Adventszeit

Während sich schon seit August oder September die Lebkuchen im Supermarkt häufen, beginnt für viele mit der Adventszeit die Hochphase der Völlerei: Plätzchen, Lebkuchen, Glühwein. An jeder Ecke werden süße Sachen angeboten. Dabei scheint es aus dem Blick zu geraten, dass es sich bei der Adventszeit ursprünglich um eine Vorbereitungszeit handelte, die sich in der späten Antike beziehungsweise im frühen Mittelalter mit den beiden Festen – Weihnachtsfest und Epiphanie, was im Volksmund als das Fest der Heiligen Drei Könige bezeichnet wird – zu einem Festkreis mit einer Vorbereitung und einer nachgehenden Festzeit entwickelt haben.

In den verschiedenen Großkirchen zu dieser Zeit wurde diese Vorbereitungszeit sehr unterschiedlich gestaltet. Im Mittelalter entwickelte sich die Adventszeit schließlich zu einer Halb-Fastenzeit, also eine weniger strenge Fastenzeit als vor Ostern. Nichtsdestotrotz wurden das Fasten und die damit zusammenhängenden heimischen Bräuche im Volksbrauchtum noch bis nach Kriegsende in den 50er Jahren fortgesetzt. Prof. Stephan Wahle zeigt auf, dass das heute noch erkennbar ist: „In manchen Ländern, zum Beispiel in Polen ist der Heilige Abend mit Fisch und nicht mit Fleisch – also mit solchen eher einfacheren Speisen –  versehen, bis hin zum einfachsten Kartoffelsalat“. In der evangelischen und katholischen Tradition ist der Advent heute zweigeteilt: die ersten Wochen bis zum 17. Dezember sind von der Erwartung der Wiederkunft Christi am Ende der Zeit geprägt. „Die letzte Phase ist dagegen stärker im Sinne der freudigen Erwartung des ersten Kommens des Gottessohnes gestaltet und kennt einige Elementen, die nicht zu einer strengen Fastenzeit passen würden“, erklärt Prof. Wahle.

Adventskalender

Auch den Adventskalender gibt es heute in den verschiedensten Ausführungen – mit Schokolade, Spielzeug, Kosmetik oder anderen Kleinigkeiten. Die Geschenkeindustrie lässt keinen Wunsch offen. Ursprünglich wurde sich jedoch die Zeit bis Weihnachten auf einfachere Art und Weise vertrieben, „zum Beispiel indem man jeden Tag ein Stückchen Stroh in eine Krippe legt und das Jesuskind damit bettet oder andere Dinge, wie eine Adventsuhr oder Striche auf der Tür, die von Tag zu Tag weggewischt werden“, weiß Prof. Wahle. Die Adventskalender haben sich vor allem Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelt: Zu dieser Zeit wurden zunächst Ausschneidebögen verkauft, woraufhin sich die Türchenkalender entwickeln. Erst nach dem 2. Weltkrieg entstanden die Schokoladen-Adventskalender im Zuge des Wirtschaftswunders und mit der steigenden Kaufkraft auch die unzähligen anderen Adventskalender-Varianten, die es heute gibt.

Tradition des Nikolaus

Die Tradition des Nikolaus hat sich in verschiedenen Ländern und Kulturen sehr unterschiedlich entwickelt und in einigen Ländern hat der Nikolaus noch immer einen sehr hohen Stellenwert. Auch in Deutschland bringt der Nikolaus heute noch immer Nüsse, Mandarinen und jede Menge Schokolade. Aber während sich die meisten Bräuche und Feste im Laufe der Zeit ausgeweitet haben, hat der Brauch des Nikolauses eine gegenteilige Entwicklung erfahren, denn beim Nikolaustag handelt es sich um den ursprünglichen Beschertag. Während des 16. Jahrhunderts gab es bereits das Christkind neben dem Nikolaus als Gabenbringer und – so berichtet Prof. Wahle – „erst ab dem 19. Jahrhundert wird so richtig der Heilige Abend und Weihnachten zu dem eigentlichen Beschertermin und Nikolaus bleibt als kleiner – in Deutschland zumindest – übrig“. Dabei erinnere der bunte Teller oder der Stiefel, den man am Vorabend hinausstellt, an diesen ursprünglichen Beschertermin.

Weihnachtsfest

Dadurch, dass das Weihnachtsfest den Nikolaustag als ursprünglichen Beschertag abgelöst hat, hat dieses Fest im Laufe der Zeit größere kulturelle Ausgestaltung erhalten. Dass das Fest und das damit zusammenhängende Verschenken immer üppiger ausfallen, hat verschiedene Gründe, berichtet Prof. Wahle: „Das Verschenken wird immer mehr, weil das Wirtschaftssystem sich ändert, die Spielwarenindustrie im 19. Jahrhundert aufkommt, die Kindheit als eigene Lebensphase entdeckt und aufgewertet wird und es gibt eine Trennung von Arbeitswelt und Wohnwelt im Bürgertum. All das führt dazu, dass die bürgerliche Gesellschaft in diesem Biedermeierweihnachten auch ihr eigenes Fest gibt und das wird häuslich gefeiert“. Vor allem nach dem 2. Weltkrieg haben die Leute stetig mehr Geld für Geschenke. Hier spielt auch die Amerikanisierung eine Rolle. Da Wirtschaft und Werbung Weihnachten als Beschenkfest stilisieren, geht vor allem die symbolische Bedeutung der Geschenke verloren. Dies zeigt sich heute vor allem beim Wichteln, denn dabei kommen die Geschenke aus der Wichtel- und Märchenwelt und fungieren als eine Art Tauschgeschäft. Das widerspricht dem eigentlichen Gedanken des Schenkens, denn „Geschenke leben eigentlich davon, dass man etwas unverdient bekommt, was man nicht unbedingt sofort wie in einem Tauschgeschäft zurückgibt, also Eltern die ihre Kinder beschenken oder auch Mägde und Knechte konnten ihren Herren nicht irgendwas zurückschenken, also darüber funktioniert eigentlich eine von Ökonomie vollkommen freie Geschenkkultur“, erklärt Prof. Wahle.

Obwohl man durch den übermäßigen Konsum von Weihnachtsgeschenken – die Deutschen geben durchschnittlich 475 € für Weihnachtsgeschenke aus – und den Verlust der symbolischen Bedeutung der Geschenke das Gefühl haben könnte, dass Weihnachten sich vollständig vom Ursprung entfernt hat, muss dies nicht unbedingt der Fall sein: Zwar steht nicht bei jeder Heiligabendfeier der religiöse Gedanke im Vordergrund, „wohl aber schaut man bei dieser häuslichen Feier meist unbewusst auf das, was sich im vergangenen Jahr ereignete– jetzt sind die Kinder größer oder ein Partner ist verstorben oder man ist auf einmal alleine – also egal wie man das Fest feiert,  man wird auf solche Fragen einfach geworfen, man kann dem nicht entgehen. Weihnachten ist zu einem existenziellen Deutungslabor geworden für das eigene Leben und die Familiengeschichte. Im Aushalten dieser Spannung, in der Wahrnehmung von Dankbarkeit oder in dem Wunsch nach einer neuen Lebensperspektive kann durchaus etwas Größeres als das Alltägliche ausgemacht werden, zuweilen eine Form unbestimmter Religiosität, die als solche nicht sogleich wahrgenommen wird.“

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