapie oder eine analytische Therapie passend ist. Ob etwa eine tiefenpsychologisch fundierte Therapie oder eine systemische Therapie oder sogar eine Gruppentherapie sinnvoller wäre. Das versuchen wir schon hier zu klären, weil das die Suchzeit verkürzt. Es ist sowieso schon sehr unüberschaubar für jemanden, der sich nicht auskennt. Manchmal ist aber auch eine stationäre Aufnahme in einer psychosomatischen Klinik oder in einer ambulanten psychiatrischen Behandlung angezeigt. Wenn es um weitere diagnostische Fragen geht, gibt es auch bestimmte Abteilungen in der Uniklinik.
Wie haben Sie denn als PBS die Corona-Zeit in Bezug auf die Vermittlung von Therapieplätzen und das Verhältnis von Angebot und Nachfrage von Therapieplätzen wahrgenommen?
Sie können sich das schon denken: Die Lage ist schwieriger geworden. Nach allem, was wir so mitbekommen, ist die Nachfrage deutlich gestiegen. Dadurch sind die Wartezeiten auch länger geworden, und das ist für uns manchmal auch frustrierend, wenn wir jemandem nichts Besseres anbieten können als ein paar Namen und zu viel Geduld raten müssen. Es ist für alle noch immer eine sehr schwierige Situation. Viele Probleme, die im Vorfeld schon da waren, sind stärker geworden. Es gibt auch ein paar Ausnahmen: Für einige hat Corona auch zu einer Entlastung geführt und jetzt, wo das normale Leben wieder losgeht, ist die Lage schwieriger.
Was kann man denn als Studierende tun, wenn man dringend Hilfe braucht, aber erstmal keinen Termin bekommen kann?
Wir sind schon sehr bemüht, den Studierenden einen Termin innerhalb von zwei Wochen anbieten zu können, was uns jetzt aber in den letzten eineinhalb bis zwei Jahren kaum gelungen ist. Wir arbeiten aber daran, das wieder zu verkürzen.
Was natürlich wichtig ist, ist gut im Kontakt mit sich selbst zu sein. Dafür braucht man wiederum einen guten Austausch mit anderen Menschen im Sinne einer guten Psychohygiene. Es ist gut, wenn man über die eigenen Probleme und Beschwerden im Austausch mit anderen ist und man darüber sprechen kann. Das kann eine sehr entlastende Wirkung haben. Das ist auch eine Art von psychischer Behandlung. Es ist gut, von den Problemen der anderen zu wissen, wo die anderen stehen und wie die mit ihren Problemen umgehen. Es wird unterschätzt, wie wichtig es ist, offen zu sich selbst und anderen Menschen zu sein, die einem wichtig sind und nahestehen.
Der andere Punkt ist eine Standard-Empfehlung, die Sie auch schon häufig gehört haben: Sich gut um die eigene körperliche Gesundheit zu kümmern. Das heißt, sich gut zu ernähren und zu bewegen.
Im Vorfeld von Therapien gibt es außerdem viele Krankenkassen, die Gesundheitskurse anbieten, die meistens auch kostenlos sind. Man wird schon einiges finden, wenn man sich bei seiner Kasse erkundigt. Die Krankenkassen wissen schon länger, dass es auch für sie selbst wirtschaftlich ist, im präventiven Bereich tätig zu sein. Deswegen investieren mittlerweile auch viele in diesem Bereich.
Es gibt auch Gesundheits-Apps, die zwar ein bisschen umstritten sind, weil die Wirksamkeit nicht so ganz klar ist. Ich denke aber schon, dass man da ein paar Ideen bekommt, wie man konkret mit seinen Problemen umgehen kann. Diese Apps muss man sich zwar verschreiben lassen und sie sind auch nicht als Ersatz für die Psychotherapie gedacht, können aber auch sehr unterstützend sein. Sie basieren auf verhaltenstherapeutischen Techniken, die in Bezug auf Depressionen, Ängste und Schlafstörungen angewandt werden.
Infos
Kontaktdaten, Antworten auf häufige Fragen und weitere Hilfsangebote gibt es auf der Website der Psychotherapeutischen Beratungsstelle.