Es ist Mittwoch, 15.30 Uhr und draußen fängt es schon – ganz wie es sich für den Dezember gehört – an, zu dämmern. Im Büro von Juliane Blank dagegen scheint warmes Licht gegen das trübe Wetter an. Auf dem Tisch steht Schokolade und ich sitze bei einer Tasse Tee mit den Organisator*innen des Transmedia Roundtables, Juliane Blank, Yorck Beese und Anna Sennefelder, ganz im Sinne des Themas in einer Runde zusammen, um mit ihnen über das Format an sich, Fan-Sein und Guilty Pleasures zu sprechen.

Wie sind Sie auf die Idee für den Transmedia Roundtable gekommen?

Juliane Blank: Der Transmedia Roundtable ist eine Idee von Andreas Rauscher und mir. Wir haben ihn gegründet, weil wir uns immer über irgendwelche Nerd-Themen unterhalten haben und dann dachten, dass es an der Uni Freiburg doch noch mehr Leute geben muss, die sich damit beschäftigen. Dann haben wir gedacht, wir könnten doch einfach so eine Art Stammtisch gründen – genannt haben wir es dann ein bisschen fancier: Transmedia Roundtable. Er ist aus einem Bedürfnis entstanden, sich mit anderen Menschen über ähnliche Interessen zu unterhalten.

Anna Sennefelder: Andreas Rauscher ist ja bei uns am Institut für Medienkulturwissenschaft Professor und ich fand die Idee, als er sie mir auf dem Flur erzählt hat, total sympathisch, weil im regulären Betrieb oft zu wenig Zeit für Nerd-Talk oder den Austausch über Serien ist. Gerade diese Gespräche darüber, warum eine Serie oder eine Figur gut ist, kommen oft zu kurz und das sind aber die, wo sich auch spannende Fragen weiterführend ergeben können. Das hat mich gecatcht.

Blank: Wir haben gedacht, das fächerübergreifend hinzukriegen, geht eigentlich am besten in einem zwanglosen Rahmen, also außerhalb dieses irgendwie ja doch immer mit Leistungen oder Projekten verbundenen Uni-Alltags. Mir ist aber die Verbindung zur Uni trotzdem wichtig, weil die Uni für mich ein Ort ist, an dem man eben auch auf anderen Ebenen lernt – also man lernt dazu, man lernt etwas kennen und dafür muss es auch Räume geben. Für mich ist der Transmedia Roundtable so ein Ort, wo ich ganz viel lerne.

Braucht man Vorwissen, um am Round Table teilzunehmen?

Sennefelder: Nein, man braucht keine fundierten Vorkenntnisse, sondern einfach nur Interesse und Lust, sich auszutauschen. So bewerben wir es ja auch: Vorkenntnisse nicht erforderlich.

Blank: Bisher waren zum Beispiel Leute aus der Romanistik, der Anglistik/Amerikanistik, der Medienkulturwissenschaft, der Germanistik und dem Zentrum für populäre Kultur und Musik da. Klar kommen auch Lehrende und Forschende, so wie wir auch, aber mir ist wichtig, dass auch Promovierende und Studierende angesprochen werden.

Man muss nicht schon irgendwelche Abschlüsse haben, um vorbeizukommen und gerade für Studierende ist der Roundtable eine gute Möglichkeit, von den persönlichen Interessen weiterzudenken in Richtung „Kann ich dazu auch arbeiten/forschen?“ und auch Ideen für Abschlussarbeiten zu entwickeln. Es gibt sonst nicht so viele niedrigschwellige Veranstaltungen, die auch Studierende ansprechen und in denen das alles zusammenkommt, ohne dass es dann auf irgendeine bestimmte Richtung zugespitzt werden muss.

Sennefelder: Genau, mir wäre auch noch wichtig zu sagen, dass auf keinen konkreten Output hingearbeitet werden soll. Es ist quasi jenseits der Verwertungslogik gedacht, einfach als Austauschformat und es muss dabei überhaupt nichts Konkretes entstehen.

Yorck Beese: Wir freuen uns aber natürlich, wenn Kontakte entstehen und man vielleicht auch eines Tages zusammen forscht, das ist nicht ausgeschlossen. Der Transmedia Roundtable ist auch zur Vernetzung da.

Der Begriff ist jetzt schon öfter gefallen, aber was ist mit „Transmedia“ überhaupt gemeint?

Sennefelder: Bei der Definition von transmedialem Storytelling gibt es oft konkurrierende oder streitbare Definitionen, aber ich arbeite gern damit, dass man sagt, transmedial ist ein Stoff oder eine Geschichte oder ein ästhetischer Zugang, der medienunabhängig funktioniert. Es werden alle medialen Formate mit angesprochen und dann kann man schauen, ob es transmedial – also über die Grenzen der verschiedenen Medienformate hinweg – eine gemeinsame Ästhetik, eine gemeinsame narrative Strategie gibt.

Blank: Im deutschsprachigen Raum ist das, glaube ich, relativ etabliert auch als Abgrenzung zum Intermedialen. Dass es eben im Gegensatz zu einer Adaption nicht so wichtig ist, was das Ursprungsmedium ist. Kriminalerzählung ist zum Beispiel ein relativ stabiles transmediales Genre, in dem die Erzählstrukturen, unabhängig davon, wie das dann medial realisiert wird und wie das aussieht, sehr ähnlich sind.

Beese: Ich stelle mir immer pragmatisch so eine Art Diamanten vor, der von verschiedenen Seiten geschliffen ist. In der Mitte ist dieser Stoff, der funktionieren kann, und von der Außenseite sind die verschiedenen Zugänge, also die verschiedenen geschliffenen Seiten. Ich denke, es gibt verschiedene Perspektiven auf eine Materie und verschiedene Blickwinkel, die es ermöglichen, andere Perspektiven wahrzunehmen.

Über welche Themen wurde beim Roundtable schon gesprochen?

Blank: Den ersten Termin haben wir bewusst als Open Topic und Open Level angekündigt und da wollten wir selbst auch rausfinden, was die Leute interessiert und was man vielleicht weiterverfolgen kann. Dann kristallisierte sich sehr schnell heraus, dass man mal über Fansein und Fankulturen reden sollte, weil das ein Thema war, wozu alle was mitgebracht hatten.

Das verfolgten wir dann im zweiten Transmedia Roundtable weiter, wo es unter anderem um die Frage ging, was es heißt, von etwas Fan zu sein, wie weit das geht und vor allem, ob man auch Fan sein kann, wenn man sich wissenschaftlich mit etwas beschäftigt. Da sind die Ansätze der verschiedenen Fächer sehr unterschiedlich. In der Germanistik würde man zum Beispiel nicht unbedingt als forschende Person von sich sagen „Ich bin Celan-Fan oder Kafka-Fan“, weil es für die Germanistik immer noch ein wichtiges Thema ist, dass man eine professionelle Distanz zum Untersuchungsgegenstand hat. Darüber haben wir gesprochen und Erfahrungen ausgetauscht.

Sennefelder: Der Transmedia Roundtable ist eigentlich ein Geständnisformat.

Blank: Es ist ein Geständnisformat, aber auch ein bisschen Gruppentherapie.

Beese: Auch dieses Nerd-Detailwissen, das man so ansammelt und das vielleicht auch in Seminaren nicht immer Platz hat, findet in dieser Runde definitiv Anschluss und man gewinnt dabei neue Perspektiven.

Blank: Ich finde es immer gut, wenn auch Leute dabei sind, die sich nicht mit den naheliegendsten Beispielen beschäftigen. Bei dem Thema Horror, dass wir als letztes Thema hatten, denkt man natürlich als erstes an Film, aber dann war eben auch jemand dabei, der sich mit Horrorliteratur des 19. Jahrhunderts beschäftigt. Aus den verschiedenen Interessensschwerpunkten setzt sich dann eine Art Puzzle zusammen, bei dem auch nicht immer alles zusammenpassen muss. Es geht wirklich darum, der Vielseitigkeit von diesen Phänomenen Raum zu geben.

Und wie werden die Themen für die Treffen bestimmt?

Beese: Wir haben eine interne Abstimmung und auch eine Liste mit Backup-Themen, aber die haben wir bisher noch nicht genutzt, sondern es kam immer etwas Neues.

Sennefelder: Das Format erlaubt ja auch, dass neu Hinzukommende Themen einbringen können.

Bei welchen Themen werden Sie denn selbst zum Nerd?

Sennefelder: Mich fasziniert das Thema Survival schon lange, also von Klassikern wie „Misery“ oder neueren Filmen wie „Die Schneegesellschaft“, also auf realen Ereignissen basierende Überlebensgeschichten, bis hin zu Formaten wie „7 vs. Wild“. Ich werde einfach selbst von den schlechtesten B-Movies angezogen, weil ich mich dann immer frage, mit welchen Mitteln ich jetzt versuchen würde, in diesem Setting mein Leben zu retten und das führt dann über zur Medienwissenschaft und welche Rolle Medien zum Beispiel in diesen Situationen spielen. Ich finde es total faszinierend, durch welche kleinen Signale im Notfall das Leben gerettet werden kann.

Beese: Ich glaube, ich bin verschiedene Arten von Nerd. Alien und Ghostbusters auf jeden Fall. Was mich auch sehr fasziniert sind Filmemacher wie Werner Herzog und Wim Wenders, über die ich sogar mal zwei Kurzfilme produziert habe. Ich bin Film- und Propagandaforscher, das heißt, mit mir kann man auch über Propaganda sprechen. Das sind meine größten Steckenpferde.

Über Video- und Filmproduktion spreche ich auch sehr gerne. Ich mag aber auch die Vielseitigkeit des Transmedia Roundtables und auch mal beispielsweise etwas über die Literatur des 19. Jahrhunderts zu erfahren oder einfach nur, worüber man gerade so forscht.

Blank: Mein Nerd-Thema sind Kafka-Adaptionen in allen Medien, das Marvel Cinematic Universe, auch durchaus kritisch betrachtet, und neuerdings auch Hexen und Magie. Guilty Pleasures habe ich viele, ganz vorn dabei ist aber „Doctor Who“.

Wann und wo findet der Transmedia Roundtable statt?

Sennefelder: Wir hatten jetzt gesagt, dass wir den Roundtable jeden letzten Mittwoch im Monat während der Vorlesungszeit um 18 Uhr veranstalten. Ort war bisher die Uni-Galerie, weil dort öfter Fußballspiele gezeigt werden und es dann sehr laut wird, findet er ab sofort im Oscar Wilde‘s statt. Eine eigene Website haben wir nicht, aber man findet Infos zum Roundtable zum Beispiel auf den Institutskanälen und
-websites.

Juliane Blank ist Professorin für Neuere deutsche Literatur mit dem Schwerpunkt Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft am Deutschen Seminar. Anna Karina Sennefelder ist seit 2022 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Medienkulturwissenschaft und beschäftigt sich zum Beispiel mit ökofeministischer Gegenwart und sozialphilosophischen und gendertheoretischen Aspekten in den Sozialen Medien. Yorck Beese forscht am Institut für Ethnologie und Afrikastudien zum Beispiel zu Filmrhetorik und Propaganda.