Wie tickt deine innere Uhr?
Fast ein Drittel unseres Lebens verbringen wir damit zu schlafen. Warum ist Schlaf eigentlich so wichtig? Und warum kommen manche Leute morgens so viel besser aus den Federn als andere? Wir haben uns mit Expert*innen unterhalten, um herauszufinden, was unseren Schlafrhythmus ausmacht und wie bedeutsam Schlaf für unseren Körper ist.
Eule oder Lerche? Welcher Schlaftyp bist du?
“Wer schlecht schläft, kann am nächsten Morgen weniger gut lernen.”
Fast ein Drittel seines Lebens verbringt der Mensch im Schlummer, weiß Monika Schönauer, Schlafforscherin und Neuropsychologin an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Im Gespräch mit uniCROSS-Autorin Marie Österle berichtet die Expertin, welche Rolle Schlaf beim Lernen spielt, ob die Nacht vor einer Klausur durchgelernt werden sollte und warum man besser nicht im Bett büffelt.
uniCROSS:
Frau Schönauer, wie haben Sie heute Nacht geschlafen?
Schönauer:
Gut, auch wenn ich morgens gerne noch etwas länger geschlafen hätte. Ich bin auch auf jeden Fall eine Eule, gestern bin ich erst so gegen zwei Uhr ins Bett gegangen.
uniCROSS:
Dann gibt es die Schlaftypen Eule und Lerche tatsächlich?
Schönauer:
Das kann man sagen. Ob jemand Eule oder Lerche ist, hängt vom Schlafmittelpunkt ab. Das ist der Zeitpunkt zwischen der regulären Einschlaf- und Aufwachzeit an freien Tagen. Wenn man von zwei bis zehn schläft, ist man eher eine Eule. Der Schlafmittelpunkt verändert sich aber über die Lebensspanne. Vor allem Jugendliche und Kinder haben einen nach hinten verschobenen Schlafrhythmus. Ältere Leute stehen eher früh auf.
uniCROSS:
Wie beeinflusst Schlaf kognitive Leistung?
Schönauer:
Im Schlaf wird das Gedächtnis verarbeitet. Alles, was ich tagsüber erlebe, kann im Schlaf spontan aktiviert oder reaktiviert werden. Und das hilft dabei, neue Lerninhalte langfristig einzuspeichern, wie ein zusätzliches Training oder Lernwiederholungen. Das ist gut für das Behalten neu gelernter Informationen.
uniCROSS:
Welchen Einfluss hat Schlaf noch?
Schönauer:
Schlaf hat einen sehr großen Einfluss auf viele kognitive Funktionen, mitunter die generelle Leistungsfähigkeit. Für die Emotionsregulation ist Schlaf ein ganz wichtiger Faktor. Wenn man zu wenig schläft, wird die Emotionsregulation und -verarbeitung am nächsten Tag geschwächt. Schlaf ist also immer wichtig, viel hilft viel.
uniCROSS:
Was passiert noch, wenn wir schlecht oder zu wenig schlafen?
Schönauer:
Kurzfristig ist man schlechter drauf und leichter reizbar. Das liegt daran, dass die Emotionsregulation im Gehirn nicht gut abläuft: Man macht mehr Fehler und ist weniger konzentriert. Wenn man kontinuierlich zu wenig schläft, laufen gleich mehrere Prozesse schlechter ab.
uniCROSS:
Was für Prozesse sind das?
Schönauer:
Wenn Zellen arbeiten, entstehen Abfallprodukte, die toxisch sein können. Diese Abfallprodukte schwimmen im sogenannten Extrazellulärraum. Dieser Bereich wird im Tiefschlaf größer, weil sich die Zellen im Hirn zusammenziehen. Deswegen kann die dazwischen liegende Hirnflüssigkeit besser abfließen und diese Abfallprodukte in das Lymphsystem ableiten. Wenn das nicht gut funktioniert, können sich die Abfallprodukte langsam anlagern. Schlechter Schlaf ist auch ein Prädiktor, früher neurodegenerative Erkrankungen zu entwickeln, wie Alzheimer oder Parkinson.
uniCROSS:
Wie wirkt sich schlechter Schlaf aufs Lernen aus?
Schönauer:
Schlechter oder zu wenig Schlaf in der Lernphase hat vor allem zwei Folgen: Dinge, die man bereits gelernt hat, sind weniger stabil und können leichter vergessen werden. Und am nächsten Morgen kann nicht so gut gelernt werden.
uniCROSS:
Sollte man vor einer Klausur lieber die Nacht durchlernen oder ausgeschlafen in die Uni kommen?
Schönauer:
Das ist eine fiese Frage (lacht). Wenn jemand nicht gut vorbereitet ist und sich das Material ein- bis zweimal angeschaut hat, rate ich, die Nacht wach zu bleiben und das Zeug noch mal anzuschauen. Statt das wenige besser zu behalten, hat man so einen größeren Wissenszuwachs.
Wenn Dinge aber längerfristig behalten werden müssen, ist es sinnvoll, dass man genug schläft und sich nicht kontinuierlich Schlaf-depriviert. Das hilft, Inhalte langfristig zu speichern.
uniCROSS:
Das Vokabelheft unterm Kopfkissen nutzt leider nicht. Aber hilft es, Lernstoff vor dem Schlafengehen anzuschauen?
Schönauer:
Ältere Studien zeigen: Je weniger Zeit zwischen Lernen und Schlafen liegt, desto besser kann Schlaf dabei helfen, Inhalte zu stabilisieren. Neue Studien zeigen allerdings in die andere Richtung. Es würde auch keinen Sinn ergeben, wenn man sich alles, was man morgens erfährt, schlechter merken kann als abends. Aber ich denke schon, dass Gelerntes möglicherweise frischer und die Spuren noch stärker sind, wenn man sich Sachen explizit vor dem Schlafengehen anschaut.
uniCROSS:
Jugendliche und junge Erwachsene stehen in der Regel später auf. Ist es sinnvoll, dass Schule und Uni hierzulande so früh anfangen?
Schönauer:
Das ist nicht so sinnvoll. Der Münchner Forscher Till Roenneberg beschäftigt sich viel mit Schlaf. Er sagt seit Jahren, dass es überhaupt nicht sinnvoll ist, Schule so früh anfangen zu lassen. Um 7 Uhr möchte und kann eigentlich kein durchschnittlicher junger Erwachsener oder Jugendlicher aufstehen. Das geht gegen den biologischen Rhythmus. Zusätzlich gibt es, kurz bevor man dem biologischen Rhythmus folgend ins Bett gehen würde, eine Phase, wo es uns besonders schwerfällt, einzuschlafen.
uniCROSS:
Um genug zu schlafen, müsste ein Schulkind mit einem späteren Schlafrhythmus also genau in diesem Zeitfenster ins Bett gehen?
Schönauer:
Genau, das führt mit dazu, dass der Schlaf sich systematisch verkürzt. Wenn das Schlafverhalten nicht zum eigentlichen Rhythmus passt, sammelt sich über die Woche eine Art Jet-Lag an. Am Wochenende lebt man dann entweder nach dem normalen Rhythmus oder geht sogar noch später ins Bett, wenn man zum Beispiel abends unterwegs ist. Das ist nicht optimal.
“Schlaf ist immer wichtig.”
uniCROSS:
Welche Tipps haben Sie für guten Schlaf?
Schönauer:
Es gibt zahlreiche Tipps zur Schlafhygiene. Diese zielt darauf ab, das Bett in einer Art Konditionierungsprozess nur mit Schlaf zu assoziieren. Demnach sollte man im Bett keine Dinge tun, die Stress verursachen. Etwa auf Klausuren lernen, vor denen man Angst hat. Noch besser ist es, wenn man das gar nicht im Schlafzimmer erledigt, bei einer Ein-Zimmer-Wohnung ist das aber natürlich schwierig. Außerdem sollte man zu regelmäßigen Uhrzeiten einschlafen – nicht an einem Tag um acht Uhr ins Bett gehen und am nächsten um zwei Uhr.
uniCROSS:
Was kann man tun, wenn man nachts wieder aufwacht?
Schönauer:
Wer nachts unter Schlafproblemen leidet, sollte auf keinen Fall einen Mittagsschlaf machen, das reduziert den Schlafdruck und man schläft abends schlechter ein. Wenn man partout nicht einschlafen kann, sollte man nicht lange liegen bleiben und sich stressen. In der Regel ist es besser, wieder aufzustehen und etwas anderes zu tun, bis man müde ist.
uniCROSS:
Frau Schönauer, vielen Dank für das Gespräch.
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Seminarleitung, Redaktion: Ada Rhode, Karsten Kurowski, Philip Thomas