Herr Dr. Minter, was ist Ihrer Meinung nach schief gelaufen, dass wir in Städten wie Freiburg extrem hohe und überdurchschnittlich steigende Mieten haben?
Ich glaube, wie Sie schon sagen, das betrifft einzelne Städte, insbesondere gefragte Städte. Ich glaube, es gibt zwei Effekte, die eine Rolle spielen. Es ist natürlich einmal eine Frage der Nachfrage. Also der Zuzug in die Städte. Man sieht einfach, dass es momentan ein Trend ist in Städten zu wohnen. Hinzu kommt die steigende Anzahl von Studierenden. Es sind Uni-Städte, die jetzt betroffen sind. Klassische Beispiele sind München, Frankfurt und Berlin, wo man diese Mietensteigerungen und Immobilienpreissteigerungen gesehen hat. Aber auch sehr deutlich in Universitäts-Städten wie Freiburg.
Ich glaube, das sieht man auch in den Zahlen. Wenn man sich anschaut, wie sich die Anzahl der Single-Haushalte in den letzten Jahren verändert hat, sie ist in den letzten 15 Jahren um 15 Prozent angestiegen. Auf der einen Seite wird sicherlich einfach mehr Wohnraum nachgefragt. Auf der anderen Seite ist es so, dass man beim Angebot nicht hinterher gekommen ist, aus welchen Gründen auch immer.
Glauben Sie, dass die Politik den Trend nicht gesehen hat?
Politik ist natürlich schon ein Sammelbegriff. Man kann in dem Bereich immer fragen, ob der Markt nicht funktioniert. Gibt es Probleme mit dem Markt an sich? Wir können argumentieren, der Wohnungsmarkt ist an sich so wie ein freier Markt, und wir erwarten, dass das alles funktioniert. Wenn etwas nicht klappt, reden wir dann von einem Marktversagen oder einem Politikversagen? Ich würde eher argumentieren, dass es weniger ein Marktversagen ist. Auf einem Markt stellen sich Preise ein, und ein hoher Preis ist immer ein Knappheitssignal. Für einen Markt ist es normal, dass hohe Preise entstehen, wenn es mehr Nachfrage als Angebot gibt.
Kann man also daraus schließen, dass die Politik in den letzten Jahren etwas verschlafen hat?
Ich denke schon. Auf dem Markt würden wir sagen, wenn die Preise steigen, dann steigt irgendwann auch das Angebot und dadurch sinken dann auch irgendwann die Preise. Und das ist aus irgendwelchen Gründen nicht passiert.
Warum ist das Angebot nicht so gestiegen, wie es notwendig wäre, um ein vernünftiges Preisniveau zu haben? Denn langfristig müssen Wohnung gebaut werden. In diesem Prozess ist die Politik gefragt. Da hat die Politik scheinbar in dem Sinne etwas verschlafen, als dass sie dort vielleicht Neubaugebiete und so weiter nicht schnell genug genehmigt.
Es hat also nicht genug Anreize gegeben?
Ja, oder gar nicht erst die Möglichkeit für Wohnungsbau. Der Anreiz sollte eigentlich über die Preise da sein. Also wenn ich sehr hohe Mieten erzielen kann, dann ist das an sich ein Anreiz zu bauen und in Wohnungen zu investieren. Aber wenn das aus irgendwelchen anderen, zum Beispiel bürokratischen Gründen nicht möglich ist, dann läuft da etwas falsch.
Dadurch bleibt also das Problem, dass es zu wenig Wohnungen gibt. Um die hohen Mietpreise in den Griff zu bekommen, wurde 2015 die Mietpreisbremse beschlossen.
Die Mietpreisbremse bezieht sich nur auf bereits existierende Wohnungen. Da gibt es dann bei der Vermietung eine Preisobergrenze was die Miete selbst betrifft. Die darf nicht höher sein als zehn Prozent der Vergleichsmiete des Mietspiegels. Das Interessante ist aber, dass Neubauten von dieser Regelung ausgenommen sind. Da hat man darauf geachtet, dass man einen Anreiz schafft, also dass das für Neubauten anders aussieht.
Würden Sie sagen, dass die Mietpreisbremse ein geeignetes Instrument ist, um den Markt zu regulieren bzw. zu kontrollieren?
Ich glaube man muss unterscheiden zwischen kurzfristig und langfristig. Langfristig hilft es ja nur, wenn man es schafft, gleichzeitig mehr zu bauen, also mehr Angebote zu haben. Kurzfristig geht das aber nicht, weil es wie gesagt aus irgendwelchen Gründen nicht klappt, dass das Angebot schnell nachzieht. Kurzfristig ist eine Preisbremse durchaus ein interessantes Instrument. Es gibt auch Studien vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, die gezeigt haben, dass es tatsächlich eine Verlangsamung des Anstiegs gegeben hat, also in den Städten, die diese Mietpreisbremse eingesetzt haben. Interessant ist auch, dass es einen positiven Effekt auf die Bautätigkeit gibt, weil Neubauten ja von der Regel ausgenommen sind. Da besteht also wieder ein Anreiz hin zu Neubauwohnungen. Insofern muss man sagen, dass die Mietpreisbremse, kurzfristig gesehen, durchaus ihre Berechtigung hat.
Und was wäre eine langfristige Lösung?
Langfristig müsste man schauen, dass man den Wohnungsbau fördert, also dass bürokratische Hemmnisse abgebaut werden und Bauland ausgewiesen wird. Nehmen Sie zum Beispiel das Dietenbach Projekt, das in dieser Hinsicht zielführend ist, also einfach Bauland schafft. Weil es hier aber grundsätzlich um ein Verteilungsproblem geht, könnte man Mieter eventuell auch mit Wohngeld und solchen Dingen unterstützen. Aber letztendlich geht es darum, dass das Angebot steigt, egal wie.
Das heißt also keine Regulierung sondern eher Erhöhung des Angebots?
Ja genau. Ein weiterer Aspekt ist sicherlich auch, dass ein Zuzug in die Städte von der Abwägung zwischen Wohnen im Umland oder der Stadt abhängt. Und da spielen dann natürlich auch Aspekte wie Personennahverkehr rein. Da hat man in den letzten Jahren, das steht vielleicht so ein bisschen im Zusammenhang mit der Ausgabenpolitik und der schwarzen Null, vielleicht auch wichtige Investitionen verschlafen. Das Unterlassen von Infrastrukturinvestitionen macht es eben attraktiver in die Stadt zu ziehen, weil man nicht pendeln will.