Hallo Herr Wagner, Sie sind Doktorand an der Uniklinik Freiburg und betreuen aktuell eine Studie, welche zu K.o.-Tropfen durchgeführt wird. Um was geht es in der Studie genau?
Wir wollen mit der Studie das Dunkelfeld ausleuchten und wissen, in welchem Umfang K.o.-Mittel im Freiburger Nachtleben eine Rolle spielen und in welcher Form sie gegeben werden. Wir wollen dabei besonders früh ansetzen. Das heißt, wir wollen, dass die Urinprobe nach spätestens 12 Stunden genommen ist, weil das sonst oft nicht der Fall ist. Es gibt Substanzen, wie etwa GHB, bekannt als Liquid Ecstasy, was nach 12 Stunden schon nicht mehr nachweisbar ist. Hier beschäftigt uns die Frage, ob Liquid Ecstasy eine eher geringe Rolle unter den K.o.-Mitteln spielt oder ob man es nicht nachweisen kann, weil der Zeitraum dann schon verstrichen ist.
Das heißt, dass bei den meisten Studien die Urinproben erst nach 12 Stunden genommen wurden?
Genau, wir möchten die Urinproben innerhalb der ersten 12 Stunden gewinnen. In bisherigen Studien war das eher die Ausnahme.
Weil wir die Studie so früh ansetzen, ist auch der Studienaufbau ein bisschen anders, als bei anderen Studien. Zum einen haben wir Test-Kits in der Notaufnahme der Uniklinik und auch in der Gynäkologie und wir haben Test-Kits direkt im Nachtleben. Diese finden sich in Clubs, Bars, auf Festivals und dort versuchen wir auch, gemeinsam mit nachtsam, mit den Feiernden, in Kontakt zu treten. Die Initiative nachtsam versucht unter anderem, durch Schulungen von Clubs und anderen Einrichtungen zu einem sicheren Nachtleben beizutragen.
Wie kann ich an der Studie teilnehmen?
Es machen schon einige Einrichtungen mit und haben Test-Kits, Urinbecher und Infos zur Studie, aber das ist natürlich nicht überall der Fall. Es kann auch vorkommen, dass man bei einer Hausparty oder irgendwo im öffentlichen Raum das Gefühl hat, dass man irgendwas verabreicht bekommen hat.
Man kann auch an der Studie teilnehmen, wenn man dieses Test-Kit nicht zur Verfügung hat, dann kann man einfach eine Urinprobe in ein sauberes Gefäß, zum Beispiel ein Marmeladenglas, füllen und kalt stellen, zum Beispiel in den Kühlschrank. Das Wichtige ist, dass man innerhalb von 12 Stunden eine Urinprobe nimmt. Die Abgabe kann später erfolgen.
Wenn man ein Test-Kit zur Verfügung hat, kann man das entweder vor Ort machen oder die Urinprobe zu Hause nehmen und am nächsten Tag im Institut für Rechtsmedizin im Institutsviertel in der Albertstraße abgeben. Es ist von 8 bis 16.30 Uhr geöffnet.
Können nur Frauen an der Studie teilnehmen?
Es können sowohl Männer als auch Frauen teilnehmen. Einzige Teilnahmevorrausetzung ist, dass man den Verdacht hat, K.o.-Mittel verabreicht bekommen zu haben und dass die Urinprobe innerhalb von 12 Stunden genommen wurde. Dann kann man diese abgeben und sie wird analysiert. Im Rahmen der Studie ist das anonym und kostenlos. Das Ergebnis bekommt man dann einige Tage später mitgeteilt, wenn man das will.
Die Teilnahme an der Studie erfolgt also anonym?
Man kann jederzeit sagen, dass man an der Studie nicht mehr teilnehmen will. Sonst werden die Ergebnisse am Ende der Studie publiziert, aber ohne dass ein Rückschluss auf Einzelpersonen möglich ist. Die Daten werden bei uns anonymisiert eingespeist. Das Ergebnis bekommt nur der oder die Betroffene, wenn er oder sie das will. Falls etwas nachgewiesen wird, liegen die weiteren Schritte bei dem Betroffenen.
Wie bemerke ich denn, dass ich K.o.-Tropfen verabreicht bekommen habe?
Das ist ganz unterschiedlich. Den Verdacht sollte man immer haben, wenn man plötzliche Zustandsveränderungen bei sich bemerkt, die nicht erklärbar sind. Wenn ich zwei Bier getrunken habe und plötzlich gar nicht mehr laufen kann und Gleichgewichtsprobleme habe und das von mir so nicht kenne, dann sollte man kritisch werden und überlegen, ob das vielleicht K.o.-Tropfen sein könnten. Es gibt ein großes Spektrum an Anzeichen. Von Übelkeit über Schwindel bis Amnesie, also dass man sich nicht mehr erinnern kann.
Wie sollte man sich verhalten, wenn man vermutet, K.o.-Tropfen bekommen zu haben?
Wenn es einem nicht mehr gut geht, ist es immer anzuraten, sich medizinische Hilfe zu holen. Wenn man Freunde dabeihat, können die auf einen aufpassen und gegebenenfalls professionelle Hilfe holen. Der Weg steht auch immer offen, bei der Polizei Hilfe zu suchen. Und darüber hinaus gibt es in Freiburg viele Beratungsstellen, die dafür da sind. Im Nachgang können sie beraten, welche weiteren Schritte man einleiten kann, wie etwa eine Beratung bei Frauenhorizonte. Für ein sicheres Ergebnis, ob K.o.-Mittel im Spiel waren oder nicht, ist es eben wichtig, dass die Urinprobe schnell genommen wird.
Auf welche Stoffe wird getestet?
Es wird sehr breit getestet. Zum Beispiel testen wir auf GHB, als K.o.-Tropfen oder Liquid Ecstasy bekannt. Aber jede Substanz, die schläfrig macht oder betäubt, schlussendlich auch Alkohol in hohen Dosen, kann als K.o.-Mittel verwendet werden. Neben Opioiden findet man in anderen Studien teils sogar Antidepressiva unter den getesteten Substanzen, was man ja gar nicht erwarten würde.
Was erhofft sich die Uniklinik von der Studie?
Aus wissenschaftlicher Sicht besteht die Frage, ob wir das Dunkelfeld ein bisschen mehr ausleuchten können. Wir möchten neue Erkenntnisse gewinnen, welche K.o.-Mittel hier in Freiburg im Umlauf sind. Man könnte daraus Maßnahmen für Präventionsarbeit ableiten, speziell für die Clubs. Es gibt ja viele Clubs, die auch schon bei nachtsam mitmachen und die schon geschult sind. Sie interessieren sich dafür, wie der Stand der Forschung ist und wie sie das Nachtleben sicherer machen können.
Und natürlich möchte die Studie auch den Betroffenen mehr Sicherheit geben, denn oft bleibt im Nachgang die Unsicherheit: War da jetzt was oder war da nichts?
Wie lange läuft die Studie noch?
Bis Ende Dezember 2024 kann man sich anonym testen lassen.