In keinem anderen europäischen Land leben so viele Menschen zur Miete wie in Deutschland. Seit Jahren stetig steigende Mietpreise – das betrifft also viele. Gerade in beliebten Uni-Städten wie Freiburg wird das Wohnen auffallend schnell teurer.
Während hier 2008 eine 100 Quadratmeter Wohnung noch 6,83 Euro pro Quadratmeter Miete kostete, hat sich der Preis bis heute so gut wie verdoppelt, und zwar auf 12,80 Euro pro Quadratmeter.
Wohnraum in Großstädten bezahlbarer machen – dazu hat der Bundestag im Jahr 2015 einen Gesetzentwurf zur sogenannten Mietpreisbremse beschlossen. Mieter sollen entlastet werden, indem eine Preisobergrenze für Neumietverträge festlegt wird, die sich am ortsüblichen Mietspiegel orientiert.
Damit ist die Mietpreisbremse ein Eingriff der Politik in die freie Preisbildung auf dem Wohnungsmarkt zum Schutz der Konsumenten, in diesem Fall der Mieter, was das Prinzip der sozialen Marktwirtschaftohne weiteres zulässt – zumindest theoretisch.
Denn die vermeintlich soziale Mietpreisbremse ist umstritten. In Baden-Württemberg zum Beispiel ist sie seit März 2019 nicht mehr in Kraft. Die Richter haben sie formell für ungültig erklärt. Es fehle an einer Begründung, warum die Mietpreisbremse in bestimmten ausgewiesenen Gebieten gelten solle und in anderen nicht. Das Wirtschaftsministerium kündigte prompt an, die Mietpreisbremse durch eine Landesverordnung wieder zu aktivieren. Nun bleibt abzuwarten, ob und wann die Verordnung in Baden-Württemberg wieder gilt.
Nicht nur dieser Disput zeigt, dass die Mietpreisbremse kontrovers aufgenommen wird.
Im Gespräch mit dem Wirtschaftswissenschaftler Dr. Steffen Minter von der Universität Freiburg und dem Freiburger Kommunalpolitiker Gregor Mohlberg (DIE LINKE) wird schnell klar, dass die prekäre Mietsituation zu komplex ist, als dass man sie nur mit der Mietpreisbremse in den Griff bekommen könnte.
Herr Dr. Minter, was ist Ihrer Meinung nach schief gelaufen, dass wir in Städten wie Freiburg extrem hohe und überdurchschnittlich steigende Mieten haben?
Ich glaube, wie Sie schon sagen, das betrifft einzelne Städte, insbesondere gefragte Städte. Ich glaube, es gibt zwei Effekte, die eine Rolle spielen. Es ist natürlich einmal eine Frage der Nachfrage. Also der Zuzug in die Städte. Man sieht einfach, dass es momentan ein Trend ist in Städten zu wohnen. Hinzu kommt die steigende Anzahl von Studierenden. Es sind Uni-Städte, die jetzt betroffen sind. Klassische Beispiele sind München, Frankfurt und Berlin, wo man diese Mietensteigerungen und Immobilienpreissteigerungen gesehen hat. Aber auch sehr deutlich in Universitäts-Städten wie Freiburg.
Ich glaube, das sieht man auch in den Zahlen. Wenn man sich anschaut, wie sich die Anzahl der Single-Haushalte in den letzten Jahren verändert hat, sie ist in den letzten 15 Jahren um 15 Prozent angestiegen. Auf der einen Seite wird sicherlich einfach mehr Wohnraum nachgefragt. Auf der anderen Seite ist es so, dass man beim Angebot nicht hinterher gekommen ist, aus welchen Gründen auch immer.
Glauben Sie, dass die Politik den Trend nicht gesehen hat?
Politik ist natürlich schon ein Sammelbegriff. Man kann in dem Bereich immer fragen, ob der Markt nicht funktioniert. Gibt es Probleme mit dem Markt an sich? Wir können argumentieren, der Wohnungsmarkt ist an sich so wie ein freier Markt, und wir erwarten, dass das alles funktioniert. Wenn etwas nicht klappt, reden wir dann von einem Marktversagen oder einem Politikversagen? Ich würde eher argumentieren, dass es weniger ein Marktversagen ist. Auf einem Markt stellen sich Preise ein, und ein hoher Preis ist immer ein Knappheitssignal. Für einen Markt ist es normal, dass hohe Preise entstehen, wenn es mehr Nachfrage als Angebot gibt.
Kann man also daraus schließen, dass die Politik in den letzten Jahren etwas verschlafen hat?
Ich denke schon. Auf dem Markt würden wir sagen, wenn die Preise steigen, dann steigt irgendwann auch das Angebot und dadurch sinken dann auch irgendwann die Preise. Und das ist aus irgendwelchen Gründen nicht passiert.
Warum ist das Angebot nicht so gestiegen, wie es notwendig wäre, um ein vernünftiges Preisniveau zu haben? Denn langfristig müssen Wohnung gebaut werden. In diesem Prozess ist die Politik gefragt. Da hat die Politik scheinbar in dem Sinne etwas verschlafen, als dass sie dort vielleicht Neubaugebiete und so weiter nicht schnell genug genehmigt.
Es hat also nicht genug Anreize gegeben?
Ja, oder gar nicht erst die Möglichkeit für Wohnungsbau. Der Anreiz sollte eigentlich über die Preise da sein. Also wenn ich sehr hohe Mieten erzielen kann, dann ist das an sich ein Anreiz zu bauen und in Wohnungen zu investieren. Aber wenn das aus irgendwelchen anderen, zum Beispiel bürokratischen Gründen nicht möglich ist, dann läuft da etwas falsch.
Dadurch bleibt also das Problem, dass es zu wenig Wohnungen gibt. Um die hohen Mietpreise in den Griff zu bekommen, wurde 2015 die Mietpreisbremse beschlossen.
Die Mietpreisbremse bezieht sich nur auf bereits existierende Wohnungen. Da gibt es dann bei der Vermietung eine Preisobergrenze was die Miete selbst betrifft. Die darf nicht höher sein als zehn Prozent der Vergleichsmiete des Mietspiegels. Das Interessante ist aber, dass Neubauten von dieser Regelung ausgenommen sind. Da hat man darauf geachtet, dass man einen Anreiz schafft, also dass das für Neubauten anders aussieht.
Würden Sie sagen, dass die Mietpreisbremse ein geeignetes Instrument ist, um den Markt zu regulieren bzw. zu kontrollieren?
Ich glaube man muss unterscheiden zwischen kurzfristig und langfristig. Langfristig hilft es ja nur, wenn man es schafft, gleichzeitig mehr zu bauen, also mehr Angebote zu haben. Kurzfristig geht das aber nicht, weil es wie gesagt aus irgendwelchen Gründen nicht klappt, dass das Angebot schnell nachzieht. Kurzfristig ist eine Preisbremse durchaus ein interessantes Instrument. Es gibt auch Studien vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, die gezeigt haben, dass es tatsächlich eine Verlangsamung des Anstiegs gegeben hat, also in den Städten, die diese Mietpreisbremse eingesetzt haben. Interessant ist auch, dass es einen positiven Effekt auf die Bautätigkeit gibt, weil Neubauten ja von der Regel ausgenommen sind. Da besteht also wieder ein Anreiz hin zu Neubauwohnungen. Insofern muss man sagen, dass die Mietpreisbremse, kurzfristig gesehen, durchaus ihre Berechtigung hat.
Und was wäre eine langfristige Lösung?
Langfristig müsste man schauen, dass man den Wohnungsbau fördert, also dass bürokratische Hemmnisse abgebaut werden und Bauland ausgewiesen wird. Nehmen Sie zum Beispiel das Dietenbach Projekt, das in dieser Hinsicht zielführend ist, also einfach Bauland schafft. Weil es hier aber grundsätzlich um ein Verteilungsproblem geht, könnte man Mieter eventuell auch mit Wohngeld und solchen Dingen unterstützen. Aber letztendlich geht es darum, dass das Angebot steigt, egal wie.
Das heißt also keine Regulierung sondern eher Erhöhung des Angebots?
Ja genau. Ein weiterer Aspekt ist sicherlich auch, dass ein Zuzug in die Städte von der Abwägung zwischen Wohnen im Umland oder der Stadt abhängt. Und da spielen dann natürlich auch Aspekte wie Personennahverkehr rein. Da hat man in den letzten Jahren, das steht vielleicht so ein bisschen im Zusammenhang mit der Ausgabenpolitik und der schwarzen Null, vielleicht auch wichtige Investitionen verschlafen. Das Unterlassen von Infrastrukturinvestitionen macht es eben attraktiver in die Stadt zu ziehen, weil man nicht pendeln will.
Herr Mohlberg, was ist Ihrer Meinung nach in der Vergangenheit schief gelaufen, dass wir in Städten wie Freiburg extrem hohe und überdurchschnittlich wachsende Mieten haben?
Das Hauptproblem ist immer, dass nicht ausreichend Wohnungsbestände vorhanden sind, die in öffentlicher oder genossenschaftlicher Hand sind. In Freiburg sind es in etwa zwischen 10 und 15 Prozent aller Wohnungen. Das heißt, die meisten Wohnungen werden durch entweder größere Unternehmen vermietet oder durch private Besitzer. Und die wollen natürlich ihre Mieten erhöhen, die wollen ihre Rendite hochtreiben, die betrachten ihre Wohnungen auch als Geldanlage. Das wäre bei öffentlichen oder genossenschaftlichen Besitzern anders. Wir würden im Wesentlichen kostendeckend arbeiten, ohne Renditeziele, die sie zum Beispiel an Aktionäre ausschütten müssen und würden insgesamt vor allem Mietpreis dämpfend wirken. In Städten wie Wien, wo der Anteil von Wohnungen in öffentlichem Besitz besonders groß ist, sehen wir eine komplett andere Entwicklung als hier. Dort sind zirka 65 Prozent aller Wohnungen in öffentlichem und genossenschaftlichem Besitz. Dementsprechend entwickelt sich die Preissteigerung dort anders.
Also sehen Sie das Problem darin, dass die Politik in den letzten Jahren zu viele Wohnungen verkauft hat?
Ein großer Fehler liegt auf kommunaler Ebene letztendlich darin, dass man die Bestände an öffentlichen und genossenschaftlichen Wohnungen in den letzten Jahren nicht stetig ausgeweitet hat. Es werden natürlich Wohnungen gebaut, aber der Anteil öffentlicher Wohnungen am Gesamtbestand aller Wohnungen bleibt in der Tendenz gleich. Auf Bundesebene liegt ein anderes Problem vor. Die sogenannte Wohnungsgemeinnützigkeit wurde in den neunziger Jahren abgeschafft. Das war eine steuerliche Bevorteilung von öffentlichen Wohnungsunternehmen, die nur sogenannte Kostenmieten verlangt haben. Diese steuerliche Begünstigung ist weggefallen, insofern auch ihre besondere Stellung innerhalb des Systems. Und dann besteht auch auf Landesebene ein Problem, nämlich dass es zwar Förderprogramme für den Bau von Sozialwohnungen gibt, diese aber an alle ausgeschüttet werden. Kommunale Wohnungsunternehmen werden nicht speziell gefördert.
Es fehlt also ein spezieller Baustein zur Förderung von öffentlichen Wohnungsbeständen. Das geht aktuell aus EU-rechtlichen Gründen nicht, weil alle Marktteilnehmer gleich behandelt werden müssen. Man könnte das Problem lösen, indem man eine Landesentwicklungsgesellschaft für den Wohnungsbau gründet. Die wäre dann eine eigene Rechtsperson, die sich, wie bei einer GmbH, als stiller Gesellschafter an einem kommunalen Wohnungsunternehmen beteiligt. Kommunale Wohnungsunternehmen müssen speziell gefördert werden, weil sie eine besondere Rolle bei der Bereitstellung von günstigen Mieten spielen. Sie können sich von jeglicher Renditeerwartung entkoppeln.
Was ist mit der Mietpreisbremse? Ist die auch ein geeignetes Instrument um die teuren Mieten in den Griff zu bekommen?
Also für die Lösung des gesamten Problems ist sie nicht das Instrument. Sie bremst natürlich den totalen Wildwuchs wie zum Beispiel Mieterhöhungen um 50 Prozent. Aber sie bremst nicht das Erhöhen von Mieten. Im Hintergrund steht nämlich der Mietspiegel, dessen Werte auch jedes Jahr steigen. Wenn man als Messgröße etwas nimmt, das wächst, dann wächst natürlich auch das, was ich daran messe. Insofern steigen auch mit der Mietpreisbremse die Mieten weiter an.
Die grundsätzliche Lösung ist sie also nicht. Auf Basis der Mietpreisbremse werden auch die öffentlichen Wohnungsbestände nicht erweitert. Für die Mieter wachsen die Mieten weiter. Ziehe ich von einer Wohnung in eine andere um, kriege ich 15 Prozent Aufschlag. Ich werde jedes Mal, wenn ich meine Wohnung verlasse, definitiv mehr Miete zahlen.
Was müsste man an der Mietpreisbremse ändern, um sie als wirksames Gesetz gegen hohe Mieten einzusetzen?
Hier muss man mit dem Mietspiegel als Bezugsgröße anfangen. Der Mietspiegel ist in sich schon falsch strukturiert, da er zu Mieterhöhungen führt. Die Vergleichsmieten, die den Mietspiegel festlegen, müssten über einen längeren Betrachtungszeitraum genommen werden also zum Beispiel fünf, sechs oder zehn Jahre. Außerdem müssten in den Mietspiegel auch Bestandsmieten einfließen, damit nicht nur Neuvermietungen mit einberechnet werden, sondern auch ein abgesenktes Mietniveau in den Mietspiegel mit einwirkt. Würde man einen solchen Mietspiegel dann als Bezugsgröße für die Mietpreisbremse verwenden, würde das die Preise stärker bremsen.
Worin sehen sie für Freiburg die Lösung gegen die angespannte Wohnungslage? Kurzfristig sowie langfristig.
Ich denke in diesem Bereich gibt es nicht die kurzfristige Lösung. Da sind in der Vergangenheit einfach viel zu viele Sachen schief gelaufen, die jetzt erst einmal korrigiert werden müssen. Langfristig kann die Stadt Freiburg leider nicht über alle Gesetze entscheiden, die in diesem Bereich relevant sind. Als Stadt kann sie entscheiden, ihre eigene Wohnungsbaugesellschaft vernünftig finanziell auszustatten und auf sozialen Wohnungsbau zu fokussieren. Freiburg müsste also seinen Anteil an allen Wohnungen in der Stadt vergrößern. Momentan liegt der Anteil öffentlicher Wohnungen wie gesagt bei zehn Prozent. Das nächste Ziel müssten fünfzehn Prozent aller Wohnungen in öffentlicher Hand sein.
Außerdem kann die Stadt Freiburg bei der Vergabe von Flächen Vorgaben machen. Zum Beispiel kann sie einem Käufer die Vorgabe machen, dass auf einer bestimmten Fläche mindestens 50 Prozent Sozialwohnungen entstehen müssen. Man kann die Zusammensetzung verschiedener Bauträger kontrollieren. Da müssen natürlich genossenschaftliche Projekte und die öffentliche Hand eine besondere besonders große Rolle kriegen, damit nicht in alle Richtungen mit Bauland spekuliert wird. Es gibt viele kleine Sachen die Beitrag zur Lösung sind. Wichtig ist zum Beispiel den günstig vorhandenen Wohnraum zu erhalten. Einfache Wohnungen, die zwar oft sanierungsbedürftig sind, sollte man einfach sanieren und nicht für neue, teure Wohnungen abreißen. Aber natürlich braucht es dafür auch die notwendigen Finanzmittel und die brauchen wir letztendlich aus Förderprogrammen des Landes und des Bundes. Wenn kein Geld vorhanden ist, dann sind natürlich die Handlungsspielräume einer Stadt für einen stärkeren öffentlichen Wohnungsbau begrenzt.